Landshut

Kultur als Krisenfall

Nachdem OB Putz die Museen neu geordnet hat, wächst das öffentliche Unbehagen


Zusammengespannt wie diese Gänseblümchen sollen städtische Museen und Skulpturenmuseum einer strahlenden Zukunft entgegensteuer

Zusammengespannt wie diese Gänseblümchen sollen städtische Museen und Skulpturenmuseum nach dem Willen des OB einer strahlenden Zukunft entgegensteuern. Allzu sonnig sieht es derzeit aber nicht aus.

Von Uli Karg

Es sollte eine Entscheidung sein, die die Dinge zum Besseren wendet. Mit der Zusammenlegung von Skulpturenmuseum und städtischen Museen zum 1. August wollte Oberbürgermeister Alexander Putz ein gedeihliches Miteinander dort verordnen, wo es bisher aus freien Stücken nicht möglich war. Indem er aber Dr. Franz Niehoff, den Leiter der städtischen Museen, zum Vorgesetzten von Stefanje Weinmayr, der Leiterin des Skulpturenmuseums, machte, hat sich die Museumssituation in der Stadt nicht verbessert, sondern verschlechtert. So sehen dies zumindest rund 50 Unterzeichner eines Offenen Briefs, die sich damit in der Landshuter Zeitung an den Oberbürgermeister gewendet haben. Zu den Unterzeichnern zählen Landshuter Bürger ebenso wie der Filmemacher Percy Adlon (der sehr persönliche Dokumentationen über Fritz Koenig gedreht hat) und der prominente Historiker und Publizist Michael Wolffsohn.

Der Brief passt zum Unbehagen, das sich angesichts der Museumszusammenlegung bereits in weiten Teilen des Stadtrats und in Landshuts Kulturszene breitgemacht hatte. Ursache dieses Unbehagens ist die Tatsache, dass eine Zusammenarbeit zwischen städtischen Museen und Skulpturenmuseum bislang nicht stattfand. In der öffentlichen Diskussion wurde dies meist auf "Animositäten", "Befindlichkeiten" oder "Machtkämpfe" zwischen den jeweils Verantwortlichen zurückgeführt. Warum es ein gravierendes Problem gibt, wurde kaum je thematisiert. Spricht man mit erfahrenen Beobachtern, Zeitzeugen und Weggefährten der Beteiligten, ergibt sich ein Bild, dessen Anfänge 20 Jahre zurückreichen.

Mit der Entscheidung der Stadt, ein Skulpturenmuseum zu bauen, um dort Werke von Fritz Koenig zu zeigen, die dieser der Fritz-und-Maria-Koenig-Stiftung vermacht hatte, ergab sich für die Stadt in den 1990er Jahren die Notwendigkeit eines eigenen Museumsbereichs, der bislang mit dem Archiv zusammengespannt war. Mitte der 90er Jahre wurde deshalb die Stelle eines Leiters der städtischen Museen ausgeschrieben, der auch dem Skulpturenmuseum vorstehen sollte. Die Wahl fiel auf Dr. Franz Niehoff, der damals gerade mit der Braunschweiger Ausstellung "Heinrich der Löwe und seine Zeit" für Aufsehen gesorgt hatte. Auch Koenig, der maßgeblich in die Auswahl des Kandidaten eingebunden war, sprach sich für Niehoff aus, nicht zuletzt weil ihn die Braunschweiger Ausstellung beeindruckt hatte.

Im Sommer 1996 trat Niehoff seine Stelle an. Bald darauf entzog ihm Koenig das Vertrauen. Ob dies an der Persönlichkeit Koenigs oder der von Niehoff lag, vermag rückblickend keiner der damaligen Beobachter mehr zu beurteilen. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass Niehoff den 20. Juni 1998 als große Demütigung empfunden haben muss. An diesem Tag wurde das Skulpturenmuseum eröffnet. Leiterin des Museums: Stefanje Weinmayr, noch keine 30 Jahre alt. 1995 hatte sie an der Universität Regensburg im Fach Kunstgeschichte ihre Magisterarbeit über die Epitaphe von Fritz Koenig geschrieben. Unmittelbar darauf übernahm sie die wissenschaftliche Betreuung der Fritz-und-Maria-Koenig-Stiftung, ab 1997 war sie auf Vorschlag Koenigs für die Stadt mit dem Aufbau und der Leitung des Skulpturenmuseums betraut.

Nachdem er von Koenig geschasst worden war, stand Niehoff als Leiter der städtischen Museen ohne adäquates Museum da. Alles was er hatte, waren Ausstellungsräume. Dabei verstand er es vor allem, die Heiliggeistkirche zu bespielen. Monumentale Wachskreuze von Robert Longo wechselten sich ab mit Figuren der großen Landshuter Bildschnitzer Hans Leinberger oder Christian Jorhan dem Älteren. Als Niehoffs Landshuter Meisterstück gilt Rupprecht Geigers Rauminstallation "Morgen Rot Abend Rot" aus dem Jahr 2000.

Gleichzeitig manifestierte sich die Distanz zum Skulpturenmuseum. Daran änderte auch eine zwischenzeitliche Annäherung im Jahr 2009 nichts, als Niehoff sogar die Festrede zu Koenigs 85. Geburtstag hielt. Kurze Zeit später war die Distanz wieder hergestellt. Koenig - ansonsten von einer berüchtigten Sprunghaftigkeit - verwahrte sich weiterhin gegen einen Verlust der Eigenständigkeit des Skulpturenmuseums. Niehoff wiederum sagte, dass Koenig angesichts all der Skulpturen, die es in Landshut gebe, nicht mehr sei als ein "Punkt in einem großen Kranz". 2012 war das. Niehoff stellte gerade die Ausstellung "Skulpturenstadt Landshut" zusammen. Auch mit Werken Koenigs - die allerdings aus Privatbesitz entliehen wurden. Skulpturenmuseum und Koenig-Stiftung ließ Niehoff außen vor.

Publizistisch untermauert wurde diese Distanz von der Kunsthistorikerin und Niehoff-Anhängerin Anke Humpeneder-Graf, die lange Zeit fürs Feuilleton der Landshuter Zeitung sowie für die städtischen Museen schrieb und Niehoff einst als "Turbo-Motor" des Landshuter Kunstbetriebs bezeichnet hatte. Über Koenigs "Durchstich", eine konische Granitwalze mit Loch in der Mitte, die zunächst am Ausgang des Hofbergtunnels aufgestellt wurde (und später in den Prantlgarten verlagert wurde), urteilte sie 1999: "Künstlerisch ohne Belang." Die Autorin stellte dann noch den Bezug zu einer weiteren Koenig-Skulptur, "Triebkraft", her (von Humpeneder-Graf "Riesenphallus" genannt), um zu folgern, dass da "einem alten Mann einfach nur die Phantasie durchgegangen ist". Kaum weniger deutlich war Humpeneder-Graf 2004 als sie in einer Besprechung von "Meine Arche Noah", der vierten Ausstellung im Skulpturenmuseum, Alternativtitel wie "Kunst und Krempl" oder "Koenigs Krusch" nannte. Als CSU-Stadträtin bemühte sich Humpeneder-Graf später um einen Sitz im Vorstand der Koenig-Stiftung. Ein Vorhaben, das am Veto des Stifters scheiterte. Nichtsdestotrotz attestiert Humpeneder dem Künstler Koenig mittlerweile eine "weltweite Strahlkraft", die von der Museumsleitung nur ungenügend in Besucherzahlen umgemünzt worden sei. Dass sich Koenig in den vergangenen Jahren sowohl Wechselausstellungen im Skulpturenmuseum als auch der Präsentation anderer Kunst als seiner eigenen strikt verweigert hatte, erwähnte Humpeneder-Graf nicht. Ebenso wenig den Umstand, dass dies sowohl von Stadt wie Stiftung akzeptiert wurde. In einer Kultursenatssitzung, in der Weinmayr vor Kurzem die Zahlen des Skulpturenmuseums vorstellte, rückte Humpeneder-Graf deren bisheriges Engagement stattdessen in die Nähe einer Hausmeistertätigkeit.

Für die Unterzeichner des Offenen Briefes ist dies inhaltlich ein Skandal und aufgrund der äußeren Umstände pikant. Wie mehrfach berichtet, war Humpeneder-Graf im Zuge der Ermittlungen in der Rufmordkampagne gegen Weinmayr als Zeugin vernommen worden und hatte dabei den Verdacht geäußert, Weinmayr selbst stecke aufgrund ihres "übersteigerten Geltungsbedürfnisses" hinter der Kampagne. Im Offenen Brief wiederum heißt es nun über Humpeneder-Graf, "dass eben diese Stadträtin sehr sehr gerne genau den Posten besetzen würde, den Frau Weinmayr innehat". Und weiter: "Wir jedenfalls wollen nicht, dass Frau Weinmayr, die all die Jahre gefälschte Briefe und ebenso gefälschte Leserbriefe ertragen hat, durch Ihre Entscheidung, Herr Oberbürgermeister, endlich dahin gebracht wird, aufzugeben und denen das Feld zu räumen, die schon seit Jahren auf diesen Moment hinarbeiten."

Ähnlich äußert sich Ute Kubatschka, die nicht zu den Unterzeichnern des Offenen Briefs zählt. Kubatschka saß für die SPD von 1996 bis 2014 im Stadtrat und war während dieser Zeit auch Mitglied des Vorstands der Koenig-Stiftung. Bezüglich der bisher nicht möglichen Zusammenarbeit hatte sie bereits in einem Leserbrief darauf hingewiesen, dass Weinmayr etwa anlässlich der vergangenen Landshut-Feste des Förderkreises Stadtmuseum desöfteren kostenlose Führungen im Skulpturenmuseum angeboten habe. Niehoff sei auf diese Angebote aber nie eingegangen. Durch die Neuausrichtung in ihrer jetzigen Form sei Weinmayr zur "Untergebenen" Niehoffs gemacht worden. Von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe könne keine Rede mehr sein. Problematisch sei dies nicht zuletzt deshalb, weil all dies verordnet wurde und nicht im Einvernehmen aller Beteiligten geschah. Dies so zu tun, stehe dem Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung zwar zu. Aber, so Kubatschka: "Es bleibt eine Ungerechtigkeit sondersgleichen. Da wird eine Frau fertiggemacht, die sich nichts zu Schulden hat kommen lassen." Was die von Niehoff beim letzten Landshut-Fest am vergangenen Wochenende angekündigte Neuinterpretation des Werks von Fritz Koenig betrifft, sagt Kubatschka: "Ich kann mich noch gut erinnern, wie Niehoff einmal Fritz Koenig in einer Kultursenatssitzung als drittklassigen Bildhauer bezeichnet hat. Da frage ich mich, wie er sich ernsthaft mit Koenigs Werk beschäftigen will."

Was die Einvernehmlichkeit betrifft, die bei der Neuordnung der Museen zum Tragen kommen sollte, ist Ute Kubatschka mit dieser Forderung nicht allein. Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband, auf dessen Gutachten zur Organisation der städtischen Museen und des Skulpturenmuseums sich Putz bei seiner Entscheidung immer berufen hatte, weist in ebendiesem Gutachten auf folgendes hin: "Dabei sollten vor allem auch die Mitarbeiter aktiv beteiligt und Veränderungsprozesse nur im Konsens eingeleitet werden. Werden sie von den Mitarbeitern akzeptiert und gemeinsam mit ihnen auf den Weg gebracht, besteht die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verwaltung in die richtige Richtung weiterentwickelt. Das wird letztlich auch bei den Bürgern wahrgenommen."

Auch wenn dieser Veränderungsprozess nun nicht auf der Basis eines Konsenses geschah - Alexander Putz ist von seiner Maßnahme nach wie vor überzeugt. Es sei ein Unding, dass zwei Häuser wegen Befindlichkeiten stets aneinander vorbei gearbeitet hätten. Er sei weiterhin guter Hoffnung, dass sich die Situation zum Besseren wende. Auf die Frage, was ihm Anlass zu dieser Hoffnung gibt, antwortet er: "Meine Lebenserfahrung. Ich bin ein optimistischer Mensch." Zum Offenen Brief sagt Putz: "Das nimmt langsam skurrile Formen an. Und da sind Unterstellungen drin, die ich vehement von mir weise. Die Leute, die das schreiben, kennen weder mich noch die Verhältnisse." Er halte die aktuelle Debatte für eine "aufgebauschte Diskussion auf Metaebene".

Ganz und gar nicht überzeugt von der Sinnhaftigkeit der Entscheidung ist Altoberbürgermeister Josef Deimer, der den Bau des Skulpturenmuseums in den 90er Jahren als Rathauschef maßgeblich vorangetrieben hatte. Erstmals rückt er daher auch von seiner Linie ab, sich nicht zur Amtsführung eines Nachfolgers zu äußern. Angesichts der Tatsache, dass die Intention des Museums (Wechselausstellungen, Schauen anderer Künstler) vom Künstler nicht mitgetragen worden sei, sagt Deimer, bewundere er es, was Weinmayr geleistet habe: "Ich bin der Meinung, dass das Skulpturenmuseum in exzellenter Weise und mit großer Phantasie geführt wird und wurde." Der Offene Brief, den Deimer nicht mitunterzeichnet hat, sei ein Appell, nochmals darüber nachzudenken, ob man wirklich so vorgehen müsse. Er hoffe, dass dies auch geschehe. "Muss man denn derjenigen die Lust an der Arbeit nehmen, die bereits so viel geleistet hat? Das ist ungerecht. Und das bringt auch kein Glück."

Dr. Franz Niehoff teilte auf LZ-Anfrage mit, dass er sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zur Zusammenlegung der Museen äußern will. Anke Humpeneder-Graf war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Stefanje Weinmayr war für eine Stellungnahme ebenfalls nicht zu erreichen. Wie das Skulpturenmuseum mitteilte, ist sie krankgeschrieben.