Bayern

"Wir wurden im Stich gelassen"

Rundum Bagger, Dreck und Baulärm: Die 250 Mitarbeiter von Galeria-Karstadt sind tief enttäuscht - auch von der Stadt. Derweil planen Angestellte von Milliardär René Benko auf dem Kaufhausdach wohl eine Partylocation.


Der fünfstöckige Karstadt aus den 70ern wird abgerissen. Am 30. Juni ist der letzte Verkaufstag. 250 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit.

Der fünfstöckige Karstadt aus den 70ern wird abgerissen. Am 30. Juni ist der letzte Verkaufstag. 250 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit.

Von Nina Job

München - Noch 106 Tage, dann wird im Galeria-Karstadt am Stachus für immer das Licht ausgehen. So wurde es am vergangenen Montag den Mitarbeitern des Kaufhauses mitgeteilt (AZ berichtetei). 250 Frauen und Männer verlieren ihren Arbeitsplatz - anstatt in das denkmalgeschützte Hermann Tietz Haus (ehemals Hertie) am Hauptbahnhof umzuziehen. Das war den Mitarbeitern seit Jahren in Aussicht gestellt worden. Das prächtige Gebäude von 1904/05 wird derzeit saniert.

Die Angestellten fühlen sich von ihrem obersten Chef René Benko, dem Immobilien-Milliardär, der mit seinem Unternehmen Signa die Kaufhausketten Galeria Kaufhof und Karstadt gekauft hatte, betrogen und belogen. "Wir fühlen uns auch von der Stadt im Stich gelassen", sagt Betriebsratschef Eduard Wölbitsch.

sized

Das "Hermann Tietz Haus" (früher Hertie) am Bahnhof wird saniert. Hier sollte Galeria wieder einziehen. Daraus wird nichts mehr.

sized

Auf dem Dach des 70er-Jahre-Baus befindet sich eine riesige Dachterrasse mit Blick auf die Frauentürme und den Justizpalast.

sized

Galeria-Betriebsratschef Eduard Wölbitsch.

"Jahrelang waren wir extrem eingequetscht zwischen Baustellen", sagt Eduard Wölbitsch. Zum Stachus hin, quasi vor dem Haupteingang des 70er-Jahre-Gebäudes, wurde der alte Königshof abgerissen und ein neues Luxus-Hotel gebaut. Auf der anderen Seite - zum Hauptbahnhof - wurde mit der aufwendigen Sanierung des historischen Hermann-Tietz-Hauses begonnen und ein Teil, der das denkmalgeschützte Gebäude mit dem 70er-Jahre-Bau verband, abgerissen.

Neben Dreck und Baulärm habe es auch immer wieder Probleme mit Baufahrzeugen gegeben. "Wir haben ständig dagegen ankämpfen müssen, dass man uns die Eingänge zuparkt", sagt Eduard Wölbitsch. Besonders schlimm sei es gewesen, als die Stadt auch noch die Fußgängerzonenregelung in der Schützenstraße aufhob. Die Kaufhaus-Mitarbeiter hätten sogar die Polizei um Hilfe gebeten, damit sie wenigstens Strafzettel an Falschparker verteilt. Oft vergebens. "Wir waren der Stadt völlig egal", sagt Wölbitsch.

Auch die Schützenstraße verkam immer mehr, viele kleine Geschäfte machten dicht. "Wir hatten einen Frequenzeinbruch von 70 Prozent, nachdem der Altbau von dem anderen Gebäudeteil abgezwackt wurde", erzählt Eduard Wölbitsch. Doch trotz der widrigen Umstände hätten es die engagierten Mitarbeiter geschafft, dass der Umsatz nach Corona wieder stieg. "Jetzt waren wir wieder bei über 33 Millionen Euro pro Jahr", sagt er.

Er und viele seiner Kaufhauskollegen halten das Argument, dass sich ein Kaufhaus an diesem Standort nicht mehr lohnen würde, für fadenscheinig. "Es ist eine der besten Lagen in München. Wir haben den Hauptbahnhof gegenüber mit Zehntausenden Pendlern am Tag und ein Luxus-Hotel in unmittelbarer Nachbarschaft."

Vielmehr glaubt der Betriebsratschef, dass Benko das alte Gebäude so schnell wie möglich abreißen lassen will, um dort mit dem Neubau seines "Erlebnistempels" zu beginnen: einem Glaspalast mit viel Grün und sechs großen Höfen, 150 Meter lang, 64 Meter breit und 30 Meter hoch. Mit vielen Büros, die sich teuer vermieten lassen sowie kleineren Geschäften.

Anders sei kaum zu erklären, warum ausgerechnet der größte Karstadt-Galeria von allen, denen nun das Aus verkündet wurde, am schnellsten raus muss. Das Ende am Hauptbahnhof sei schon lange besiegelt gewesen, glauben viele. "Die haben uns getäuscht."

Bereits vor mehreren Wochen wunderten sich die Mitarbeiter über eine Gruppe von rund zehn Signa-Mitarbeitern. Sie vermaßen im ganzen Haus Säulen, Deckenhöhen und Lüftungsrohre. Außerdem inspizierten sie die etwa 400 Quadratmeter große Dachterrasse auf dem Kaufhaus, die derzeit noch von den Mitarbeitern genutzt wird.

Dabei, so berichten Kaufhaus-Mitarbeiter, habe es geheißen, dass die Bauleitung in die Büros neben der Terrasse einziehen wolle. Und die Terrasse - eigne sich ja super als Partylocation bis zum Abriss.