Bayern

Debatte um Tempo 30 in der ganzen Stadt

Wenn Autos bloß noch 30 km/h fahren dürften, gebe es nur Vorteile, finden die Grünen. Doch die SPD will den Verkehr nicht ausbremsen


Von Christina Hertel

Es ist erst ein paar Wochen her, dass der Münchner Mobilitätsreferent Georg Dunkel (parteilos) in der Altstadt eine neue Tempo-30-Zone einweihte: In der Frauenstraße beim Viktualienmarkt dürfen Autofahrer seit November bloß noch 30 km/h fahren.

Schon damals sagte Dunkel zur AZ, dass er sich eigentlich Tempo 30 in der ganzen Stadt, außer auf den großen Hauptverkehrsstraßen, wünsche. Wenn die Regelgeschwindigkeit nicht mehr bei 50 km/h liegen würde, "wäre das eine große Erleichterung", meinte er.

Doch momentan ist der behördliche Aufwand noch recht groß, in einer Straße eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen, erklärte Dunkel damals. Denn die Verwaltung muss den Schritt für jede Straße einzeln gut begründen.

Nun ist Bewegung in die Sache gekommen: Wie der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Detlef Müller dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" sagte, soll das Straßenverkehrsrecht noch im ersten Halbjahr 2023 angepasst werden. Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert, dass es für Städte bislang zu wenig Möglichkeiten gibt, Tempo 30 einzuführen (AZ berichtetei). Oftmals gelinge das bloß auf Nebenstraßen. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch fordert deshalb "Tempo 30 obligatorisch für alle Stadtgebiete".

Das Münchner Mobilitätsreferat hält eine solche innerörtliche Regelgeschwindigkeit für "durchaus interessant". Auf großen Straßen sollte aber aus ihrer Sicht eine höhere Höchstgeschwindigkeit gelten.

Das fordern auch die Grünen im Münchner Stadtrat: "Das Ziel wäre, Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit zu machen, so dass dann Tempo 50 nur noch auf begründeten Hauptverkehrsadern, wie beispielsweise dem Mittleren Ring, gilt", sagt Fraktionschefin Mona Fuchs.

Fuchs glaubt, überall Tempo 30 hätte viele Vorteile: "Es stärkt die Verkehrssicherheit", so Fuchs. München könnte damit seinem Ziel, dass es keine Toten im Straßenverkehr geben soll, ein Stück näher kommen. Zudem wirke es sich positiv auf den Lärmschutz aus. Das war auch für den Mobilitätsreferenten ein Argument, in der Frauenstraße die Geschwindigkeit zu senken. Für die Anwohner hört es sich laut Dunkel jetzt so an, als würden dort nur noch etwa halb so viele Autos fahren.

Auch für die Luft habe das Tempo-Limit positive Folgen, sagt Mona Fuchs. Denn wenn die Autos weniger beschleunigen und abbremsen müssen, stoßen sie auch weniger Schadstoffe aus. Außerdem rechnet die Grünen-Fraktionschefin damit, dass die Stadt 8000 Verkehrsschilder abbauen könnte. Statt 12 000 Schilder bräuchte es ihrer Einschätzung nach nur noch 4000.

"Wir sehen nur Vorteile und keine Nachteile bei einem flächendeckenden Tempolimit", sagt Fuchs.

"München eigne sich gut als Tempo- 30-Modellkommune", findet sie.

Um dies zu ermöglichen, gründeten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm im Juli 2021 eine Initiative mit dem Namen "Lebenswerte Städte".

Die Städte setzen sich beim Bund dafür ein, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, welche Geschwindigkeiten angeordnet werden. Mittlerweile sind 360 Städte dabei - München fehlt.

Warum? "Wir wären offen uns anzuschließen", sagt Mona Fuchs von den Grünen. "Diese Frage müssten Sie also eher anderen Fraktionen stellen." Tatsächlich hatte es rund um das Thema vor etwa einem Jahr einen Krach in der grün-roten Rathauskoalition gegeben. Sogar von "blindem Autohass" sprach SPD-Fraktionschef Christian Müller, als die Grünen den Vorstoß machten, dass München Tempo-30-Modell-Kommune werden soll.

Der Verkehrsexperte der SPD, Nikolaus Gradl, betont nun erneut: "Wir dürfen den Autoverkehr nicht ausbremsen." Ein flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h hätte seiner Einschätzung nach "massive Auswirkungen" auf den Lieferverkehr und das Handwerk. Die Fahrt in die Stadt hinein könnte fast doppelt so lange dauern, fürchtet er. Zur Hauptverkehrsader zählt für Gradl weitaus mehr als der Mittlere Ring. Er fordert deshalb vom Mobilitätsreferat, die Straßen differenziert zu betrachten. Auch Tempo 40 könnte auf einigen Straßen ein Kompromiss sein. Außerdem müssten die Geschwindigkeitsbegrenzungen auch kontrolliert werden.

Die CSU sieht eine pauschale Tempo-30-Zone in der ganzen Stadt ähnlich kritisch. Deren Fraktionschef Manuel Pretzl betont, dass ohnehin schon in den meisten Münchner Straßen Tempo 30 gelte. München zu einer Modell-Kommune zu machen hätte also aus einer Sicht keinen Effekt - außer "Schaufensterpolitik".