Leukämie

Ritterfischchen kämpfen gegen den Krebs

Charlotte von Bausznerns Buch "Konrad und die Fischchen" erklärt Leukämie aus der Perspektive eines Kindes


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Es ist eine Diagnose, die schon für Erwachsene eine enorme Belastung darstellt. Doch wenn Kinder an Krebs erkranken, stellt sich bei Eltern und Angehörigen auch noch das Gefühl der Hilflosigkeit ein: Wie soll man dem Kind erklären, dass es an einer schweren, potenziell tödlichen Krankheit leidet? Wie soll man ihm begreiflich machen, dass gerade die Behandlung, die es heilen soll, bei ihm Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall und Schwäche verursachen wird?

Charlotte von Bausznern kennt den Leidensweg von Kindern und Angehörigen aus eigener Erfahrung. Sie saß lange am Krankenbett eines kleinen Jungen, der an akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) erkrankt war. Blässe, Abgeschlagenheit, Unwohlsein, Appetitlosigkeit - all das gehört zu den Anfangssymptomen der ALL. Diese Blutkrebs-Form macht fast ein Drittel aller Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus, am häufigsten betroffen sind Kinder zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr.

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Charlotte von Bausznern bei der Vorstellung ihres Buches in Zürich.

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Mit Bildern eine Vorstellung von den Vorgängen im Körper schaffen: Bei einer Lesung stempeln Schüler gute und böse Fischchen in den roten Fluss.

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Im Buch trifft die Realität auf kindliche Fantasie.

Ein Sachbuch, das über ein schwieriges Thema informiert und dabei auch unterhält

Über das reale Kind, an dessen Bett sie so lange saß, möchte Charlotte von Bausznern nicht sprechen. Dafür hat sie ihre Erfahrung in einem Buch zusammengefasst: "Konrad und die Fischchen" ist einerseits ein Sachbuch. Kindgerecht und anschaulich wird erklärt, was sich im Körper des kranken Konrad abspielt, wenn Krebszellen das Immunsystem angreifen und sich ausbreiten und auf welche Weise Therapien wirken. Andererseits enthält es aber auch fiktive Elemente, die sogar unterhaltsam sind. In einem Infoteil werden die wichtigsten Fragen beantwortet. Außerdem gibt es Seiten, die von Kindern selbst gestaltet werden können.

Die Krankheit ist anfangs ein Rätsel, doch ist frühes Handeln lebenswichtig

Die Geschichte des fünfjährigen Konrad wird aus der Perspektive seines Bruders Karl erzählt. Konrad stolpert eines Tages und fällt hin. Sein Bruder bemerkt, wie Konrad plötzlich auf nichts mehr Lust hat, weder spielen noch laufen will. Und dass die Mutter ziemlich oft mit ihm beim Arzt ist. Die Krankheit - zunächst ein Rätsel. Auch das ist ein typisches Phänomen bei ALL. "Die Zeit, in der noch unklar ist, was mit dem Kind los ist, fühlt sich ewig an", sagt die Berliner Autorin. Die Symptome sind häufig nicht eindeutig, ihr Zusammentreffen und Anhalten müssen aber unbedingt von einem Arzt abgeklärt werden. Denn wird die Krankheit in ihrer akuten Form nicht behandelt, kann sie innerhalb weniger Monate zum Tod führen.

So ernst wird es im Buch aber nicht. Dennoch nimmt die Autorin die Krankheit nicht auf die leichte Schulter. Nach Rücksprache mit Fachärzten und Psychologen ist eine Erzählung entstanden, die Kindern und Eltern deutlich macht, was für ein harter Kampf sich in Konrads Körper abspielt: Da ist zunächst der Blutkreislauf, in dem sich neben den guten roten, weißen und platten Fischchen auch Bösewichte herumtreiben, die Konrad das Leben so schwer machen. Gegen die bösen "pieksigen" Fischchen bekommt der Junge "Ritterfischchen", die manchmal so stark gegen die Feinde zu Werke gehen, dass Konrad übel wird. Eine schwere Zeit für den Fünfjährigen und seine Familie - aber auch eine, in der die Vier zusammenhalten und sich ganz nahe sind.

Auf der Suche nach den richtigen Worten kam die Idee für das Buch

Das Buch ist entstanden, als Charlotte von Bausznern plötzlich selbst die Worte fehlten, um dem kleinen Jungen im Krankenbett zu erklären, warum er jetzt ganz tapfer sein und die Behandlung über sich ergehen lassen müsse. "Das Kind muss in so einem Fall völlig funktionieren", sagt die Autorin. "Es gibt viele Kinder, die dann blockieren und zum Beispiel ihre Tablette nicht mehr schlucken wollen." Dabei ist es wichtig, dass ein Kind die Therapie mit trägt. Eltern sind in solchen Fällen aber häufig überfordert - und allein mit dem Problem. "Auch die medizinische Fachsprache ist nicht kindgerecht", fügt die Autorin hinzu. "Das ist wie eine fremde Sprache für ein Kind, es versteht nicht, worum es geht."

Mit einer Handpuppe namens "Karl" begann Charlotte von Bausznern mit ihrem Versuch, dem kleinen Jungen in verständlicher Weise Krebs zu erklären: Die Puppe erzählte von Konrad, einem Jungen, der ebenfalls an Leukämie erkrankt war und später Astronaut wurde. Nach und nach kamen weitere Elemente hinzu: Eines Abends, die Autorin las gerade einige Infoblätter, fiel ihr auf, dass der Blutkreislauf wie ein Fluss war, in dem winzige Fische schwimmen. Zusammen mit ihrem Ehemann fügte sie immer mehr Bilder und Szenen zusammen.

Noch am Krankenbett fing Charlotte von Bausznern an zu zeichnen, den roten Fluss, die unterschiedlichen Fischchen, die Jungen. Die entstehende Geschichte von Konrad prägte sich auch bei den behandelnden Ärzten schnell ein: Schon bald fragte die Ärztin, wenn sie das Krankenzimmer des kleinen Jungen betrat: "Und, wie geht's den Fischchen heute?" Charlotte von Bausznern freut sich darüber. "Ich träume davon, dass man das irgendwann in der Onkologie immer so hört", sagt sie.

Derzeit wird "Konrad und die Fischchen" in mehrere Sprachen übersetzt

Dem realen Jungen ging es wieder besser. Dennoch war für Charlotte von Bausznern das Thema nicht abgeschlossen: Aus der Geschichte sollte ein Buch werden, weil sie auch anderen Kindern und Eltern helfen kann, mit der Krankheit umzugehen. Auch die Ärzte, Prof. Dr. Jean Pierre Bourquin vom Kinderspital Zürich und PD Dr. Patrick Hundsdörfer von der Charité Berlin, sowie die Psychologinnen Dr. Anna Graf vom Kinderspital Zürich und Imke Farin von der Charité Berlin waren angetan von der Idee. Gemeinsam besprach man die Inhalte. Dann machte sich die Autorin auf die Suche nach einem Verlag. Nach vielen Absagen erhielt sie eine Zusage vom österreichischen Bucher Verlag. "Sie haben das Buch großartig unterstützt, von Anfang an", erinnert sich Charlotte von Bausznern. Ein Großteil der ersten Auflage wurde, finanziert durch Spenden, an Kliniken verschenkt. Aktuell wird "Konrad und die Fischchen" in mehrere Sprachen - darunter Englisch, Italienisch, Französisch, Arabisch und Schwedisch - übersetzt, auch dies wurde durch Spenden möglich gemacht.

Inzwischen stellt die Autorin das Buch bei Lesungen, unter anderem in Grundschulen, vor. Sie fragt die Kinder, wer schon einmal in einem Krankenhaus war. "Wir reden aber auch darüber, wie ein Buch gemacht wird", sagt sie, denn auch das interessiert die Kinder. Es wird aber nicht nur geredet: Auf großen Papierbögen, auf denen der Blutkreislauf vorgedruckt ist, können die Kinder Fischchen stempeln - und erhalten ganz spielerisch einen Einblick in den menschlichen Körper.

Wer den Vertrieb und die Weiterentwicklung des Buches unterstützen möchte, kann eine Spende an das Kinderspital Zürich auf das Konto Nr. 84-222211-3 überweisen:

IBAN CH34 0900 0000 8422 2211 3, BIC POFICHBEXXX, PostFinance AG, 3030 Bern/Schweiz. Bitte als Verwendungszweck unbedingt die Projektnummer 10488 (Kinderbuch Konrad und die Fischchen) angeben!