Eine Million Unterschriften sollen das Artensterben in Bayern aufhalten

Volksbegehren "Rettet die Bienen"


Eine Honigbiene bestäubt fleißig die Apfelblüten. Ohne Bienen und Hummeln müssten Menschen diese Arbeit übernehmen.  Foto: Andreas Hartl/LBV Bildarchiv

Eine Honigbiene bestäubt fleißig die Apfelblüten. Ohne Bienen und Hummeln müssten Menschen diese Arbeit übernehmen. Foto: Andreas Hartl/LBV Bildarchiv

Von Ulrike Kühne

Die chinesische Arbeiterin Tao steht auf der Leiter und bestäubt Tag für Tag, Stunde um Stunde die Apfelblüten, weil es im China des Jahres 2098 keine Bienen mehr gibt. Was in Maja Lundes Roman "Geschichte der Bienen" aus dem Jahre 2017 noch Fiktion sein soll, wurde schon von der Wirklichkeit eingeholt: In China bestäuben tatsächlich bereits Arbeitertrupps die Obstbäume, weil es kaum noch Insekten gibt.

So weit soll es in Deutschland nicht kommen. Mit dem von der ÖDP veranlassten Volksbegehren "Artenvielfalt - Rettet die Bienen" wollen die Organisatoren die Bienen retten, aber nicht nur.

Darum geht es

Das Volksbegehren will laut Bernhard Suttner (ÖDP), Sprecher des Volksbegehrens, "ein besseres Naturschutzgesetz erreichen". In Bayern gibt es heute 75 Prozent weniger Insekten als noch vor 20 Jahren. Laut Stefan Spiegel vom Landesverband Bayerischer Imker sind von über 570 Wildbienenarten 52 Prozent stark gefährdet oder extrem selten, sieben Prozent bereits verschwunden. Weniger Insekten bedeutet weniger Vögel, weniger Blumen und weniger Obst, Gemüse, Nüsse - die Liste der von Bienen und Co bestäubten Nutzpflanzen ist lang. Für die Arbeitsleistung eines Bienenvolkes bräuchte man laut der Initiative "beecareful" mehr als 1.500 menschliche "Bestäuber". Das wäre teuer!

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Ein Schachbrettfalter. Foto: Dr.-Eberhard-Pfeuffer/LBV-Bildarchiv

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Blumenwiesen bieten Lebensraum für viele Arten. Foto:Dr.-Eberhard-Pfeuffer/LBV-Bildarchiv

Insekten brauchen giftfreien Platz zum Leben. Darum fordert das Volksbegehren unter anderem ein bayernweit verbundenes Netz an natürlichem Lebensraum. Dazu sollen an allen Gewässern fünf Meter breite Uferrandstreifen entstehen, die nicht gedüngt oder mit Pestiziden gespritzt werden dürfen. In allen anderen Bundesländern ist dies übrigens längst Pflicht.

Weniger Gift, mehr Bio

Der Freistaat soll sich außerdem verpflichten, auf seinen eigenen Flächen ab 2020 kein Gift mehr einzusetzen. Bis 2030 soll sich der Anteil an Bio-Landwirtschaft in Bayern auf 30 Prozent erhöhen. Über diesen Punkt regt sich der Bayerische Bauernverband (BBV) besonders auf: "Eine Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 bis 30 Prozent per Gesetz würde in einem Desaster für den Markt für regionale Bio-Erzeugnisse enden", meint BBV-Präsident Walter Heidl.

Meinung der Bauern

Die Bio-Bauern jedoch sehen das anders. Die Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ) mit ihren 6.200 Mitgliedsbetrieben unterstützt "Rettet die Bienen": "Die Zielsetzung für den Ausbau des ökologischen Landbaus weist in die richtige Richtung und konkretisiert das im Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern verankerte Ziel, den Anteil des Ökolandbaus mittelfristig zu verdoppeln," meint LVÖ-Geschäftsführerin Cordula Rutz. Josef Schmid, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), geht noch weiter: Er wirft dem Bayerischen Bauernverband vor, das Volksbegehren bewusst fehlzuinterpretieren. Die Kampagne des BBV gegen das Volksbegehren sei eine Desinformationskampagne, Verdummung und Verallgemeinerung "wie bei Trump." Kein Bauer werde durch das Gesetz gezwungen, auf Bio umzustellen. Die 30-Prozent-Forderung sei eine reine Zielvorgabe, die durchaus realistisch sei, wenn die Bio-Branche so weiter wachse wie bisher.

Der BBV führt das Bienensterben zur Hälfte auf die Varroa-Milbe zurück. Ein weiteres Viertel der Tiere verende durch Gifte in Privatgärten, nur ein Viertel durch die Landwirtschaft. Prof. Dr. Ingolf Steffan-Dewenter, Insektenexperte an der Uni Würzburg, widerspricht dem. Die Varroa-Milbe betreffe nur die Honigbiene. Man könne "nicht wegdiskutieren, dass Insektizide eben nicht nur einen bestimmten Schädling im Acker betreffen, sondern viele Insekten. Eine Vielzahl von Faktoren, die zum Rückgang der Artenvielfalt bei Insekten und in der Konsequenz auch Vögeln führen, liegt im intensiven Landbau begründet."

Aber auch Steffan-Dewenter betont, dass die Landwirte nicht als alleiniger Buhmann dargestellt werden dürfen. Es gebe auch Handlungsbedarf im persönlichen beziehungsweise im privaten Bereich. Zehn Prozent des Gartens der Wildnis überlassen, Mut zu mehr "Unordnung", kein Gift: "So gesehen beginnt 'Rettet die Bienen' in jedem Garten, genau genommen sogar auf jedem Balkon."

Wer ist dafür?

Die Front der Unterstützer des Volksbegehrens ist breit. Neben der ÖDP sind die Grünen und der LBV als Träger mit im Boot. Der Bund Naturschutz, der Landesverband Bayerischer Imker, die Gregor Louisoder-Umweltstiftung und rund 140 weitere Organisationen stehen hinter der Forderung des Volksbegehrens. Sie alle rufen dazu auf, im Rathaus für mehr Naturschutz in Bayern zu unterschreiben.

Wer darf mitmachen?

Am Volksbegehren teilnehmen darf, wer

• in Bayern wohnt,

• mindestens 18 Jahre alt ist,

• Deutscher ist,

• seinen ersten Wohnsitz in der Gemeinde hat, • einen gültigen Personal- ausweis oder Reisepass besitzt.


Wie kann man mitmachen?

Noch bis zum 13. Februar kann man sich im Rathaus seiner Wohnsitzgemeinde persönlich für das Volksbegehren eintragen. Dazu muss man sich mit Personalausweis oder Reisepass ausweisen. Jede Gemeinde bietet außerhalb ihrer regulären Öffnungszeiten mindestens eine Abendöffnung und eine Öffnung am Wochenende für Berufstätige an. Die Zeiten unterscheiden sich von Gemeinde zu Gemeinde. Ganz einfach zu finden sind sie im Internet: rathausfinder.volksbegehren-artenvielfalt.de

Was ist ein Volksbegehren?

Mit einem Volksbegehren können Bürger in Bayern direkt selbst Gesetze machen. Dazu gehören drei Schritte:

1. Entwurf und Antrag

Zuerst wird ein Gesetz entworfen und ein Volksbegehren beantragt. Dafür müssen bereits 25.000 Bayern unterschreiben, dass sie den Antrag unterstützen - fast 100.000 Menschen haben das 2018 bereits getan. Das Staatsministerium hat den Gesetzesentwurf bereits geprüft und zugelassen.

2. Das Volksbegehren

In den zwei Wochen vom 31. Januar bis 13. Februar findet das Volksbegehren statt. Damit es erfolgreich ist, müssen zehn Prozent der bayerischen Bürger in ihrer Wohnortgemeinde den Gesetzesentwurf per Unterschrift unterstützen.

3. Die Entscheidung

Werden die zehn Prozent erreicht, muss der Landtag über das neue Gesetz abstimmen. Ist er dafür, haben die Bürger ihr Ziel erreicht. Ist er dagegen, gibt es innerhalb von sechs Monaten einen Volksentscheid, an dem die Bayern mit einfacher Mehrheit selbst entscheiden dürfen, ob sie das neue Gesetz haben wollen, oder nicht.