Bad Kötzting

"Dicker Hund": Stadt entfernt Storchenhorst


Ferdi samt Nachwuchs. Letztes Jahr machte Meister Adebar Schlagzeilen - nach 80 Jahren hatte sich wieder ein Storch in Kötzting niedergelassen. Foto: Archiv

Ferdi samt Nachwuchs. Letztes Jahr machte Meister Adebar Schlagzeilen - nach 80 Jahren hatte sich wieder ein Storch in Kötzting niedergelassen. Foto: Archiv

Straubing, Cham, Miltach - überall wird zu Frühjahrsbeginn die Ankunft der Störche sehnsüchtig erwartet. Anders in Bad Kötzting. In einer Hauruckaktion am Mittwochfrüh entfernten Bauarbeiter im Auftrag der Stadt den Horst am Rathausdach, den sich Storch Ferdi im vergangenen Jahr errichtet hat. Ein anonymer Anruf machte den LBV auf die Sache aufmerksam und die gingen sofort auf die Barrikaden. LBV-Kreisvorsitzender Heribert Mühlbauer sagte gestern Nachmittag sichtlich entrüstet: "Das was hier in Kötzting passiert, ist wirklich ein dicker Hund!"

80 Jahre lang war Bad Kötzting storchenlos - bis im letzten Jahr der ursprünglich in Miltach heimische Storch Ferdi sich in der Kurstadt niederließ, auf den letzten Drücker eine Partnerin fand und zwei Junge in die Welt setzte. Sein Nest errichtete Ferdi hoch oben auf dem Kamin am Rathausdach. Und dieser Horst wurde gestern ohne Vorankündigung und ohne der obligatorischen Genehmigung durch die Höhere Naturschutzbehörde von Mitarbeitern des Bauhofes entfernt.

"Das ist illegal"

"Das ist illegal", erklärte Heribert Mühlbauer wütend. Er hatte gemeinsam mit Storchenhorstbeauftragtem Klaus Wallner, Markus Schmidberger vom LBV und dessen Stellvertreter Karlheinz Schindlatz vor dem Rathaus zur Pressekonferenz eingeladen. Die Aktion der Stadt verstoße gegen das Bundesnaturschutzgesetz Paragraph 44, Absatz 1, Nummer 3, führte Markus Schmidberger aus. Denn nicht nur Meister Adebar, auch sein Nistplatz ist naturschutzrechtlich streng geschützt. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann die Höhere Naturschutzbehörde eine Genehmigung für die Entfernung des Horstes erteilen.

Ein Telefonat mit der Höheren Naturschutzbehörde ergab jedoch, dass es eine solche Anfrage nie gegeben hat. Die Untere Naturschutzbehörde äußerte sich schriftlich: "Ein Verstoß gegen dieses Verbot stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. (...) Soweit die Entfernung des Storchennestes nicht rechtmäßig war, kann die Wiederherstellung der Niststätte oder eine Ersatzniststätte für den Storch angeordnet werden."Markus Schmidberger erinnert sich an ein Gespräch mit Karl-Heinz Lummer, dem geschäftsleitenden Beamten der Stadt. Der habe sich vor ein paar Tagen erkundigt, ob es erlaubt sei, den Horst zu entfernen.

Damit die Jungstörche nicht vor Schreck aus dem Nest purzelten, wenn an Pfingsten wieder ein Feuerwerk gezündet wird.Nicht nur Schmidberger antwortete mit einem klaren Nein, auch Manfred Nothaas von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Cham. "Ja wir hatten miteinander telefoniert", so Nothaas und fügte nach einer kurzen Pause hinzu, "Ich bin jetzt doch enigermaßen überrascht, dass die Stadt das Nest trotzdem entfernen ließ."

"Ich bin seit über 40 Jahren Kreisvorsitzender beim LBV, aber so etwas habe ich noch nie erlebt", meinte Mühlbauer empört, "überall freuen sich die Leute auf den gefiederten Frühlingsboten, nur in Kötzting gibt es für den Storch ein böses Erwachen." Er stuft dieses Verhalten wie "eine schallende Ohrfeige" ein: "Wie kann eine Kommune den Bürgern nur ein so schlechtes Vorbild abgeben?" Die LBV-Funktionäre sind sich einig: "Der Horst muss wieder errichtet werden!" "Wir vom LBV stehen gerne wie auch schon das Jahr zuvor beratend zur Seite", so Schmidberger versöhnlich. Wallner, ehrenamtlicher Betreuer für den Kötztinger Horst, fügte schmunzelnd hinzu: "Und falls man das Nest wegen des Storchendrecks am Rathausdach entfernt hat, dann müsste man künftig auch den Pfingstritt wegen der Pferdeäpfel auf der Straße verbieten."

Obwohl die Pressekonferenz auf dem Platz vor dem Rathaus stattfand, gesellte sich Bürgermeister Wolfgang Ludwig nicht zu der kleinen Gesellschaft. Er empfing anschließend im Rathaus und wies erst einmal allgemein darauf hin, was die Stadt für den Tierschutz unternehme. So habe man auf freiwilliger Basis 20 000 Hektar Ausgleichsfläche geschaffen, er zählte das Bibergebiet in Grub und die regelmäßige finanzielle Unterstützung für den Tierfreundekreis auf.Und der Storch? Auch dem habe man Tribut gezollt, so Ludwig. So habe man beispielsweise letztes Pfingsten die Abschussrichtung des Feuerwerks geändert und auf Böller verzichtet. In der Herrenstraße, die am Rathaus vorbeiführt, durfte bei den Umzügen nicht laut getrommelt werden und die Goaßlschnalzer blieben ebenfalls still.

"Bisserl blöd gelaufen"

Ludwig erklärte, man habe den Nistplatz aus "Sicherheitsgründen" entfernt: "Das Nest befindet sich über dem Haupteingang und da passierte es immer wieder, dass Äste und Stöckchen herabfielen." Wegen des schönen Wetters hätten die Mitarbeiter des Bauhofs gestern Morgen den Horst begutachtet und festgestellt, dass das Nest "in ganz schlechtem Zustand" sei und nur noch zu 20 Prozent bestünde. Ludwig selbst sei beim Skifahren am Arber gewesen und habe von der Aktion nichts mitbekommen.

Aber wer hat den Auftrag zum Entfernen des Horstes gegeben? "Ich will meinen Hals nicht aus der Schlinge ziehen", so Ludwig, "aber schließlich war Gefahr in Verzug."Noch ist nicht aller Tage Abend. Wenn man einen alternativen Platz finde, könne man den Horst an anderer Stelle errichten: "Ich bin zu Kompromissen bereit", so Ludwig, "ich geb's ja zu, das ist ein bisserl blöd gelaufen."Dieser Kompromiss wird hoffentlich bald gefunden, denn Ferdi könnte schon in den nächsten Wochen von seinem Winterurlaub zurückkommen...