"Kultur des Hinschauens"

So reagiert Ludwig Spaenle auf die antisemitischen Vorfälle


Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch.

Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) mit der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch.

Von Tabitha Nagy

Der Beauftragte gegen Antisemitismus will nach judenfeindlichen Vorfällen reagieren. Er setzt auf Prävention und Mithilfe von Vereinen.

München - "Warum kommen Sie zu uns?" Diese Frage hat der Antisemitismusbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, in den vergangenen Wochen von Vereinsvertretern zum Thema Antisemitismus gehört, als er sich mit seinem Anliegen an sie wandte. Der CSU-Politiker leistete Überzeugungsarbeit. Judenfeindlichkeit, so sein Credo, geht alle an.

Erst kürzlich gab es einen antisemitischen Übergriff auf einen Rabbiner in Berlin. Auch in München wurden ein Rabbiner und seine beiden Söhne nach dem Besuch einer Synagoge beleidigt und bespuckt. Ein "Angriff auf die ganze Münchner Stadtgesellschaft", so Ludwig Spaenle.

Antisemitismus-Definition soll angenommen werden

Der Regierungsbeauftragte setzt auf Prävention - unter anderem damit, dass er Vereine in ganz Bayern dazu bewegen möchte, die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) anzunehmen.

Mehr als 50 bayerische Verbände haben dies bereits getan oder ihre Unterstützung zugesagt - darunter die Bürgerallianz Bayern, zu der neben anderen der Jagdverband gehört. Jagdverbands-Präsident Jürgen Vocke erklärt auf AZ-Anfrage, er würde antisemitische Äußerungen in seinem Verband "nicht akzeptieren" und, sollte es zu entsprechenenden Vorfällen in seinem Verband kommen, diese auch thematisieren. Auch andere Sportverbände, Parteien, Akademien und Gewerkschaften erklärten ihre Bereitschaft.

Ein Mann trägt auf einer Kundgebung eines Bündnisses gegen Antisemitismus eine Kippa.

Ein Mann trägt auf einer Kundgebung eines Bündnisses gegen Antisemitismus eine Kippa.

Die IHRA-Definition lautet: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein." Die Bayerische Staatsregierung hat diese Definition im Mai ebenfalls formell anerkannt. Spaenle rechnet damit, dass der Landtag gleichzieht. Die Definition ist nicht rechtlich bindend, soll aber als Grundlage bei der Verfolgung entsprechender Straftaten dienen.

Muslimische Verbände bisher nicht kontaktiert

Zudem will Spaenle im Kampf gegen Judenfeindlichkeit auf Bildungsarbeit in Schulen setzen und weitere Organisationen ansprechen. Es gehe um eine "Kultur des Hinschauens". Muslimische Verbände allerdings hat der Antisemitismusbeauftragte bisher nicht kontaktiert. Er hält es nicht für ausgeschlossen, in Zukunft auch diese Verbände anzufragen, gibt aber ehrlich zu, dass er dafür noch keine konkrete Strategie gefunden hat.

Doch egal, aus welcher Ecke Antisemitismus kommt - von rechts, links, Muslimen oder Christen - Handeln ist dringend erforderlich. Allein in Bayern verzeichnete die Polizei 2018 laut Staatsregierung rund 220 judenfeindliche Straftaten: der höchste Stand seit mindestens zehn Jahren.

Islam-Verband setzt ein Zeichen

Ein muslimischer Verband hat sich in Österreich klar gegen Antisemitismus gestellt: Der "Jüdischen Allgemeinen" sagte der Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Ümit Vural, dass seine Körperschaft die IHRA-Antisemitismusdefinition aufnimmt. Vural erklärt, dass er judenfeindliche Hetze verurteilt und die Initiative deshalb unterstützt. Damit ist die IGGÖ der erste muslimische europäische Verband, der die Definition annimmt.

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