Politik

Reichen-Soli wackelt: Wird der Zuschlag für Wohlhabende abgeschafft?

Ein Aschaffenburger Ehepaar klagt gegen die Weiterführung des Solidaritätszuschlags vor dem Bundesfinanzhof. Die Entscheidung wird am 30. Januar erwartet.


Sie wollen den Soli zu Fall bringen: Margarete und Andreas Berberich.

Sie wollen den Soli zu Fall bringen: Margarete und Andreas Berberich.

Von Ralf Müller

Wenn etwa 2,5 Millionen deutsche Einkommensteuerzahler, die vom Fiskus als überdurchschnittlich wohlhabend angesehen werden, in Zukunft keinen Solidaritätszuschlag (Soli) bezahlen müssen und obendrein auch noch den ab 2020 bezahlten zurückerhalten, dann hätten sie das dem Aschaffenburger Ehepaar Margarete und Andreas Berberich zu verdanken.

Deren Klage gegen die Erhebung des Soli ab 1. Januar 2020 erreichte als erste den Bundesfinanzhof (BFH) in München. Nach einer ebenso kurzen wie bemerkenswerten mündlichen Verhandlung gestern will der neunte Senat seine Entscheidung am 30. Januar verkünden.

Mit der Beendigung des "Solidarpakts II" hat die Bundesregierung den Zuschlag zur Einkommensteuer, der dem Aufbau in den beigetretenen "neuen Ländern" zugute kam, für etwa 95 Prozent der Einkommensteuer abgeschafft. Ab einem Einkommen von 63 000 Euro für Ledige und 125 000 Euro für Verheiratete wurde die Zusatzabgabe von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuer jedoch beibehalten. Obwohl nur noch eine Minderheit für den Soli herangezogen wird, sanken die jährlichen Einnahmen lediglich von 19 auf elf Milliarden Euro. Der Soli fließt im Gegensatz zur Einkommensteuer zur Gänze in den Bundeshaushalt.

Wer über 63.000 Euro beziehungsweise als Ehepaar 125.000 Euro verdient, muss weiterhin den Solidaritätszuschlag zahlen - bislang.

Wer über 63.000 Euro beziehungsweise als Ehepaar 125.000 Euro verdient, muss weiterhin den Solidaritätszuschlag zahlen - bislang.

In der Vorinstanz hatte das Finanzgericht Nürnberg die Klage des Ehepaars gegen die Erhebung des Soli abgewiesen. Der Soli sei verfassungsrechtlich selbst dann unbedenklich, wenn man davon ausgehe, dass sich der ursprüngliche Zweck der Abgabe, nämlich die Finanzierung des Aufbaus der Länder der ehemaligen DDR, inzwischen erledigt habe, hieß es sinngemäß in der Nürnberger Entscheidung. Der Bund könne die Einnahmen auch für andere Zwecke, etwa für die Corona-Hilfen oder die Instandsetzung der Bundeswehr, verwenden.

So einfach will es sich der BFH wohl nicht machen. Der Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Hans-Josef Thesling ließ jedoch mit keiner Äußerung erkennen, wie die für den 30. Januar in Aussicht gestellte Entscheidung ausfallen könnte. Die Klägerseite beantragte nicht nur die Aufhebung der entsprechenden Soli-Bescheide für das Ehepaar, sondern vor allem die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Artikel 100 des Grundgesetzes.

Die Karlsruher Richter, da ist sich der Klägervertreter und Steuerrechtsprofessor Roman Seer ziemlich sicher, wird die Soli-Konstruktion für verfassungswidrig erklären.

Bemerkenswert: Das Bundesfinanzministerium ließ das Aschaffenburger Finanzamt als Beklagte vor dem BFH völlig allein. Noch vor Amtsantritt des jetzigen FDP-Bundesfinanzministers Christian Lindner wollte das Ministerium - wie meistens üblich - der Sache des beklagten Finanzamts beitreten, zog diese Beteiligung aber später wieder zurück, ohne dass eine Begründung dafür bekannt wurde. Über die Gründe konnte Seer nur spekulieren: Die Klage gegen den Soli entspreche offenbar ganz dem, was Lindner politisch vertrete.

Seer meint, der Zuschlag sei eine Art Zwecksteuer, die einem ganz bestimmten Zweck diene, der aber nach einem Vierteljahrhundert und nach übereinstimmender Ansicht des Bundes und der Länder erfüllt wurde. Würde man den Zweck jetzt umdeuten, käme es ohne formelles Gesetzgebungsverfahren zu einer "ewigen Ergänzungsabgabe".

Dass insbesondere die SPD und ihr früherer Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine Art Reichensteuer durch die Hintertür im Auge gehabt hätten, habe der heutige Kanzler ganz offen zu verstehen gegeben. "Der Soli", so Seer, "ist in Wirklichkeit eine zusätzliche Einkommensteuer."