Entwicklungsminister im AZ-Interview

Gerd Müller: "Afrika ist auch für Deutschland eine große Chance"


Häufig auf Dienstreise in Afrika: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) inmitten einer Gruppe von Minenarbeitern im ostafrikanischen Sambia.

Häufig auf Dienstreise in Afrika: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) inmitten einer Gruppe von Minenarbeitern im ostafrikanischen Sambia.

Von Bernhard Lackner

Entwicklungsminister Gerd Müller spricht im AZ-Interview über den zu erwartenden Wirtschafts-Boom in Afrika. Er sieht großes Potenzial - besonders für deutsche Firmen.

München/Berlin - Der CSUler Gerd Müller (63) ist Wirtschaftspädagoge und seit Dezember 2013 Bundesminister für Entwicklung. Im AZ-Interview erklärt er, warum er in Afrika einen Bau- und Wirtschaftsboom erwartet, wie Deutschland davon profitieren kann und weshalb weitere Investitionen auf dem schwarzen Kontinent nötig sein werden.

AZ: Herr Müller, Sie waren beim deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel in Ghana. Welche Rolle spielen deutsche Unternehmen in Afrika? Welche Chancen bietet Afrika?
GERD MÜLLER: Afrika ist der Chancen- und Wachstumskontinent von Morgen, der nur einen Steinwurf von Europa entfernt liegt. In den kommenden zehn Jahren wird dort so viel gebaut werden wie in den vergangenen 100 Jahren in Europa. Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sind in Afrika. Länder wie Äthiopien, Elfenbeinküste oder Ghana haben ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent. In Äthiopien reformiert der junge Regierungschef Abiy Ahmed sein Land gerade in einem atemberaubenden Tempo und baut das Land in Richtung Marktwirtschaft um. Ein Land mit 100 Millionen Menschen, der dreifachen Größe Deutschlands. Der Handel Deutschlands mit Ghana ist 2018 deutlich gestiegen, auf 600 Millionen Euro. Es tut sich also eine Menge. Deswegen sage ich: Auf nach Afrika! Wir sollten die Marktchancen nicht Chinesen, Indern, oder Russen überlassen. 10.000 chinesische Firmen machen bereits gute Geschäfte. Aus Deutschland sind bislang aber nur 1.000 Firmen in Afrika. In Ghana gerade einmal 80. Das will ich ändern.

Darum lässt sich in Afrika heute leichter investieren

Warum sind so wenige deutsche Firmen in Afrika aktiv?
Die Unternehmen haben über viele Jahre gute Geschäfte in Asien und Amerika gemacht. Und bei vielen gibt es noch das alte Afrika-Bild, wo Brunnen gebohrt werden, die nach fünf Jahren einstürzen. Dabei haben sich die Rahmenbedingungen für Investitionen in Afrika erheblich verbessert: Rechtssicherheit, Korruptionsbekämpfung, gute Regierungsführung. Von unseren Partnern fordern wir hier mehr Eigenleistung und unterstützen sie dabei. So reformieren wir gemeinsam etwa die Staatsverwaltung, bauen Anti-Korruptionsbehörden und Rechnungshöfe aus. Das schafft Sicherheit auch für deutsche Unternehmen. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigt der neue Geschäftsklima-Bericht der Weltbank. Unsere Reformpartnerländer haben sich spürbar beim Investitionsklima verbessert. Unter den Top-Ten-Reformern sind allein fünf afrikanische Länder.

Und wie lässt sich noch dafür sorgen, dass das deutsche Engagement auf dem Kontinent zunimmt?
Wir haben die Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen deutlich verbessert: Gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Finanzminister haben wir einen Entwicklungsinvestitionsfonds mit bis zu einer Milliarde Euro aufgelegt. Deutsche Mittelständler bekommen so zinsgünstige Darlehen. Wir haben auch die Beratung vor Ort ausgebaut. Ein Unternehmer, der in Afrika investieren will, kann zum Beispiel beim neuen Beratungszentrum in Accra, Lagos oder Nairobi anrufen und fragen, welches Partnerland, welche Partner für ihn infrage kommen und wie die Finanzierung aussehen könnte. Das kommt jetzt alles aus einer Hand.

Für Afrika braucht es dringend neue Ansätze

Entwicklungshilfe wird heute oft als Fluchtursachenbekämpfung gesehen - und wurde deshalb ausgeweitet. Die Zahl der Migranten ist zuletzt gesunken. Lässt nun auch das deutsche Engagement nach?
Das wäre zu kurzfristig gedacht. Richtig ist: Die Migration nach Europa über die Mittelmeerrouten ist um 90 Prozent zurückgegangen. Von über einer Millionen Menschen 2015 auf 117.000 im letzten Jahr. Aber die Herausforderungen in den Herkunftsländern sind ja nicht kleiner geworden. Der Syrien-Konflikt ist nicht gelöst, der Wiederaufbau im Irak muss unterstützt werden, damit die Menschen in ihre Heimatstädte zurückkehren können. Und wir müssen weiter in Afrika investieren. Die Bevölkerung wird sich bis 2050 auf 2,5 Milliarden verdoppeln. All die Menschen brauchen eine Perspektive in der Heimat, Bildung, Ausbildung und Jobs. Deshalb tun wir gut daran, in diese Länder zu gehen, unser Wissen und unsere Technologie einzubringen, Privatinvestitionen und einen fairen Handelsaustausch voranzubringen.

In Deutschland herrscht ein Mangel an Fachkräften. Könnten die in Zukunft vermehrt aus Afrika kommen?
Zunächst einmal braucht Afrika selbst Fachkräfte, die ihre Länder aufbauen. Ausbildung ist der Schlüssel für Wohlstand und Entwicklung. Wir brauchen aber neue Ansätze, um die jungen Menschen auf deutschem Niveau ausbilden zu können. Dazu gehört für mich ein zeitlich befristeter Aufenthalt in Deutschland während der Ausbildung. Und wir brauchen moderne Ausbildungsstätten deutscher Unternehmen in Afrika. In Ghana habe ich gerade ein solches Zentrum mit der Firma Knauf eröffnet. Dort werden jedes Jahr 1000 Fachkräfte im Trockenbau ausgebildet. Das soll auf viele afrikanische Länder ausgeweitet werden. Über solche "Brücken" könnten später gut ausgebildete Fachkräfte nach Deutschland gehen. Sie sollten aber nach einem festen Zeitpunkt wieder zurückkehren und Betriebe im eigenen Land aufbauen. Nur wenn die Jugend zu Hause Arbeit hat, kommt sie nicht über das Mittelmeer nach Europa.