Politik

Angezählt: Scheitert Lauterbach an der Krankenhausreform?

Der Rückhalt für den Bundesgesundheitsminister scheint zu schwinden - in der Bevölkerung, aber auch in der eigenen Partei. Wie lange kann er sich noch im Amt halten?


Eine "Krankenhausrevolution" hat er angekündigt, doch bei der Umsetzung gibt es viele Fallstricke: Karl Lauterbach (SPD) muss sichderzeitgegen Kritik von allenSeiten wehren.

Eine "Krankenhausrevolution" hat er angekündigt, doch bei der Umsetzung gibt es viele Fallstricke: Karl Lauterbach (SPD) muss sichderzeitgegen Kritik von allenSeiten wehren.

Von Stefan Lange

Als Karl Lauterbach Gesundheitsminister wurde, kursierten einige Bosheiten in Berlin. "Und wer geht jetzt in die Talkshows?", lautete eine davon. Gut 13 Monate später polarisiert der SPD-Politiker immer noch, die Zahl seiner Fans jedoch hat abgenommen. Dass "Karlchen Überall" zum freiwilligen Maskentragen aufrufe, sei schon okay - er könne ihn gerade ohnehin nicht mehr sehen, ätzt ein liberaler Kollege aus der Koalition.

Man könnte diese Äußerung als unqualifiziert abtun, doch ähnlich genervte Bewertungen sind zunehmend auch aus der SPD zu hören. Der 59-Jährige hat seine Sympathiepunkte nicht nur in der Bevölkerung aufgebraucht.

Bei der Beliebtheit steht hinter seinem Namen eine Null

In Lauterbachs Partei und der Ampel-Koalition insgesamt war vielfach erwartet worden, dass Kanzler Olaf Scholz die Auswechslung von Christine Lambrecht nutzt, um auch das Problem mit seinem zweiten Wackelkandidaten zu lösen.

Der Regierungschef beschränkte sich aber darauf, Boris Pistorius zum neuen Verteidigungsminister zu machen. Wie lange sich Lauterbach halten kann, ist offen.

Lauterbach sei der Gesundheitsminister, "den sich bestimmt die meisten Bürger dieses Landes gewünscht haben", hatte Scholz bei der Berufung des Ressortchefs noch gelobt. Der Epidemiologe und Gesundheitsökonom erklärte damals jedem, der es hören wollte die Corona-Lage. Seine Statements waren zwar wenig medizinisch, sondern gingen immer frontal in eine Richtung. Doch im Volk kam das an und Scholz hoffte, dass der Glanz ein wenig auch auf ihn fallen möge.

Stattdessen fielen Lauterbachs Beliebtheitswerte. Die entsprechende Zeitreihe der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer zeigt: Nach Amtsantritt war er mit 1,4 Punkten eines der beliebtesten Regierungsmitglieder. Derzeit steht hinter Lauterbachs Name eine Null.

Hinzu kommt, dass Lauterbach sein Ressort offenbar nicht im Griff hat. Unzufriedene Führungskräfte berichten von ständigen Alleingängen. Dass sich sein Vorstoß zur Cannabis-Legalisierung in schwarzen Rauch auflöst, ist sein kleinstes Problem. Ein ungleich wichtigeres ist der Umbau der Pflege. In ganz Deutschland ächzen Pflegeheime unter steigenden Kosten. Gleichzeitig schießt der Eigenanteil der Pflegebedürftigen in die Höhe. "Ohne eine Reform steht das Pflegesystem vor dem Kollaps", sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

Gerade versucht sich Lauterbach an einer Krankenhausreform. Der Sozialverband Deutschland fürchtet Klinikschließungen und lenkt den Blick auf strukturschwache Regionen. Wenn dort Krankenhäuser geschlossen würden, führe das zu "unzumutbaren Entfernungen", beklagt der Verband. Vizepräsidentin Ursula Engelen-Kefer sagte der AZ, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung sei zwar von zentraler Bedeutung. "Jedoch ist eine gute und schnelle Erreichbarkeit unverzichtbar, gerade wenn jede Minute zählt!"

Die Statistik aus dem "Deutschlandatlas" untermauert die Sorge. Im Mittel lässt sich die nächste Klinik der Grundversorgung demnach in 16 Minuten mit dem Auto erreichen. Für etwa 78 Prozent der Bevölkerung sind es maximal 15, für weitere 14 Prozent maximal 20 Minuten. Je ländlicher, desto schwieriger: Die verbleibenden acht Prozent benötigen mehr als 20 Minuten.

Als Lauterbach seine Reformpläne vorstellte, nannte er sie eine "Revolution". FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte da gerade gesagt, er gehe nicht davon aus, dass Lauterbach die ganze Legislaturperiode im Amt bleibe. Derzeit sieht es eher so aus, als ob Kubicki Recht bekommt.