Neu im Kino

"Official Secrets": Sie hätte den Irakkrieg verhindert


Katharine Gun (Keira Knightley) ist auf dem Weg zum Gericht: Sie muss sich für ihren Geheimnisverrat rechtfertigen.

Katharine Gun (Keira Knightley) ist auf dem Weg zum Gericht: Sie muss sich für ihren Geheimnisverrat rechtfertigen.

Von Nina Caroline Zimmermann

Es braucht Helden, die uns die Wahrheit sagen: "Official Secrets" mit Keira Knightley.

Der australische Ex-Hacker und Wikileaks-Gründer Julian Assange oder Jeremy Wigand, Chemiker in der US-Tabakindustrie oder "Deep Throat" (der stellvertretende FBI-Direktor Mark Felt, wie sich später herausstellte) und Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Norton: Sie sind Whistleblower, also Menschen, die in ihrer Position Zugang zu brisanten Informationen haben und diese an die Öffentlichkeit bringen: Informationen, die Regierungen oder Industrie den Bürgern bewusst vorenthalten.

Fast unbekannt aber ist Katharine Gun, Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst Government Communications Headquarters. Im Januar 2003 stößt sie auf ein geheimes Memo, in dem der US-Geheimdienst NSA die britischen Kollegen auffordert, belastendes Material über Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu sammeln: Um sie zu erpressen, falls sie nicht der UN-Resolution für den Irak-Krieg zustimmen wollen! Die 27-Jährige ist entsetzt und leakt die geheime Mail, die auf Umwegen zur Tageszeitung "The Observer" kommt. Die folgende Titelstory unter der Überschrift "US dirty tricks to win vote on Iraq War" sorgt für einen Skandal.

Neben Keira Knightley: Rhys Ifans und Matt Smith

Regisseur Gavin Hood erzählt die Geschichte als Rückblende, beginnt mit dem Gerichtsverfahren und entwirrt dann nach und nach den Knoten. Da recherchieren die Journalisten (Rhys Ifans, Matt Smith) akribisch, finden sogar den Absender der Mail und alles scheint wasserdicht: bis ein amerikanischer Regierungsreport die Mail als "falsch" bezeichnet. Das könne man daran erkennen, dass sie in englischer und nicht amerikanischer Schreibweise verfasst worden sei! Aber natürlich war die Mail echt, nur hatte eine Zeitungs-Praktikantin des "Observers" den Text durch das englische Rechtschreibprogramm "korrigieren" lassen. Aber jetzt war die Sache - trotz Wahrheit - in Schieflage. Die Hoffnung der Whistleblowerin, den auf einer Lüge basierenden Irakkrieg zu verhindern, erfüllte sich nicht.

Aber die Meinung der Öffentlichkeit ihr gegenüber änderte sich, sie war keine Heldin mehr, sondern Verräterin. Gun selbst verlor ihren Job, ihre Familie wurde unter Druck gesetzt, die Abschiebung ihres kurdischen Ehemannes in letzter Sekunde verhindert, sie wegen Geheimnisverrats angeklagt.

"Wie bei George Orwell"

Fast kafkaesk ist die juristische Situation: Der "Official Secrets Act", das Gesetz gegen Geheimnisverrat, gilt noch immer. So durfte sie keine Details über ihre Arbeit ihren Anwälten geben, die Beratung durch selbige war verboten, Fragen mussten vorher dem Arbeitgeber GCHQ vorgelegt werden. "Es war absurd, wie bei George Orwell" resümierte Gun in einem Interview und verlangt mehr Schutz für Whistleblower, gerade weil der Staat über vielfältige Überwachungsmethoden verfügt und sie auch gnadenlos nicht nur gegen Gegner einsetzt.

Keira Knightly spielt diese mutige Frau mit großer Präsenz, strahlt Idealismus und Moral aus: eine Heldin, wie so viele Whistleblower, die für ihr Engagement einen hohen Preis zahlen. Gegen Ende verlagert sich der Fokus mehr und mehr auf den Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes) und seine Verteidigungsstrategie, dominiert juristische Sachlichkeit über Emotionalität.

Am 25. Februar 2004 plädiert Gun vor Gericht auf "nicht schuldig". Und es geschieht ein Wunder: die Anklage wird fallen gelassen. Wohl auch, weil sich die Regierung nach all den Lügen keine weitere Blöße mehr geben wollte.

Kino: Rio, City (auch OmU) sowie Museum (OV)
R: Gavin Hood (USA, 112 Min