AZ-Filmkritik

"Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot": Unter den Wolken


Das leicht inzestuöse Geschwisterpaar Robert und Elena (Josef mattes und Julia Zange).

Das leicht inzestuöse Geschwisterpaar Robert und Elena (Josef mattes und Julia Zange).

Von Selim Aydin

"Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot" ist anstrengend, aber auch faszinierend. Die AZ-Filmkritik.

Fast drei Stunden dauert der Film, er spielt nur unter Wolken auf einem Kornfeld vor einer Tankstelle und in dieser Tankstelle. Zu Beginn liegen die Zwillinge Robert (Josef Mattes) und Elena (Julia Zange) im Feld, Philosophiebücher um sie herum verteilt, denn Elena steht kurz vor dem mündlichen Abi im Fach Philosophie. Und weil Elena einen Vortrag über die Zeit halten soll, lassen sie philosophische Sätze in die Luft steigen. Vor allem Heidegger beschäftigt sie.

Bei Pressevorführungen auf der Berlinale, wo der Film Premiere feierte, verließen viele Journalisten den Saal, sie wollten offenbar ihre Zeit nicht mit einem Philosophieseminar verschwenden. Dabei kommt die Diskussion der Zwillinge gar nicht spröde daher: Philip Gröning fand dazu als sein eigener Kameramann wunderschöne Bildkompositionen. Die Körper der Zwillinge in der Natur. Eine Heuschrecke als Begleiter, der kein Zeitempfinden hat. Leichte Berührungen, Geschwisterprügeleien, Nacktbaden im See, eine Fliege auf dem unendlichen Wasser.

Philip Gröning: "Mit dem Zuschauer soll etwas passieren"

"Glück ist auf einer Decke zu liegen und nicht zu denken", heißt es mal, aber die Zwillinge denken viel nach. Und ins Denken dringt die Eifersucht ein: Robert hat mit Cecilia geschlafen, einer Klassenkameradin von Elena. Wie zur Revanche schließt Elena mit ihm eine Wette ab: dass sie vor dem Abitur noch Sex haben wird.

Im letzten Drittel dreht die Handlung dann plötzlich mächtig auf: Sie überfallen den älteren Tankwart, es kommt zu einer Vergewaltigung, zu Gewalttaten, einem verstörenden Chaos. "Film ist für mich ein Erfahrungsraum. Ich will Filme machen, durch die mit dem Zuschauer etwas passiert, die ihn länger beschäftigen", sagt der Regisseur. Das ist ihm mit radikalem Schwung gelungen: mit einem Film, den man, wenn man sich darauf einlässt, bewohnen kann, der betört und quält und danach nicht mehr loslässt.

Heute Abend stellt der Regisseur seinen Film im Monopol vor (19.45 Uhr), am Samstag im Filmmuseum im Rahmen des Filmschoofests (14.30 Uhr). Kino: Monopol, R: Philip Gröning (D/F/CH, 172 Min.)