Porträt des Rolling-Stones-Gitarristen

Kinokritik zu "Ronnie Wood": Es ist doch nur Rock'n'Roll


Ronnie Wood malt auch. "Er ist ein besserer Maler als ich", sagt sein Kumpel Damien Hirst im Film in typisch britischer Coolness.

Ronnie Wood malt auch. "Er ist ein besserer Maler als ich", sagt sein Kumpel Damien Hirst im Film in typisch britischer Coolness.

Von Katharina Federl

Der Dokumentarfilm "Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me" porträtiert den wilden Gitarristen der Rolling Stones.

Der Rausschmeißer ist faszinierend: Am Ende des Films singt Ronnie Wood mit dünnem, leicht krächzenden Stimmchen, dazu schrubbt er an der Gitarre dumpfe, seltsam rhythmisierte Akkorde. Es klingt sagenhaft schlecht. Nicht nach einem Weltstar, nicht nach einem Mitglied der berühmtesten existierenden Band der Welt, sondern wie das Feierabendlied eines Hobbymusikers.

Und so steht am Ende des Dokumentarfilms "Ronnie Wood: Somebody Up There Likes Me" die Frage im Raum: Wie konnte dieser schludrige, bestenfalls mittelmäßige Gitarrist so weit kommen? Wie konnte er ein halbes Jahrhundert im Zentrum der Rockwelt stehen und bei gleich drei fabelhaften Acts landen: bei Jeff Beck, den Faces und schließlich den Rolling Stones?

Wood macht Karriere - aufgrund seiner Kontakte und perfekten Timings

Wer in Mike Figgis' Film zuvor gut aufgepasst hat, kann sich die mögliche Antwort zusammenreimen. Klar, Ronnie Wood ist ein kreativer Kopf, mit den Faces und Rod Stewart hat er manche falsche Note gespielt, aber eben auch mit vielen Ideen zu tollen Platten beigetragen. Aber offenbar spielten in seiner langen Karriere - neben den musikalischen Einfällen - Eigenschaften eine Rolle, die auch in bürgerlichen Karrieren oft weiter führen, als die bloßen Fähigkeiten nahelegen: ein gewinnendes Wesen, beste Kontakte - und perfektes Timing.

Der junge Ronnie wusste stets als einer der Ersten, wenn sich in der Londoner Musikszene eine Lücke auftat, und handelte sofort. Als Meistergitarrist Jeff Beck bei den Yardbirds ausstieg, rief Ronnie ihn umgehend an, kurz darauf spielten er und Rod Stewart in dessen Soloband. Die eroberte bei einer triumphalen Tour Amerika, doch ausgerechnet vor dem letzten Konzert verließ Beck seine eigene Band, denn er meinte - so argwöhnt Stewart - dass seine Freundin ihn zu Hause betrog, mit dem Gärtner oder sonst wem. Das entfallene Konzert wäre übrigens das Woodstock-Festival gewesen.

Sänger Mick Jagger (l.) und Gitarrist Keith Richards während eines Konzerts von The Rolling Stones in den USA.

Sänger Mick Jagger (l.) und Gitarrist Keith Richards während eines Konzerts von The Rolling Stones in den USA.

Doch Ronnie Wood haderte nicht, sondern meldete sich bei den Small Faces, denen gerade ihr Sänger Steve Marriott abhanden gekommen war: So entstanden die Faces. Und als diese Band Mitte der Siebziger implodierte, weil Rod Stewart zum Solostar geworden war, suchten just die Rolling Stones einen Nachfolger für Mick Taylor - Bingo! Sie hatten zwar tolle amerikanische Gitarristen gecastet, doch dann entschied sich die englische Institution für einen Engländer, für ihren alten Kumpel Ronnie, mit dem einfach jeder gut konnte.

Die Personalsuche der Stones setzt Regisseur Mike Figgis unterhaltsam in Szene: In schnellen Schnitten schaltet er zwischen Mick Jagger, Keith Richards und Charlie Watts hin und her, dazu sorgen ein treibender Percussion-Rhythmus und Ronnie Woods Riffs auf der Lap Steel-Gitarre für Schwung.

Dokumentation: Von Woods wildem Lebensstil ist wenig zu sehen

Doch ansonsten ist die Doku nicht allzu originell, vor allem fehlt ein echter Aufhänger. In den knappen siebzig Minuten hetzt Figgis durch Woods Leben und Karriere, und wer dessen Autobiographie gelesen hat, erfährt kaum etwas Neues. Zuschauer ohne Vorwissen dürften sich dagegen manchmal schwer tun, zu folgen.

Von den wilden Zeiten sieht man im Bild wenig, stattdessen erzählen ältere Herren von früher - immerhin sind das ausschließlich Weltstars wie die Stones, der eher mittelmäßig gelaunte Rod Stewart oder Damien Hirst. Und was Ronnie und seine berühmten Kumpane über sein verrücktes Leben zu erzählen haben, ist zwangsläufig unterhaltsam. Schließlich stieg er in die Fußstapfen des feierwütigen Vaters, der oft mit wildfremden Pub-Bekanntschaften im Wohnzimmer feierte oder aber nicht mehr so weit kam und in Nachbars Garten schlief.

Ronnie betrieb diesen Lebensstil dann auf hedonistischem Rockstar-Niveau, setzte außerdem auf weitere berauschende Substanzen, und die schlimme Kokain-Variante Freebase stürzte ihn einige Jahre ins Verderben. Da habe gar nichts mehr funktioniert, klagt er. In welcher Hinsicht habe nichts mehr funktioniert, fragt Figgis nach: musikalisch oder emotional? Nein, sagt Wood todernst, die anderen Drogen haben nicht mehr funktioniert. Kokain, Drinks - keine Wirkung.

Seinen Lebensstil möchte er zwar niemandem empfehlen, sagt der inzwischen cleane Wood, während er an einer Cola nippt. Aber er bereue nichts. Und schließlich hatte er beste Voraussetzungen für seinen Lebenswandel: Keith Richards lobt Ronnies "großartiges Immunsystem", das seinem eigenen sehr ähnlich sei.

Und als Ronnie von Kumpel Damien Hirst dann doch mal in die Entzugsklinik gebracht wurde, war der hochsympathische Kerl nach einer Woche der beste Freund aller anderen Klinikpatienten.

Kinos: City-Atelier, Monopol, Leopold R: Mike Figgis (GB, 72 Minuten).

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