Coronakrise

Das Dok.fest geht online


Der 55-jährige gebürtige Hamburger Daniel Sponsel ist Autor, Regisseur und Kameramann und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Münchner HFF. Seit 2009 leitet er das Internationale Dokumentarfilmfestival München.

Der 55-jährige gebürtige Hamburger Daniel Sponsel ist Autor, Regisseur und Kameramann und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Münchner HFF. Seit 2009 leitet er das Internationale Dokumentarfilmfestival München.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Das DOK.fest München kann im Mai nicht in gewohnter Form stattfinden - es wandert ins Internet

Es hagelt weiter Absagen im Kulturbetrieb aufgrund der großen Corona-Krise und der Unsicherheit, wie die Situation nach den bislang bis 19. April greifenden Maßnahmen und Einschränkungen des öffentlichen Lebens weitergeht. Diese Absage allerdings bietet auch eine Chance: Denn Daniel Sponsel, Leiter des DOK.fest München, verlegt sein internationales Dokumentarfilm Festival vom 6. bis 17. Mai ins Internet.

AZ: Herr Sponsel, warum haben Sie das DOK.fest München nicht einfach verschoben?
DANIEL SPONSEL: Da stellt sich zunächst die Frage: Auf welchen Termin? Eigentlich käme nur der Sommer infrage, denn ab Herbst kämen wir mit dem Team dann schon in den Planungskonflikt 2021. Wir können ja unmöglich zwei Festivals innerhalb eines halben Jahres stemmen. Zweitens ist ein verschobenes Festival nur ein Rumpffestival. Wir bekämen dann einen großen Teil der Filme, aber auch der Veranstaltungsräume nicht mehr. Außerdem ist der regionale aber auch der internationale Festivalkalender so voll, dass es unglaublich schwierig wäre, einen neuen Zeitraum zu finden, in dem das DOK.fest München nicht mit anderen konkurrieren würde.

Was bedeutet es für Sie das DOK.fest München abzusagen?
Das Festival stand schon zu hundert Prozent, das betraf das Budget und das Programm: Wir hatten schon fast alle Zusagen für die 159 Filme, die wir ausgewählt haben und auch schon die Orte, wo wir die Filme präsentieren wollten. Die Absage kommt also nach der komplett abgeschlossenen Planungsphase. Jetzt verändert sich alles, es brechen uns auf einen Schlag 41 Prozent des Budgets weg, durch die fehlenden Ticketverkäufe, durch Partner, die nicht mehr dabei sein können.

Wie verhalten sich denn die Hauptgeldgeber Stadt und Freistaat?
Wir haben kurzfristig intensive Gespräche mit Vertretern von Stadt und Land geführt. Sie bleiben dankenswerterweise in vollem Umfang bei ihrer Förderung und machen uns dadurch diesen Schritt, ein Online-Festival auszurichten, überhaupt erst möglich. Es ist ja auch ein gutes Zeichen, dass wir in diesen besonderen Zeiten dennoch ein Kulturangebot machen können. Es ist ja klar, dass vieles im Kulturbereich jetzt gar nicht mehr stattfinden kann. Aber wir haben dennoch die Chance, die Menschen zu erreichen. Streamingdienst oder Video on Demand sind ja keine neuen Kulturgattungen.

Haben alle Filmemacher ihre Filme auch für ein Online-Festival freigegeben? Oder warten die mit ihren Premieren auf ein anderes Festival, das dann wieder normal veranstaltet werden kann?
Wir haben bislang über 100 Filmemacher erreicht und sind auf sehr großes Verständnis und große Solidarität gestoßen. Wir haben von vielen die Zusage für ein Onlineangebot bekommen, natürlich mit zeitlichen und geographischen Einschränkungen. Die Filme sind natürlich nicht weltweit abrufbar. Aber wir wissen jetzt schon, dass wir ein sehr vielfältiges Angebot anbieten können.

Ich kann mir also zwischen dem 6. und dem 17. Mai zu jeder Tages- und Nachtzeit einen der teilnehmenden Filme anschauen?
Wenn wir im Mai mit dem Festival online gehen, dann heißt das ja nicht, dass wir ein zeitlich beschränkter Streamingdienst werden, der einfach Filme ins Netz stellt. Wir müssen schon mehr bieten und das heißt, dass es ein Rahmenprogramm gibt mit Interviews der Filmemacher. Wir planen eine virtuelle Eröffnung und versuchen auch, die Wettbewerbe so zu halten, wie sie geplant waren. Es liegt ja nahe, dass wir den Publikumspreis online voten lassen. Ich denke, dass gestaffelte Starts besser sind und wir nicht alle Filme gleichzeitig ins Netz stellen werden. Unsere eigentliche Aufgabe ist es jetzt herauszufinden, wie wir einen Festivalcharakter online erzeugen können. Wir haben viele Ideen, sind aber noch nicht am Ende unserer Planung.

Was wird fehlen?
Weltpremieren für ein Online-Festival zu bekommen, dürfte schwierig werden. Und man muss sich klar machen, dass ein Festival normalerweise von der Begegnung lebt, vom Austausch und von den Diskussionen. Das ist online nicht adäquat möglich. Aber das Online-Festival ist sicher die beste Möglichkeit, über dieses Krisenjahr hinweg zu kommen und dann 2021 wieder ein reguläres Festival zu gestalten.
Sie haben innerhalb eines Jahrzehnts, seit Sie das DOK.fest München leiten, die Besucherzahlen mehr als vervierfacht, 2019 zählten Sie 52 000 Besucher. Wie lässt sich jetzt ein Erfolg messen?
Wir werden am Ende natürlich eine genaue Zahl haben von Leuten, die in unserem virtuellen Kino saßen. Aber sicher lässt sich diese Zahl nicht einfach so mit den Festivalzahlen zuvor vergleichen.

Was wird denn ein virtueller Festivalbesuch kosten?
Wir wissen es noch nicht genau, aber klar ist: Die Karte darf nicht so teuer sein wie eine Kinokarte. Andererseits können wir die Filme nicht kostenlos zeigen, das wäre ein fatales Signal. Denn in Zukunft müssen wir mehr denn je darauf achten, dass mit Filmen auch online Geld verdient werden kann. Das ist die einzige Überlebensgarantie der Branche.