Gentherapie erstmals auch für Kinder

Hämophilie B-Therapie in Regensburg

Hämophilie schränkt das Leben ein, doch die Gentherapie kann helfen


Nur Männer erkranken an Hämophilie. Frauen können es lediglich vererben.

Nur Männer erkranken an Hämophilie. Frauen können es lediglich vererben.

Kinder sollen Kinder sein. Sie sollen spielen, toben und die Welt entdecken. Dass sie sich dabei auch mal verletzen, ist normal. Für Kinder mit Hämophilie kann eine Verletzung jedoch schwerwiegende Folgen haben.

Meistens falle die Krankheit schon im Säuglings- oder Kleinkindalter auf, sagt Dr. med. Sonja Kramer, Oberärztin der Abteilung Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt auf Kinder-Hämatologie und -Onkologie am Universitätsklinikum Regensburg (UKR). Das Kind bekomme leicht große, blaue Flecken und schon geringfügige Verletzungen - wie ein Biss auf die Lippen - hören einfach nicht mehr auf, zu bluten.

Zwei Varianten, drei Schweregrade

Etwa 6.000 Menschen in Deutschland trifft dieses Schicksal. Sie haben Hämophilie - 80 Prozent davon Hämophilie A und 20 Hämophilie B. Die beiden Varianten unterscheiden sich in dem Faktor, der die Gerinnungskaskade des Blutes unterbricht: bei Hämophilie A der Faktor VIII, bei Hämophilie B der Faktor IX. Auch wenn es bei beiden Arten verschiedene Schweregrade gibt - schwere, mittelschwere und milde Hämophilie - ist das Krankheitsbild dasselbe. Das Blut fließt kontinuierlich aus der Wunde, die fehlenden Gerinnungsfaktoren machen es dem Körper schwer, dieselbe mit einer Kruste zu verschließen. Schon kleine Traumata führen zu Blutergüssen, im schlimmsten Fall zu Muskel- oder Gelenkeinblutungen.

Dr. med. Sonja Kramer, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Kinder-Hämatologie und -Onkologie am UKR.

Dr. med. Sonja Kramer, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Kinder-Hämatologie und -Onkologie am UKR.

Hämophilie sei eine Erbkrankheit, die X-chromosomal vererbt werde, sagt Kramer. Das bedeute, dass die Mütter die Krankheit an ihre Söhne und Töchter weitergeben. Doch nur die Söhne erkranken, da sie außer dem fehlerhaften X-Chromosom nur noch ein Y-Chromosom haben. Die Töchter dagegen werden Konduktorinnen und geben das kranke Gen mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit wiederum an ihre Kinder weiter. Sie erkranken selbst nicht, da das zweite X-Chromosom den Fehler bei der Blutgerinnung ausgleicht und dafür sorgt, dass die Gerinnungskaskade normal funktioniert.

Ein Leben lang substituieren oder therapieren

Für Betroffene gibt es verschiedene Therapieansätze. Der eine ist die prophylaktische Faktorsubstitution, die in Europa und den Industrienationen Standard ist. Dabei müssen sich Betroffene - bei Kindern übernehmen das noch die Eltern - selbst zwei bis drei Mal die Woche den fehlenden Faktor in die Vene spritzen. Bekommt ein Patient halbwertszeitverlängerte Faktorpräparate, reicht eine Gabe ein- bis zweimal wöchentlich aus. "Das ist eine riesen Erleichterung für die Patienten", sagt Kramer. "Das sind 52 Injektionen weniger im Jahr."

Seit etwa drei Jahren gibt es bei Hämophilie A zudem die Antikörpertherapie. Dabei wird statt des üblichen Faktorpräparats ein Antikörper gegeben, der im Blut wie der fehlende Faktor VIII wirkt und dadurch die Gerinnungskaskade schließt. Antikörper- und Faktorpräparate ersetzen das, was dem Körper fehlt, und müssen immer wieder verabreicht werden.

Für die Behandlung von Hämophilie B gibt es die Gentherapie. Studien mit Erwachsenen laufen bereits. Bei diesem kurativen Therapieansatz wird das fehlende beziehungsweise fehlerhafte Gen ersetzt. Über einen Virusvektor wird ein gesundes Faktor IX-Gen in die Leberzelle eingebracht. "Das Gen wird nicht in unser Genom integriert, es liegt dort nur im Zellkern", sagt Kramer. Dort werde es abgelesen, so dass die Leberzelle selbst den gesunden Faktor IX produzieren kann. Das Ergebnis: Schon nach einer einmaligen Infusion wiesen die erwachsenen, an schwerer Hämophilie erkrankten Probanten eine derart gute Faktor IX-Aktivität auf, dass sie entweder gar nicht mehr oder im Alltag nur noch spritzen mussten, wenn sie sich relevant verletzt haben oder Operationen nötig wurden. In absehbarer Zeit werde die Gentherapie auch für die Behandlung von Hämophilie A-Patienten zur Verfügung stehen, sagt Kramer. Auch hier laufen bereits Studien. Jedoch sei das Faktor VIII-Gen komplizierter in der Gentherapie als das Faktor IX-Gen. Daher die Verzögerung.

In Regensburg: Gentherapie erstmals auch für Kinder

Als eines der wenigen Zentren in Deutschland bietet das Universitätsklinikum Regensburg nun erstmals die Hämophilie-B-Therapie in Rahmen einer Studie auch für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren an. Auch ihnen soll das Leben mit der Krankheit erleichtert werden - zunächst für Patienten zwischen zwölf und 17 Jahren, bei denen die Faktor IX-Restaktivität maximal zwei Prozent beträgt, danach für Jungen zwischen vier und elf und zuletzt für Kleinkinder unter vier Jahren.

Die Rückfragen aus Kindergärten und Schulen, was erkrankte Kinder dürfen und was nicht, sowie die Ängstlichkeit und Verunsicherung der betreuenden Personen zeige, dass die Hämophilie relativ schnell zur Ausgrenzung führe. Hier könne man meist mit guten Aufklärungsgesprächen gegensteuern. "Die Kinder dürfen im Alltag schon Kind sein", sagt Kramer. "Aber letztlich raten wir von gewissen Risikosportarten ab, wie Kampfsportarten, Ballsportarten, Kontaktsportarten jeder Art, die eben zu vermehrten Verletzungen führen können."