Die Flucht trennt eine Familie

Ahmad aus dem Iran lebt als Asylbewerber in Cham


Ahmad wartet seit fast eineinhalb Jahren darauf, dass ihm in Deutschland Asyl gewährt wird. (Foto: Weinzierl)

Ahmad wartet seit fast eineinhalb Jahren darauf, dass ihm in Deutschland Asyl gewährt wird. (Foto: Weinzierl)

Von Kerstin Weinzierl

Ahmad ist 17 Jahre alt, stammt aus dem Iran und lebt als Asylbewerber in Cham. Vor gut einem Vierteljahr kam ich mit ihm ins Gespräch, als ich für eine Umfrage für das Jugendmagazin "Freistunde" an der Johann-Brunner-Mittelschule in Cham unterwegs war. Es war nur ein kurzes Interview, größtenteils auf Englisch (Ahmad: "Can we talk in English please, because my German is not very good!"). Doch in diesen fünf Minuten machte mich der intelligente junge Mann neugierig auf seine Vergangenheit. Ich wollte seine Geschichte kennenlernen.

Und so treffen wir uns drei Monate später ein zweites Mal. Erneut bin ich beeindruckt von seinem sympathischen Auftreten. Doch weitaus mehr beeindrucken mich die Fortschritte, die er innerhalb eines Vierteljahres in der deutschen Sprache - oder besser in der bayerischen Sprache - gemacht hat. Ich muss Gott sei Dank meine doch schon etwas verstaubten Englisch-Kenntnisse nicht bemühen, Ahmad versteht sogar meinen bayerischen Dialekt.

Auf meine Frage, ob er sich mit seinen Freunden auf Englisch oder Deutsch unterhält, meint er mit einem verschmitzten Lächeln: "Auf Boarisch." Das Lächeln verfliegt allerdings sehr schnell wieder, als wir auf seine Flucht aus dem Iran zu sprechen kommen.

Mit einer Demonstration fing alles an

Ein Blick zurück: Ahmad lebte zusammen mit seinen zwei Schwestern und seinen Eltern im Iran. Die Familie hatte alles, was sie brauchte. Ahmad ging zur Schule, er war ein guter Schüler. "Wir waren mit allem zufrieden, außer mit der politischen Situation", erinnert er sich. Zusammen mit seiner Mutter nahm er deshalb 2009 an einer politischen Demonstration gegen die Regierung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschads teil, in deren Folge seine Personalien aufgenommen wurden. Zwei Jahre später kam die Ladung zur Gerichtsverhandlung. Das Urteil wollten Ahmad und seine Mutter erst gar nicht abwarten: "Ich möchte nicht wissen, was mit uns passiert wäre!" Allein schon die Tatsache, dass er vor Gericht erscheinen musste, bedeutete für ihn - völlig unabhängig vom Ausgang der Verhandlung - dass er nach der Schule nicht hätte studieren dürfen. Ein Studium aber sei im Iran Voraussetzung dafür, einen Beruf zu erlernen.

In aller Schnelle musste eine Entscheidung gefällt werden, die das Leben der Familie für immer verändern sollte. Ahmad und seine Mutter flohen aus dem Iran, sein Vater, der fest im Berufsleben stand, und die beiden Schwestern, die studierten, blieben in ihrer Heimat. Das Nötigste wurde zusammengepackt - ein ganzes Leben in einen Koffer - und dann ging es Ende 2011 Richtung Deutschland.

Der damals 16-Jährige wurde zunächst in Dortmund und anschließend in Zirndorf in den dortigen Einrichtungen zur Erstaufnahme von Asylbewerbern untergebracht. Seit Januar des vergangenen Jahres lebt Ahmad mit seiner Mutter im Wohnheim in Cham und sie warten darauf, dass ihnen Asyl gewährt wird. Einmal wurde ihr Asylantrag bereits abgelehnt. Die beiden nahmen sich einen Anwalt und legten Widerspruch ein. Die neue Entscheidung soll Ende April fallen.

Ein Leben zwischen Hoffen und Bangen

Über sein Leben zwischen Hoffen und Bangen, ein Leben in Wartestellung und Unsicherheit, möchte Ahmad nicht viel erzählen: "Ich denke nicht so viel darüber nach, was passieren wird. Manchmal schaffe ich es sogar zu vergessen, in welcher Situation ich bin. Ich muss es nehmen, wie es kommt." Was ihn allerdings schon belastet, ist die Tatsache, dass er als Asylbewerber vieles nicht darf: "Wir dürfen uns zum Beispiel keine eigene Wohnung suchen und wir dürfen nicht arbeiten." Die ersten Monate in Cham ging Ahmad ans Robert-Schuman-Gymnasium in Cham, doch machen es ihm seine geringen Deutschkenntnisse unmöglich, die geforderten Leistungen zu erbringen. Ein Wechsel an die Mittelschule ist die Folge. Jetzt will er einen möglichst guten Abschluss an der Mittelschule machen, um anschließend an die FOS zu gehen. Sein großer Traum: "Ich möchte Medizin studieren!"

Aus der Zeit am Gymnasium hat Ahmad viele gute Freunde. Sie erleichtern ihm das Leben hier in Deutschland, doch sein Herz hängt nach wie vor an seiner Heimat, dem Iran. Mit seinem Vater und seinen Schwestern hält er hauptsächlich übers Internet Kontakt. Ihnen geht es gut. Für die Zukunft wünscht sich Ahmad, "dass wir irgendwann wieder als Familie zusammen sind, egal wo." Und seine alten Freunde, sein früheres Leben, das er im Iran zurückgelassen hat? "Das muss ich alles vergessen. Ich kann nicht in den Iran zurück."

Doch so schwer das Leben momentan als Asylbewerber auch ist, Ahmad würde wieder alles genauso machen. "Ich würde wieder demonstrieren. Es gab keine Freiheit im Iran und ich wollte das ändern. Und was man angefangen hat, das muss man zu Ende führen!"