Prozess um Supermarktüberfall

Miese Retourkutsche ehemaliger Kumpels?

Zeugen „schlicht verheerend“: Prozess um Supermarktüberfall endet mit Freispruch


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Der Prozess um einen Supermarktüberfall in Massing endete mit einem Freispruch für beide Angeklagte.

Von Redaktion Landshut Stadt

„Erzählungen über Erzählungen“ musste sich die erste Strafkammer des Landgerichts zwei Verhandlungstage lang anhören. Am Mittwoch endete der Prozess um einen Supermarktüberfall im November 2018 in Massing mit einem Freispruch für beide Angeklagte. Man habe es durchweg mit „Zeugen vom Hörensagen“ zu tun gehabt, sagte der Vorsitzende Richter Markus Kring. „Auf dieser Grundlage ist kein Urteil zu fällen.“

Schweren Raub mit vorsätzlicher Körperverletzung in Mittäterschaft hatte die Staatsanwaltschaft dem 22-jährigen Curtis J. (alle Namen geändert) und dem 25-jährigen André Y. zur Last gelegt. Die beiden Männer aus Gangkofen sollen mit Sturmhauben maskiert und mit einer Schusswaffe und einem Beil ausgestattet den Supermarkt betreten haben.

Staatsanwaltschaft hatte hohe Haftstrafen beantragt

Einer der beiden richtete die Schusswaffe auf die Kassiererin; der andere schrie „Geld her!“. J. schlug laut Anklage zudem zwei Mal mit dem Beil auf die Kasse ein. Die Kassiererin öffnete diese, und die Täter flüchteten mit rund 700 Euro, wobei sie eine Verkäuferin zur Seite schubsten, die sich ihnen mutig in den Weg gestellt hatte.

Die Staatsanwaltschaft sah den Sachverhalt nach den Aussagen der Belastungszeugen als erwiesen und beantragte für Y. eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Für J. forderte sie eine Haftstrafe von sechs Jahren und acht Monaten, da dieser erheblich und zudem einschlägig vorbestraft ist. Die Angeklagten hatten die Vorwürfe vor Gericht vehement bestritten und von einer Racheaktion ehemaliger Kumpels gesprochen. J. hatte zwei Belastungszeugen bezüglich eines Tankstellenüberfalls in Eggenfelden bei der Polizei verpfiffen. „Das ist nun die Retourkutsche“, sagte Verteidiger Stephan Klinger. Die Anklage baue ausschließlich auf die Belastungszeugen auf; objektive Beweismittel gebe es nicht. Weder Funkzellen- noch Handyauswertung hätten Belastendes ergeben. Eine einzige DNA-Spur sei sichergestellt worden. Klingers Fazit: Der Tatvorwurf ist nicht nachgewiesen, Freispruch. Y.s Verteidiger Rudolf Wenzl schloss sich dem an: Der Name seines Mandanten tauche überhaupt nur auf, weil J. den Zeugen zufolge gesagt haben soll, er sei dabeigewesen.

Zwei Belastungszeugen hatten bei der Polizei ausgesagt, J. habe mit dem Supermarktüberfall geprahlt. Dabei verfolgten sie ein „Eigeninteresse“, weil gegen sie selbst wegen anderer Überfälle ermittelt wurde, sagte Kring in der Urteilsbegründung. Das Verhältnis zu den Angeklagten sei aber vorab schon getrübt gewesen. J. habe bei einem Belastungszeugen Schulden gehabt.

Neutrale Zeugen machten abweichende Aussagen

Der andere Zeuge sei wütend gewesen, weil J. angeblich Nacktbilder von ihm in Umlauf gebracht habe. Als „schlicht verheerend“ bezeichnete Kring den Eindruck, den der Zeuge S. gemacht hat. S. verfüge über keine gefestigte Persönlichkeit; zudem seien seine Angaben objektiv betrachtet falsch gewesen. So habe er etwa ausgesagt, J. habe erzählt, dass der Lärmpegel während des Überfalls groß gewesen sei. Objektive Zeugen wie Kunden und Verkäuferinnen hätten vor Gericht aber angegeben, dass der Überfall der maskierten Täter bis auf die zwei Schläge mit dem Beil auf die Kasse ruhig und ohne Geschrei abgelaufen sei.

Die restlichen Zeugen aus der ehemaligen Gangkofener Clique („man kennt sich halt“) hatten sich vor Gericht zurückhaltend gezeigt. Sie hätten von den beiden Belastungszeugen lediglich gehört, dass die Angeklagten den Supermarkt überfallen haben sollen. Geglaubt habe sie aber nicht, was ihr der S. erzählt habe, so eine Zeugin: „Der red oiwei vui.“