Gäubodenvolksfest Straubing

Eine Nacht als Bierfahrerbeifahrer mit Christian Handwerker


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Christian Handwerker steuert 22.000 Maß Bier über den Festplatz des Gäubodenvolksfests. Er ist stolz auf seinen Beruf: Brauer.

Wenn er erkannt wird, besonders wenn er am Freitag oder Samstag unterwegs ist, dann wird ihm gehuldigt. Aber Christian Handwerker weiß, dass das nicht ihm gilt. Sondern dass die Nachtschwärmer, die noch im Park oder auf der Straße sind, erkennen, dass er gerade da hinfährt, wo sie herkommen. Und sie sehen, was er geladen hat: 22.000 Maß Bier.

Und dass dem gehuldigt wird, das freut ihn. Er ist stolz auf seinen Beruf Brauer, zu dem es auch gehört, das Bier auszuliefern, und sei es von 1 Uhr bis 5 Uhr in der Früh.

0.40 Uhr: „Ich bin der Christian!“ Gutgelaunt kommt der Brauer aus Bogen an der Karmelitenbrauerei an. Durch das frühe Aufstehen lässt er sich seine gute Laune nicht trüben. „Bin gleich da, muss mich nur noch schnell umziehen“, fügt er hinzu und später wird klar, warum er besonders in andere Schuhe schlüpft. Für die tragischen Momente des Abends. Die er gar nicht mag.

0.50 Uhr: Der 45-Jährige überprüft seinen Tanklaster genau, alle Reifen leuchtet er mit der Taschenlampe ab und dreht am Tankdeckel. Im Industriegebiet wird schon mal Benzin abgezapft. Aber, alles in Ordnung. Über das selbst geschriebene Schild „Parkplatz Tankfahrzeug“ freut er sich, das steht da nur in der Volksfestzeit. Denn nur dann leiht sich die Karmelitenbrauerei den 220-Hektoliter-Auflieger aus.

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Abfahrt vom hof der Karmelitenbrauerei.

0.59 Uhr: Wir fahren vom Hof, nur um danach gleich wieder anzuhalten, zum einen, um das Tor zu schließen, zum anderen, „wir sind zu früh dran“. Wir können erst in einer halben Stunde in das Festgelände einfahren. Zeit für ein paar Fragen: Wir fahren voll, um „auf den Ernstfall vorbereitet zu sein“, wird erklärt. Unser Bier ist auf zwei Grad gekühlt. 220 Hektoliter haben wir an Bord. Und Christian erklärt, warum kein Fahrer, sondern ein Brauer ausliefert. Bierfahrer fahren geschlossene Getränke, Flaschen und Fässer. Brauer fahren, wenn umgepumpt wird, weil man da direkt „mit Bier, einem Lebensmittel in Berührung kommt“.

1.16 Uhr: Der erste Fan! Auf der Heerstraße wanken zwei junge Volksfestfans abgeschlagen daher, nicht mehr in ganz gerader Spur. Aber der eine entwickelt Energie, als er den Biertransporter sieht, vom Zombie zum hellwachen Winker auf sofort. Christian sagt, heute sei da fast nichts los, am Freitag und Samstag wird man schon mal von Gruppen von Nachtschwärmern beklatscht. Aber da muss man aufpassen, dass keiner in Feierlaune vor den Lkw läuft. Die Kreuzung bei der Cafébar sei da gefährlich. Mancher Volksfestfußgänger achtet nicht darauf, ob er Rot hat. Christian schaut für alle mit – „eh klar!“.

Im Schritttempo zum "Lechner"

1.27 Uhr: Der Hagen ist in Sicht. Terror mag der Christian nicht, aus den offensichtlichen Gründen, aber im Volksfest aus einem ganz speziellen. Die Poller, die irre Lasterfahrer stoppen sollen, sind effektiv, sie stoppen nämlich auch friedliche Biertransporte. Da heißt es, vorsichtig zu rangieren, aber auch beherzt, sonst kommt man nicht vorbei. Für die Maßnahme hat er Verständnis, toll ist das für Lieferanten mit 40-Tonnern aber nicht.

1.30 Uhr: Hindernis geschafft. Es geht im Schritttempo im Volksfest zum „Lechner“. Aus Lkw-Fahrerkabinenhöhe ein ganz neuer Anblick. Wir biegen ab, um auf die Versorgungs- oder Bieselstraße zu kommen, benannt je nachdem, ob man als Gast die Toilette sucht oder als Lieferant unterwegs ist. Am „Krönner“ vorbei geht es zum „Nothaft“. Die Kollegen von Irlbach sind heute zwei Minuten früher da gewesen. Sie warten, damit wir vorbeikommen. Aber ihr Liefertor steht schon offen. Christian schließt es, um vorbeifahren zu können, aber kurz danach stoppt er sofort wieder, um das Tor für die anderen wieder zu öffnen. Alle nehmen Rücksicht aufeinander. „Da fehlt se nix“, und nur so kann es gehen, erklärt der Karmelitenfahrer.

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Torausheben ist Teil der Lieferung.

1.37 Uhr: Wachmann Uwe schaut aus dem Zelt, ob alles in Ordnung ist. Man kennt sich. Christian schließt die Absperrung hinter der ersten Schenke auf und hebt das Gitter aus. Zwei Tanks warten dahinter, der eine muss gefüllt werden, der andere heute nicht. „Es gibt jetzt einen geregelten Ablauf“, erklärt er noch und legt los. Stromkabel für den Zähler und die Pumpe verlegen. Wichtig! Den Durchlaufzähler zwischenschalten. Der spuckt später die gelieferte Menge Bier, ausgedruckt auf zwei Zetteln, aus, einen für die Brauerei, einen für den Wirt. Erst wird der CO2-Schlauch, Typ Gartenschlauch, weiß-durchsichtig, angebracht. Die Druckprüfung folgt. Dann kommt der Bierschlauch. In Blau und im Durchmesser einer ausgewachsenen Tigerpython. Wer die Schlange „Sammy“ aus dem Tiergarten kennt, hat eine Vorstellung. „Wir führen das CO2 zurück, das passt zu unserer Linie der Nachhaltigkeit“, betont er.

1.50 Uhr: „Es läuft!“ Sprichwörtlich fließt das Bier jetzt in Strömen. Sehen und hören kann man fast nichts davon. Aber die Anzeige verrät, rund 200 bis 230 Liter fließen pro Minute vom Laster in den Container. Dieser 52-Hektoliter-Tank war fast leer. 25 Minuten wird es dauern, schätzt er. Bevor er das flüssige Manna der Bayern laufen lässt, hat er alle Schläuche mit einer Druckprüfung kontrolliert und die Anschlüsse desinfiziert.

2.18 Uhr: Christian hat es im Gespür und auch auf der Anzeige, wann der Container fast voll ist. Jetzt muss er oben ein bisschen CO2 ablassen. Es pfeift. Dann plötzlich nicht mehr, als er an Reglern dreht. „Hast Du es gehört, wie sich der Ton verändert hat?“, fragt er. Ton ja, aber eine Veränderung des Bierumfüll-Sounds nicht. Da fehlen mir die geschulten Bierabfüller-Ohren.

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Her mit dem Bier: Um alles druckdicht zu bekommen, ist Kraft gefragt.

2.22 Uhr: Jetzt kommt der tragische Moment das Abends, für den man wasserdichte Schuhe braucht. Beim Abkoppeln fließt natürlich das Bier, das noch im Schlauch ist, aus. „Technischer Schwund“ heißt das im Fachjargon, für Christian heißt das einfach nur „schlimm“, wenn sein Produkt, das mit Leidenschaft gebraut wurde, im Gully versickert. Später, beim Kracherltanken, hat er da weniger Probleme, wie er grinsend zugibt.

3 Uhr: Der nächste Container wird mit Bier betankt. „Ich würde wieder Brauer lernen“, betont Christian. Er fachsimpelt über Biere und wie man mit Naturprodukten den Trunk herstellt. Er steht voll hinter seinem Team und Produkt. Wehmütig ist er nur, weil er seit Tagen kein Bier, „nicht einmal ein Radler“, getrunken hat. Wenn er Lkw fährt, dann ist das so. Aber jetzt wechselt dann der Fahrer, dann geht es privat aufs Volksfest, auf eine Maß.

Irgendwann nach 3 Uhr: „Brauer sind die bestbezahlten Putzfrauen“, scherzt Christian. Im Bekanntenkreis seien Frauen immer wieder überrascht, welch gute Tipps er da geben kann. Aber das sei doch klar. Man arbeite mit Naturprodukten und Lebensmitteln. Jeder Brauer achte da auf Sauberkeit. Daher ist bei jedem Schank auch ein Reinigungsschlauch, von dem Christian viel Gebrauch macht. Die Anschlüsse werden auch jedes Mal gereinigt.

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Reinigung gehört immer und mehrmals in der Nacht zum Programm. Damit der Schlauch sauber werden, muss Bier versickern. Da schmerzt das Brauerherz.

3.50 Uhr: „Zeit für das Büro“, seufzt Christian, aber auch das geht bei ihm mit einem Lächeln. Büro, das heißt Fahrerkabine und schriftliche Dokumentation. Kurze Zeit später: Zeit zu Abbau, Reinigung der Schläuche und dem Wiederverladen der Edelstahlverbindungen. Christian nimmt sich Zeit, arbeitet sorgfältig. Zur Belohnung gibt es eine Wurstsemmel und eine Cola im Bierzelt plus einen kurzen Ratsch mit Uwe. Der will wissen, ob alles wieder gut gelaufen ist. Er hat noch Dienst bis 6 Uhr, aber allein wird er kaum sein, Techniker bessern noch Leitungen aus, und die Köche werden bald kommen.

4.40 Uhr: Wir fahren zurück. Jetzt wird es noch einmal stressig, die Poller liegen jetzt teils im toten Winkel. Der einzige Moment des Abends, in dem Christian keine gute Laune hat. Aber, auch das wird geschafft. Er sagt augenzwinkernd an der ersten roten Ampel: „Merkst was?“ Die erste kommt gleich. Die drei Tankkammern sind nicht mehr ganz voll, es schwankt also beim Stoppen. Nicht schlimm, aber das muss er als Fahrer ausgleichen. Auf der Hälfte der Strecke lässt er mich aussteigen. Die beste Taxifahrt heim vom Volksfest aller Zeiten, mit einem 40-Tonner-Bierlaster. Er muss weiter. In der Brauerei füllt er die Container vom „Greindl“. Um 10 Uhr, wenn die ersten Besucher auf das Volksfest gehen, fährt er heim. Sein Volksfesttag ist gerade aus. Für andere hat er ihn möglich gemacht.