Beefeater am Volksfest

Wenn sie nicht die Kronjuwelen der Queen bewachen, tragen sie Lederhose


sized

Die Beefeater mit Freunden und Anhang im Lechner-Zelt: Jimmy James (vorne, links) und Festwirt Martin Lechner (vorne, rechts).

Wenn sie in London sind, dürfen die Festwirte Edith und Martin Lechner die Kronjuwelen der Queen im Tower länger bestaunen als andere Touristen. Das hat ihnen Jimmy James versprochen. Er ist einer der 37 Wachmänner im Tower of London und kommt seit 2012 jedes Jahr ins Lechner-Zelt.

Sie kommen aber nicht nur zum Feiern und Trinken, sondern philosophieren auch darüber, warum die Tracht in Bayern seit einigen Jahren immer populärer wird. Und gleich die erste Frage: „Also was denkt ihr Bayern über den Brexit?“

Bayern: der schönste Teil Deutschlands

Zufällig sei er damals mit einem Freund im Lechner-Zelt gelandet, erzählt James. 18 Jahre lang war er in Nordrhein-Westfalen als Soldat stationiert, aber Bayern sei der schönste Teil Deutschlands. „Ihr wisst es, und wir wissen es auch“, sagt er und lacht.

So habe es ihn 2012 hierher verschlagen, aufs Volksfest ins Lechner-Zelt. „Ich hab’ mich einfach in Straubing verliebt“, sagt er. Seitdem kommt er jedes Jahr während des Volksfests. Jimmy hat zu diesem Besuch 35 Freunde in Lederhose und Dirndl mitgebracht, fünf davon Beefeater, also Wächter im Tower of London wie er.

Jimmy ist 50 Jahre alt, groß, bullig, trinkt nach eigenen Angaben zehn Maß am Abend und liebt Kartoffelknödel. „You don’t get that in Britain“, sagt er – sowas gebe es auf der Insel nicht. Zu Weihnachten und Silvester schreibt er Edith Lechner herzliche Mails mit Glückwünschen aus dem Tower, erzählt die Wirtin.

Langer Speer die einzige Waffe

Dort, im Tower of London, lebt Jimmy James. Als Beefeater bewacht er zusammen mit 36 Kameraden die Kronjuwelen von Königin Elisabeth II. und gehört zu einem erlesenen Kreis von Wachmännern. Im Dienst trägt er eine viktorianische Uniform, einzige Waffe ist der Partisan, ein „big spear thing“, wie er erklärt: „Damit könnte man ein Pferd in vollem Laufe stoppen.“

Echte Gefahr, dass sie die Kronjuwelen gegen Diebe mit Waffengewalt verteidigen müssten, besteht allerdings nicht. „Hoffe ich zumindest“, sagt er und lacht.

sized

Jimmy James (rechts) beim Besuch im Festzelt Lechner mit Festwirt Martin Lechner (links) und dessen Frau Edith.

Biertisch-Gespräch: Reiberknödl, Brexit, Entnazifizierung

Am Volksfest tragen er und seine Begleiter bayerische Tracht. Die Queen wäre verärgert, sagt er ernst, wenn er am Volksfest seine Beefeater-Uniform ausführen würde. So sitzt er mit Lederhose und blaukariertem Hemd im Lechner-Zelt. Beefeater-Kollege Bill neben ihm trägt einen braunen Hut, ein grünkariertes Hemd und Lederhose.

Also 36 trinkfeste Briten, die wegen der großen Biergefäße nach Bayern kommen? Schnell fällt auf, dass sie bei ihren Volksfestbesuchen nicht nur in den Maßkrug geschaut haben. Viele Beefeater waren während des Kalten Kriegs und der Entnazifizierung als Soldaten in Deutschland stationiert, erzählen sie. Daher hätten sie die Kultur hierzulande sehr genau verfolgt.

Bayern, die wieder Janker tragen? Das freut sie

Es freue sie, dass Tracht und Heimatverbundenheit bei jungen Bayern wieder populärer werden und bei einem Trachtenjanker niemand mehr an Wehrmachtsuniformen denke. „Vor ein paar Jahren hätte so etwas niemand getragen“, meint Bill und nickt zu einem Mann in einem grauen Janker hinüber. Jeder spreche wie selbstverständlich vom „Volksfest“ und die abgespeckte Version „Gäubodenfest“ werde kaum mehr verwendet.

Auch der Brexit treibt sie um, erzählen sie, und was die Welt deswegen von ihnen denkt. „Was denken die Bayern drüber?“, fragt Jimmy. Er habe für den Brexit gestimmt, sagt er, und meint: „Das ist doch Demokratie, oder nicht?“

So etwas wie das Straubinger Volksfest gebe es in ihrer Heimat nicht, sagen Bill und Jimmy. Die Atmosphäre, die ungetrübte Lebensfreude und Besucher jeden Alters und aller Schichten – und mittendrin die Wächter der englischen Kronjuwelen, beim Knödelessen, Biertrinken und Bayernbeobachten.