Gäubodenvolksfest Straubing

Tagblatt-Redakteurin Sophie bedient einen Tag im Greindl-Zelt


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Schafft keine einzige Liegestützte, aber macht sich am Holztablett doch recht gut: Tagblatt-Redakteurin Sophie Schattenkirchner.

Vier Maß Bier und zwei kleine Apfelsaftschorlen oder ein Spanferkel mit Kraut, eine Ente mit Semmelknödel, zwei Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat, zwei Paar Schweinswürstl, Schaschlik mit Pommes, Ochsenfleisch mit Kartoffelknödel und einen Krustenbraten: Das alles kann ich nach einem eintägigen Praktikum in Box 4 im Festzelt Greindl tragen – und das, obwohl ich keine einzige Liegestütze, geschweige denn einen Klimmzug schaffe.

Darin bestärkt, dass Muskelkraft nicht alles ist, hat mich an diesem Tag Andrea Laumer aus Pillnach. Andrea, „Anderl“, wie sie im Festzelt genannt wird, ist seit vier Jahren Volksfest-Bedienung und versorgt mit ihren Kollegen Michael, Florian und Alexander hungrige und durstige Besucher mit Brezen, Gickerl und frischen Maßn.

„Geh’ in die Hocke, Rücken gerade, greif’ mit der linken Hand vorne am Rand, mit der rechten Handfläche unten in die Mitte des Schlittens“, sagt Andrea und schiebt das knapp einen Meter lange Holztablett von der Essensausgabe auf meine rechte Schulter. „Jetzt durchstrecken“, sagt und sie und lächelt – und plötzlich stemme ich mehrere Teller mit Gickerl, zwei Kinderportionen Pommes mit Ketchup und einen Obazdn mit Volksfest-Brezen.

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Bedienung Andrea (hinten links) zeigt Sophie, wie es geht. Andrea studiert Psychologie - und in kaum einem Nebenjob lernt man so viel über Menschen wie als Bedienung am Volksfest.

Vorsichtig muss man sich mit dem langen Holzschlitten umdrehen, um nicht aus Versehen eine andere Bedienung oder einen Gast vor der Essenausgabe zu rammen.

Ich schleppe, er balanciert auf den Fingerkuppen

Während ich ganz langsam Richtung Box 4 gehe und Andrea sicherheitshalber hinter mir schon einmal die Hände aufhält, zieht ein Kellner im Stechschritt an uns vorbei. Er balanciert das Tablett nur auf den Fingerkuppen.

Bei den Gästen in der Box angekommen, gehe ich wieder in die Hocke und schiebe das Tablett von der Schulter auf den Biertisch. „Und?“ fragt Andrea und grinst: „Ist doch gar nicht so schlimm, oder?“

Tatsächlich traut mir Andrea von Stunde zu Stunde mehr Teller mit Ente, Ochse und Co. zu – alles gestapelt auf ihrem 95 Zentimeter langen Holzschlitten, den ihr Papa extra für sie angefertigt hat. Die größten Herausforderungen dabei: Die Balance wahren, bei der kleinen Stufe in die Box aufpassen und nicht die Bratensoße oder den Wurstsalat-Sud verschütten.

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Warten aufs Essen: Anderl füllt ihr Tablett.

Die Logistik hinter dem Gickerl

Nach diesem Praktikumstag ist mir klar, welche Logistik hinter einer einfachen Bestellung wie „a Gickerl und a Maß“ steht. Denn bereits am Morgen, um kurz nach 9 Uhr, hat Andrea Getränke-Markerl im Büro bei Klaus Greindl gekauft.

Wenn sie die Bestellung eines Gastes auf ihrem Block notiert hat, geht sie zu den an der Wand angebrachten I-Pads gleich neben dem Büro und bonniert das Essen ein. Der „Gickerl“ findet sich unter dem Menüpunkt „Frisch vom Grill“. Aus einem Gerät laufen Bon und Rechnung heraus. Die Rechnung zwickt sich Andrea an ein Klipperl an ihrem Dirndl-Ausschnitt, den Bon bringt sie zu den Gickerl-Bratern. Die schneiden mit einer Geflügelschere einen knusprigen Gickerl auseinander und legen eine Hälfte samt Zitrus-Erfrischungstücherl auf einen Teller. Andrea faltet noch eine Serviette und greift damit den Teller.

Mit einem silberfarbenen Getränke-Markerl auf das „Gut für einen Liter Bier“ geprägt ist, geht sie zur Schenke und bestellt bei den Schankkellnern eine frisch gezapfte Maß. Bier und Gickerl bringt sie an den Tisch und kassiert mit einem Lächeln ab.

"Es gibt keinen schlechten Bierpreis"

Wer denkt, 8,95 Euro für eine Maß sei ein ungünstiger Preis für die Bedienungen, der irrt: „Es gibt keinen schlechten Bierpreis“, sagt Michael aus Andreas Team. „Wer Trinkgeld geben will, der macht das so und so.“ Und die Art, mit der das Team aus Box 4 bedient, verdient Trinkgeld – und zwar weit mehr als nur fünf Cent.

Es ist die eine Sache, an einem Tisch neun Essens- und Getränkebestellungen, inklusive Sonderwünsche („Ich hätte gerne meine Maß auf zwei Gläser verteilt“/ „Semmel- statt Reiberknödel“), aufzunehmen.

Es ist aber eine andere Sache, Brotzeitbrett und Kaiserschmarrn an der Essensausgabe einzusammeln, währenddessen die Getränke in der Schenke zu ordern und gleichzeitig immer das Besteck aufzufüllen, leere Krüge wegzubringen, Teller mit Essensresten in die Küche zu tragen – und dabei noch von einem Gast am Rockzipfel gezogen zu werden, der doch noch gerne eine Maß hätte.

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Anderl in ihrem Element: mit freundlichem Lächeln am Tisch.

In kaum einem Nebenjob lernt man so viel über Menschen

Eine Beschwerde, dass der Gickerl nicht geschmeckt hat (obwohl er ganz gegessen wurde), oder der Hinweis, dass die Portion zu groß sei, hört sich Andrea geduldig und mit einem Lächeln an. „Wenn jemand unfreundlich zu mir ist, bin ich nur noch freundlicher.“

Dann lacht sie und fügt hinzu: „Wenn ich mir das nur als Praktikum anrechnen lassen könnte...“ Denn Andrea studiert Psychologie und es gibt kaum einen Nebenjob, bei dem man mehr über Menschen lernen kann.

Dennoch passieren während der Arbeit in einem Festzelt auch Dinge, die selbst die gutmütigsten Bedienungen nicht so schnell vergessen. „Oh Gott, weißt noch, vor zwei Jahren?“ sagt Andrea zu Michael, er nickt und hält sich die Hände vor die Augen: Ein Gast in ihrer Box war so betrunken, dass er sich groß in seine Lederhose machte. Von seinen Arbeitskollegen wurde er schließlich nach draußen getragen.

Andrea und ihre drei Kritischen

Das Wichtigste ist die Stimmung im Team – wenn die passt, steht man alles gemeinsam durch, sogar die größte Hektik während der Hauptessenszeiten. Andrea schenkte ihren drei Jungs selbst gemachte Buttons aus Spielkarten: „Ich hab’ für sie welche mit den drei Kritischen gebastelt.“

Am Bedienungstisch liegen Dosen mit Tomaten, Gurken und Weintrauben, eine Röhre Magnesium-Tabletten und Süßigkeiten – zur Stärkung. Zur mentalen Stärkung gehen die vier nach der Arbeit gemeinsam ins Myers’.

So weit schaffe ich es an diesem Tag nicht: Um 20 Uhr gebe ich erschöpft auf – zu dieser Zeit sind nicht nur Schwammerl in der Soße des Jägerrahmbratens, sondern auch in meinen Knien und Armen. Vom Praktikumstag bleibt ein mehrtägiger Muskelkater, höchster Respekt vor allen, die im Festzelt dafür sorgen, dass die Gäste einen schönen Volksfesttag erleben können, und das Gefühl, sehr stark sein zu können – dank Andrea und ihrem Team.