Historischer Moment

Turbulenzen am Ölmarkt: Preis für US-Ölsorte im Minus


Eine Pumpe arbeitet in einem Ölfeld im Permbecken in Texas an der Grenze zu New Mexico. Dort befindet sich das größte Ölfeld der USA - etwa viermal so groß wie Niedersachsen.

Eine Pumpe arbeitet in einem Ölfeld im Permbecken in Texas an der Grenze zu New Mexico. Dort befindet sich das größte Ölfeld der USA - etwa viermal so groß wie Niedersachsen.

Von Tabitha Nagy

In den USA ist der Preis für die Ölsorte WTI erstmals in seiner Geschichte ins Minus gerutscht.

USA - Zeitweise kostete ein Fass (159 Liter) des amerikanischen WTI-Öls am Montagabend (Ortszeit) minus 40 Dollar. Das gab es seit Beginn des Futures-Handels im Jahr 1983 noch nie. Es ist eher ein technischer Effekt in der derzeit turbulenten Lage. Denn abgesehen vom derzeitigen Überangebot an Rohöl hat der Preisverfall auch mit der Art des Handels zu tun: dem Termingeschäft. Dabei verpflichtet sich der Verkäufer, zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Menge Öl zu einem festen Preis zu liefern. Ebenso verpflichtet sich der Käufer, diese Menge abzunehmen. Mit diesen sogenannten Kontrakten wird gehandelt.

Corona-Effekt: Minus-Preis für Öl

Im aktuellen Fall drohte der Plan nicht aufzugehen - verkürzt gesagt. Die Inhaber der Kontrakte - meist Händler, die auf steigende oder sinkende Preise wetten - waren in einem Dilemma: Sie werden den Kontrakt nicht los, weil niemand Öl braucht. Aufgrund der Kontrakte hätten sie aber im Mai Öl geliefert bekommen, ohne zu wissen, wohin damit. Denn die Lager sind voll, weil wegen der Corona-Krise die Weltwirtschaft ausgebremst ist. "Rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage ist infolge der Corona-Krise weggebrochen", sagt der Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Experten schätzen, dass in ein bis zwei Monaten die Tanks weltweit zum Überquellen gefüllt sind.

Und am Dienstag lief schließlich eine wichtige Frist am Ölmarkt aus, der Kontrakt für den Monat Mai. Die Spekulanten mussten ihre Papiere also zum Wochenstart abstoßen - egal zu welchem Preis. Im Klartext: Ölhändler mussten dafür zahlen, dass ihnen überhaupt noch jemand etwas abkauft. Der Ölpreis im Minus ist also ein Sondereffekt, der nicht bedeutet, dass Rohöl wertlos geworden ist. "In der zweiten Jahreshälfte sollte die Nachfrage wieder anziehen", schätzt der Dekabank-Chefvolkswirt. Auffällig ist, dass der amerikanische WTI-Ölpreis dieser Tage deutlich stärker sinkt als der Preis der europäischen Schwestersorte Brent-Öl.

Sinkende Preise: Historische Lage bei Heizkosten

Wer nun auf weiter sinkende Spritpreise hofft, dürfte jedoch enttäuscht werden. Das Drama spielt sich derzeit rund um die US-Ölsorte WTI ab. Diese sei "nicht entscheidend für den deutschen Markt", sagt ein ADAC-Sprecher. Eher spüren Verbraucher die historische Lage bei den Heizkosten. Für 100 Liter Heizöl mussten sie zu Jahresbeginn knapp 75 Euro zahlen. Jetzt sind es noch 50. Bei einem Jahresverbrauch von 3.000 Litern ergibt sich so eine Ersparnis von rund 750 Euro.

Einige Kunden müssen mit der Lieferung bis zum Juli warten, wenn sie heute bestellen. Weil in Süddeutschland die Logistik komplexer ist als im Norden, sind in Bayern und Baden-Württemberg mit rund 58 Euro je 100 Liter die Preise aktuell bundesweit am höchsten, in Hamburg und Bremen mit 42 bis 43 Euro viel günstiger.

Einmaleins des Ölgeschäfts: Was sind Contango und Arbitrage?

Fachleute bezeichnen als Contango das, was normalerweise am Ölmarkt zu beobachten ist - und was Ölfirmen und Ölhändler umtreibt. Sie spekulieren mit dem schwankenden Ölpreis und kaufen Öl günstig ein, um es mit einem Termingeschäft teurer weiterzuverkaufen. In den meisten Marktphasen ist Öl zur Lieferung in einigen Monaten teurer als Öl zur Lieferung zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Märkte gehen also davon aus, dass der Ölpreis mittelfristig wieder steigen wird. Diesen Preisunterschied nutzen die Händler für Arbitrage-Geschäfte. Der Preisaufschlag für weiter in Zukunft liegende Öllieferungen spiegelt unter anderem die Lagerkosten wider.

Derzeit ist der Preisaufschlag extrem hoch. Öl zur Lieferung im Juni kostet fast zehn Dollar mehr als Öl zur Lieferung im Mai. Denn die Öllager in den USA sind bereits randvoll, die Lagerung ist extrem teuer. Wegen der Corona-Krise hat die US-Industrie ihre Produktion so stark gedrosselt wie seit 1946 nicht mehr. Daher gab nur wenige Käufer für den am Dienstag ausgelaufenen Mai-Kontrakt. Finanzinvestoren mussten ihre Positionen mit hohen Abschlägen verkaufen - das ist der Haupttreiber für den Preissturz im Mai-Kontrakt.

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