Prämiensparverträge betroffen

Kündigungswelle droht: Sparkassen gegen Sparer


Betroffene Sparkassenkunden sollen sich wehren, rät die Verbraucherzentrale.

Betroffene Sparkassenkunden sollen sich wehren, rät die Verbraucherzentrale.

Von Lukas Schauer / Onlineredaktion

Prämiensparverträge waren mal Bestseller. Heuer starten Banken die Kündigungswelle. Was Kunden mit alten Verträgen wissen sollen.

Die Deutschen sparen gern. Lange Zeit kam das den Sparkassen im Land gelegen. Nun wollen sie langjährige Kunden loswerden. Sie sagen: Weil sie die hohen Prämien aufgrund des Niedrigzinsniveaus nicht mehr erwirtschaften können.

In den vergangenen Wochen haben viele bayerische Prämiensparer Post vom Geldhaus ihres Vertrauens bekommen. Die Verbraucherzentrale hat etwa 150 Betroffene, hauptsächlich aus dem Raum Nürnberg, registriert, denen alte Sparverträge gekündigt wurden. In den meisten Fällen geht es um Menschen, die einen Vertrag mit dem Titel "S-Prämiensparen flexibel" abgeschlossen hatten. Ein beliebtes Sparprodukt aus den 90er und 00er Jahren.

Die Banken kündigen alte Verträge auf

Sparer zahlen dabei monatlich einen Betrag ein, das gesamte Sparguthaben wird mit einem veränderlichen Zinssatz verzinst. Neben einem schwankenden Grundzins gab es ab dem dritten Jahr eine steigende Prämie. Los ging es mit drei Prozent, der höchstmögliche Ertrag von 50 Prozent auf einzelne Einzahlungen war nach dem 15. Sparjahr erreicht.

Eine feste Laufzeit wurde meist nicht vereinbart. In Zeiten einer alternden Gesellschaft und in denen die Europäische Zentralbank (EZB) an der Nullzinspolitik festhält, versuchen Geldhäuser jede Möglichkeit zu nutzen, um flüssig zu bleiben.

Die Sparkassen berufen sich auf ein Urteil vom Mai

Denn: Wenn die eigenen Einlagen bei der EZB Minuszinsen kosten, passt es schlecht ins Konzept, wenn manche Sparpläne dank Prämien für die Banken zum Verlustgeschäft werden. Für Kreditinstitute müsse es möglich sein, auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen "sachgerecht reagieren" zu können, sagt Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Berlin.

Bei den Kündigungen berufen sich die Sparkassen auf ein BGH-Urteil vom Mai. Dort hatten Kunden der Kreissparkasse Stendal in Sachsen-Anhalt geklagt, die drei Verträge dieses Modells aus den Jahren 1996 und 2004 weiterführen und damit auch die Maximalprämie mehrfach ausgezahlt bekommen wollten.

Die Karlsruher Richter entschieden: Langjährige Prämiensparer müssen eine Kündigung durch die Sparkassen hinnehmen, sobald sie die einmal vereinbarte Bonusstaffel ausgeschöpft haben. Eine Kündigung innerhalb der ersten 15 Jahre sei allerdings ausgeschlossen, sagte der Senatsvorsitzende Jürgen Ellenberger. Denn mit der Staffel hätten die Sparkassen einen Bonus-Anreiz gesetzt. Danach dürfen sie die Altverträge gemäß ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen "bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes" mit drei Monaten Kündigungsfrist beenden.

Erste Musterfeststellungsklage eingereicht

Im Umkehrschluss heiße das aber nicht, dass jeder Vertrag auch nach dieser Frist unwirksam werde, heißt es bei der Verbraucherzentrale Bayern. "Ob eine Kündigung tatsächlich wirksam ist, lässt sich nicht pauschal beantworten", sagt Finanzjuristin Sibylle Miller-Trach. "Der BGH hat nur über einen Einzelfall entschieden, der sich von den vorliegenden Kündigungsfällen durchaus unterscheiden kann." Demnach könne etwa eine längere Laufzeit oder eine weiterreichende Prämienstaffel vereinbart worden sein.

Obwohl noch rechtliche Fragen offen sind, hat die Kündigungswelle nicht nur bayerische Sparer überrascht. Bis Mitte Juni hat die Stiftung Warentest 30 Sparkassen in mehreren Bundesländern registriert, die Tausende Altverträge aufgelöst hatten. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat eine Musterfeststellungsklage eingereicht, der sich Gekündigte ohne Prozesskostenrisiko anschließen können.

Sparkassen-Kunden können Geld nachfordern

Darüber hinaus haben Sparkassen jahrelang rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln verwendet. Daher könnten viele Kunden Geld nachfordern, sagt Miller-Trach. Sachsens Verbraucherzentrale hat errechnet, dass eine Mehrzahl der Sparer einen Anspruch auf eine Nachzahlung zwischen 850 und 1.300 Euro hat.

Niedrigzinsen sind ein Dauerthema. Derzeit liegt die Nettorendite für Spareinlagen bei Niedrigzinsen und einer Inflation von weit mehr als zwei Prozent tief im negativen Bereich. Sparer haben dadurch laut "Handelsblatt" gegenüber früherem Normalzinsniveau seit 2010 knapp 648 Milliarden Euro verloren, Kreditnehmer 290 Milliarden gewonnen.

Das rät die Verbraucherzentrale

Verbraucher, die von ihrer Bank eine Kündigung ihres langfristigen und gut verzinsten Sparvertrags bekommen haben, und zwar vor Ende der vereinbarten Laufzeit oder bevor sie die höchste Prämienstufe (in der Regel nach 15 Jahren) erreicht haben, sollten diese nicht einfach hinnehmen, rät die Verbraucherzentrale.

Kunden gehen kein Risiko ein, wenn sie der Kündigung schriftlich widersprechen und die Spar-Raten einfach weiterzahlen. Darüber hinaus sollen sich Betroffene Rat bei der Verbraucherzentrale holen. Wer eine Rechtsschutzversicherung besitzt, sollte bei ihr anfragen, ob sie einen etwaigen Streit vor Gericht übernehmen würde.

Wichtig: Das Geld aus dem Sparvertrag sollte nicht angetastet werden. Dadurch könnten Vertragsbesitzer ihre Ansprüche verlieren. Besitzer alter Prämiensparer-Verträge, die Zweifel haben, dass die Zinsen immer korrekt berechnet wurden, können ihren Vertrag bei der Verbraucherzentrale gegen ein Entgelt neu berechnen lassen. Für die Neuberechnung benötigt die Verbraucherzentrale eine Kopie des Vertrags sowie eine Übersicht der Sparraten und Zinszahlungen.