AZ-Interview

Fonds-Manager Herrmann erklärt: Warum die Börse jetzt anzieht


Marco Herrmann: "Wenn die Kurse steigen, schmerzt das die Anleger. Und je weiter sie steigen, desto mehr zermürbt es sie."

Marco Herrmann: "Wenn die Kurse steigen, schmerzt das die Anleger. Und je weiter sie steigen, desto mehr zermürbt es sie."

Von Guido Verstegen / Online

Marco Herrmann, Geschäftsführer einer Vermögensverwaltung, erklärt, warum die Aktienkurse trotz Corona steigen - und gibt Anlegern Tipps.

Diplom-Betriebswirt Marco Herrmann (50) ist seit 1992 für Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der Fiduka-Depotverwaltung.

AZ: Herr Herrmann, es ist paradox: In der Corona-Krise jagt eine Hiobsbotschaft aus der Wirtschaft die nächste, aber der Dax steigt in diesen Tagen. Wie kann das sein?
MARCO HERRMANN: Manchmal sind die Zusammenhänge nicht so offensichtlich. Was man so liest, da warnen alle vor einer zweiten Welle und Kurseinbrüchen und sind generell pessimistisch. Das kann auch so kommen - muss aber nicht.

Erklären Sie das bitte?
Die Investoren haben, wenn sie es gut gemacht haben, den Abschwung an der Börse erkannt und abgesichert. Jetzt haben sie die Qual der Wahl: Handelt es sich um eine Bärmarkt-Rally, wie wir sie während der Finanzkrise 2008 mehrfach erlebt haben - oder ist das schon die Trendwende? Wenn man jetzt zu früh wieder reingeht und die Kurse gehen noch einmal um 20 Prozent runter, verbrennt man sich die Finger.

Marco Herrmann: "Eine Krise ist nicht nur schlecht, sie bietet auch immer Chancen. Kurzum: Gute Aktien!"

Marco Herrmann: "Eine Krise ist nicht nur schlecht, sie bietet auch immer Chancen. Kurzum: Gute Aktien!"

Heißt: Das große Geld wartet ab, wie es weitergeht?
In den USA ist der Bestand in den Geldmarktfonds seit Mitte März von 3.500 Milliarden Dollar auf 5.000 Milliarden Dollar angewachsen. Das Geld, das in Sicherheit gebracht wurde, liegt da rum. Natürlich hat jemand gekauft, sonst wären die Kurse nicht gestiegen, aber das ganz große Geld wartet am Spielfeldrand ab.

Warum tut es das?
Im Englischen gibt es so einen schönen Ausdruck: The pain trade is up. Wenn die Kurse steigen, schmerzt das die Anleger. Und je weiter sie steigen, desto mehr zermürbt es sie.

Wozu raten Sie Anlegern denn jetzt?
Im Herbst dürfte es noch eine ganze Reihe von Firmeninsolvenzen geben. Wir sind Langfristinvestoren, deshalb würden wir nicht dazu raten, alles zu verkaufen, nur, weil die Kurse gerade oben sind. Die Frage ist doch: Was mache ich dann mit dem Geld? Zinsen bekomme ich keine.

Also?
Die Finger lassen sollte man wohl von Banken, von Airlines, von Stahl. Stattdessen kann man sich den Nahrungsmittelbereich, Getränke, Pharma und bestimmte Technologiewerte anschauen. Gerade da gibt es Firmen, die zuletzt profitiert haben. Eine Krise ist nicht nur schlecht, sie bietet auch immer Chancen. Kurzum: Gute Aktien! Bloß nicht in Firmen investieren, die besonders stark gefallen sind, in der Annahme, dass sie auch wieder entsprechend steigen müssen. Das Geschäft muss grundlegend vernünftig sein.

Wie würden Sie das Geld verteilen?
Aktien eben. Da sollte man aber schauen, dass man zehn bis 15 Werte im Portfolio hat, also auf keinen Fall zu einseitig investieren. Ruhig auch etwas Geld parken, Liquidität. Dann Anleihen, wenn man noch an sie herankommt. Gold sicher auch, da ist das Umfeld derzeit einfach perfekt. Sollte der Dollar fallen, gäbe das noch einen weiteren Push. Und Immobilienfonds, wenn nicht zu viel Hotel dabei ist.

Welche Strategie verfolgen Sie als professioneller Anleger?
Wir fahren auf Sicht, eher defensiv, weil es einfach zu viele Unsicherheitsfaktoren gibt. Im Herbst wird - wie bei der Grippe - eine zweite Corona-Welle kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann steht der US-Wahlkampf an, da kann bei diesem Präsidenten alles passieren.

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