Erfolgscoach feiert 80. Geburtstag

Warum Trainerlegende Pilic nicht ohne Tennis leben kann


Noch heute steht Niki Pilic in seinem Wohnort Opatija täglich auf dem Tennisplatz.

Noch heute steht Niki Pilic in seinem Wohnort Opatija täglich auf dem Tennisplatz.

Von Tabitha Nagy

Tennistrainer Niki Pilic wird heute 80. Die AZ blickt zurück auf ein Leben voller Erfolge. Sein Meisterstück? Das Doppel Becker/Stich zu moderieren.

München - Geburtstage sind nicht so seine Sache. Zahlen halt, nichts Wichtiges. Zum Beispiel der beim legendären Davis-Cup-Match von Hartford, gegen das US-Team John McEnroe, Tim Mayotte und Flach/Seguso. Niki Pilic erinnert sich: "Das erste Spiel dauerte fünfeinhalb Stunden, das zweite sechseinhalb. Um eins in der Nacht habe ich mit meiner Frau telefoniert: ,Es steht 2:0. Ich bin so müde, habe zwölf Stunden gesessen, gegen 15.000 Amerikaner.' Sie fragte: ,Hast du mir noch irgendwas zu sagen?' Ich meinte: ,Nein, 2:0 für uns.' Darauf meinte sie nur: ,Heute ist mein Geburtstag.'"

Trainerlegende Niki Pilic hat Geburtstag

Wenn Pilic am Dienstag selbst Geburtstag feiert, seinen 80., muss er etwas machen, das er nur ungern macht: einen Kompromiss eingehen. Er weiß, dass er an diesem Tag nicht ohne Gratulationen und Schulterklopferei weg kommt. Dabei stände er am liebsten da, wo er jeden Tag steht: auf dem Tennisplatz.

Pilic ist der erfolgreichste Tennistrainer des Planeten (fünf Davis-Cup-Siege mit drei verschiedenen Ländern, elf Jahre lang kein Davis-Cup-Match in Deutschland verloren, er coachte 47 Talente in die Top 100, darunter Novak Djokovic, Goran Ivanisevic, den heutigen Federer-Coach Ivan Lubicic oder Bernd Karbacher), doch keiner meidet die Öffentlichkeit mehr als er.

Party? Lieber Ruhe und Tennis

"Als wir 1988 in Göteborg mit Deutschland den Davis Cup gewonnen haben, war ich um viertel nach elf im Bett", erzählt er, "dann haben mich die Spieler rausgeklopft, mir den Pyjama weggenommen und mich in die Disco geschleppt - aber dort war ich als Erster weg. Ich kann das nur in meiner Seele genießen. So bin ich."

2005 gewann er den Davis Cup mit Kroatien - "aber ich bin nach München gefahren, nicht nach Zagreb, wo 90.000 Fans warteten". Auch 2010 beim Triumph mit Serbien bedankten sich alle Spieler bei ihm, doch Pilic saß längst im Auto gen München. Er mag den Trubel nicht, "aber wenn es darum geht, wie wir spielen, auf welchem Boden, mit welchen Bällen, habe ich ewig Zeit".

Der Davis-Cup-Sieg mit dem deutschen Team 1988.

Der Davis-Cup-Sieg mit dem deutschen Team 1988.

Mit vielen Wiederholungen: Pilic trainiert jetzt in Opatija

Vor fünf Jahren ist der "Preuße vom Balkan" von München zurück in seine Heimat gezogen. Nicht in seine Geburtsstadt Split, sondern nach Opatija. "Wunderschöne Stadt!", schwärmt er. Er mag Deutschland, die Disziplin, die Pünktlich- und Genauigkeit: "Ich habe eine deutsche Mentalität. Ich mag Arbeit sehr gerne." Doch zuletzt war "er müde von der großen Stadt". Als Trainer arbeitet er immer noch, "solange mir Gott sagt: Du kannst." Ein Leben ohne Tennis? "Kann ich nicht. Da wird der Tag zu lange. Weiß ich gar nicht, was ich tun soll." Also geht er auf den Platz, nimmt den Schläger in die Linke und scheucht mal wieder ein paar Talente über die Anlage des Tennis Center Opatija.

Achim Kubeng, der jahrelang mit Pilic zusammengearbeitet hat, erklärt Pilics Trainingsstil: "Viele Wiederholungen. Und dann noch härtere Wiederholungen. Da wird nicht rumgedoktert, sondern den Spielern die Zeit gelassen, in der Situation reif zu werden. Er spielt dir den Ball in die Ecke und sagt: ,Klar kannst du den jetzt nicht kriegen. Aber du musst es versuchen - und in zwei Monaten wirst du diesen Ball kriegen.' Keine wissenschaftliche Arbeit an Bewegungsabläufen. Viele wundern sich: was für einfache Übungen! Durch das ständige Wiederholen finden sich die Leute zurecht.

Trainer mit Härte und Diplomatie

Es wird wenig geredet auf dem Platz, da wird gearbeitet." Und wenn Pilic redet, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Da kann es schon passieren, dass ein talentiertes Mädchen mal tränenüberströmt vom Platz kommt: "Zu ihr musste ich sagen: Du bist nicht Pavarotti."

Diplomat kann er aber auch. Sein Meisterstück lieferte Pilic bei Olympia 1992 in Barcelona ab: Er moderierte das Gold-Doppel Becker/Stich. "Das war eine Kunst. Die beiden haben nicht miteinander geredet", erinnert sich Pilic. Das Verhältnis zu Becker beschreibt er so: "Boris wusste: Er und Niki wissen mehr als er allein." Aber mit Stich, der Becker im Jahr zuvor im Wimbledon-Finale besiegt hatte? "Da war meine Diplomatie-Nase nötig", sagt Pilic, "ich bin von einem Zimmer zum anderen und habe gesagt: ,Boris, der Michael hat gesagt, du hast unmenschlich gut retourniert.' Darauf Becker: ,Echt? Hat er wirklich gesagt?'" Am Ende lagen sie sich in den Armen.

Das Gold-Doppel Becker/Stich.

Das Gold-Doppel Becker/Stich.

Tennis statt Jura

Als Spieler war er in einer Zeit aktiv, die vom heutigen Tenniszirkus in etwa so weit entfernt ist wie die Erde vom Mond. 1956 fuhr er als 17-Jähriger von Split nach Paris zum Grand-Slam-Turnier: "36 Stunden mit dem Zug! In der dritten Klasse! Ein Hotel für vier Franc! Im Gepäck: Salami und Käse von der Mutter. Und ein Maxima, ein elf Jahre alter Holzschläger." In seiner Generation hat er jeden geschlagen, auch Rod Laver zwei Mal. 1967 gewann er elf Turniere. Pilic: "Gott hat mir sehr viel Talent gegeben. Aber: Ich hatte nie einen Trainer, habe mein Tennis erst mit 29 verbessert."

Davor studierte er Jura und Politik. "Es gab so viele Juristen in Jugoslawien, da dachte ich: Probier mal Tennis! An Geld habe ich nie gedacht." Das wurde ihm mit seiner Tennis-Akademie in Oberschleißheim, wo er viereinhalb Jahre mit Djokovic trainierte, zum Verhängnis: "Da bin ich an die falschen Leute geraten", sagt Pilic knapp. Im Oktober 2010 musste er Insolvenz anmelden.

Niki Pilic: Auch als Spieler war er Weltklasse.

Niki Pilic: Auch als Spieler war er Weltklasse.

Geburtstagsfeier: Opatija statt Käfers in München

Nun also Opatija. Wer wohl alles zum Feiern kommt? Seinen 50. feierte er damals bei Käfers, mit der ganzen Davis-Cup-Mannschaft: Charly Steeb, Patrik Kühnen, Eric Jelen und Boris Becker, der gerade die US Open gewonnen hatte und direkt aus New York kam. Als Geschenk bekam er eine Ebel-Uhr mit der Gravur "Das Team".

Die trägt er heute noch.

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