AZ-Interview

Erich Kühnhackl: "Ich würde als Athlet nicht zu Olympia fahren"


Eishockey-Legende Erich Kühnhackl (links) mit Kapitän Alois Schloder bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck.

Eishockey-Legende Erich Kühnhackl (links) mit Kapitän Alois Schloder bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck.

Von Guido Verstegen / Online

Noch sind die Olympischen Sommerspiele in Tokio nicht abgesagt. Die AZ sprach mit Eishockey-Legende Erich Kühnhackl, der 1976 bei Olympia Bronze holte, über die Situation.

Erich Kühnhackl (69) ist Deutschlands Eishockeyspieler des vorigen Jahrhunderts, bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck gewann er die Bronzemedaille.

AZ: Herr Kühnhackl, Sie, Deutschlands Eishockeyspieler des 20. Jahrhunderts, wissen genau um den speziellen Reiz von Olympia, Sie gewannen mit den Eishacklern 1976 sensationell Bronze, aber kann man angesichts der Corona-Pandemie die Spiele in Tokio wirklich austragen?
ERICH KÜHNHACKL: Wie Sie sagen, Olympische Spiele sind für mich das Großartigste, das Schönste, das Reizvollste, das Wunderbarste, das Einzigartigste - mir gehen da fast die Superlative aus -, was es im Sport gibt, was man in einem Sportlerleben erleben kann. Und natürlich tut es schrecklich weh, wenn man sich jahrelang darauf vorbereitet. Das gilt ja nicht nur für die Athleten, sondern für alle, die sich in der Bewerbung und dann in der Organisation engagiert haben. Plötzlich kommt diese Pandemie und macht einem alles kaputt. Aber: Ich bin dafür, dass man nun die Entscheidung fällt, die Olympischen Spiele zu verschieben, bis die Lage unter Kontrolle ist. Ich kann für mich sagen: Wäre ich noch aktiver Athlet, ich würde jetzt nicht zu Olympia fahren. Wir müssen das erst einmal alle zusammen in den Griff bekommen. Und eins wollte ich noch sagen.

Erich Kühnhackl: "Es geht wirklich um mehr als Sport"

Bitte.
Wer würde denn die Verantwortung übernehmen wollen, wenn man die Spiele jetzt im Sommer austrägt und dann infiziert sich einer und stirbt am Ende? Egal, ob das ein Athlet, ein Funktionär, ein Helfer, ein Zuschauer ist - das ist auch der Sport nicht wert. Und man muss sich ja nichts vormachen: Bei Olympischen Spielen fliegen die Leute aus der ganzen Welt ein. Man kann nicht alle kontrollieren, ob da einer infiziert ist. Solange das Virus nicht besiegt ist, bin ich dafür, dass die Olympischen Spiele nicht stattfinden. Ich weiß, wie schwer diese Entscheidung ist, aber ich denke, am Ende hat dafür jeder Athlet und Fan auch Verständnis. Es geht wirklich um mehr als Sport. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Menschen angesichts der Corona-Krise Lust hätten, sich Olympia anzuschauen. Wer würde dann sagen: "Ich setz mich jetzt aufs Sofa, mach den Fernseher an und schau Wettkämpfe", wenn man sonst nur Schreckensmeldungen hört.

"Die Einschränkungen tun uns allen weh, aber: Wenn der Mensch lernen muss, dann kann er es auch", sagt Erich Kühnhackl.

"Die Einschränkungen tun uns allen weh, aber: Wenn der Mensch lernen muss, dann kann er es auch", sagt Erich Kühnhackl.

Im Moment herrscht eine ganz komische Stimmung im Land.
Absolut. Ich hätte mir selber nicht denken können, dass ich so eine Situation mal erleben muss, es war für mich vollkommen unvorstellbar. Man sieht es ja an sich selber: Wenn man im Garten ist und den Nachbarn sieht, unterhält man sich plötzlich nicht mehr miteinander. Wenn man dann doch zum Einkaufen muss, versucht jeder dem anderen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Man sieht plötzlich die anderen Menschen fast als potenzielle Gefahr. Ich habe zum Beispiel gerade erst meinen Sohn Tom...

Erich Kühnhackl: "Es ist ein ganz komisches Gefühl"

Der in Nordamerika beim NHL-Team der New York Islanders spielt...
Genau, den habe ich vom Flughafen abgeholt. Es war wirklich gespenstisch. Dort, wo sonst die Leute nur so rumwuseln, war gähnende Leere. Und jeder, der auf einen Ankommenden gewartet hat, versucht zehn Meter Abstand zu den anderen zu halten. Wenn einer sich irgendwo hinstellt, gehen die anderen auf die andere Seite. Das ist ja auch alles richtig so, aber es ist ein ganz komisches Gefühl. Ich bin zumindest wahnsinnig froh und erleichtert, dass der Tom jetzt wieder hier in Deutschland ist. In so einer Situation ist das Allerwichtigste, dass man seine Lieben um sich hat. Aber ich bin auf der anderen Seite schon verstört, dass es bis zuletzt Leute gibt, die die Gefahr nicht erstnehmen, die sich enggedrängt bis zur Ausgangssperre in den Eisdielen rumgetrieben haben. Die Einschränkungen tun uns allen weh, aber: Wenn der Mensch lernen muss, dann kann er es auch. Jetzt ist die Zeit, dass wir alle lernen, alle Solidarität zeigen. Was die Ärzte, das Pflegepersonal und noch ganz viele andere Helden des Alltags zur Zeit leisten, das kann man nicht in Worte fassen. Da kann man nur aus tiefstem Herzen sagen: "Vergelt's Gott - und bleiben Sie gesund."