Überblick

Annalena & Gianni

AZ-Sportchef Matthias Kerber über die Wiederwahl von Gianni Infantino.


Von Matthias Kerber

Annalena Baerbock hat ja nicht nur die feministische, sondern auch die werteorientierte Außenpolitik ausgerufen. Eine Politik, die sich an der Moral orientiert, die sich nicht dem Credo, dass der Zweck die Mittel heiligt, dass der Mammon über allem steht und der Hardcore- und Heuschrecken-Kapitalismus die Krönung der gesellschaftlichen Schöpfung ist, unterwirft.

Den Gegenentwurf, die letzten Zuckungen des absolutistischen Patriarchats, verkörpert Gianni Infantino, der nun per Claquer-Akklamation, als Präsident des Weltverbandes Fifa wiedergewählt wurde. Der Schweizer, der sich gerne als Opfer, als Gutmensch zelebriert, steht für eine weitgehend werte-befreite - man kann auch sagen entwertete - Politik: Wer zahlt, schafft an. Wer Geld hat, hat Macht. Wer Macht hat, hat recht. Infantino stellt sich mit den Reichen und Mächtigen gut, er kuschelt genüsslich mit Regimen und Despoten, die nicht mal wissen, dass man Menschen und Rechte in einem Wort schreiben kann - und feiert sich für eine WM, die sich extrem weit vom Fan, den echten Freunden des Fußballs, entfernt hat. Bei der WM 2018 in Russland schüttelte er verklärten Blickes die Hände des heutigen Angriffskriegers Wladimir Putin, bei der WM 2022 in Katar verbot er politische Motive (OneLove-Binde) mit dem Argument, dass Sport und Politik kein Beziehungspotenzial hätten - und machte damit genau das: Politik.

Die Politik des Schweigens, des Stillhaltens. Die drei Affen - nichts hören, nichts sehen, nichts sagen - als außenpolitisches Leitmotiv. In seiner Sonnenkönig-Attitüde feiert sich Infantino sogar als vermeintlicher Friedensstifter und Völkerverbinder. Seine Amtszeit dauert bis 2027, die Wiederwahl bis 2031 ist wahrscheinlich. Überlange Alleinherrschaft, das hat er mit vielen seiner mächtigen und reichen Freunde gemein. . . Klar ist mit der Wiederwahl: Werte - politische oder sportimmanente - stehen nicht im Mittelpunkt. Der Fußball wird seinen Irrweg der Gigantomanie - immer mehr Turniere, immer mehr Teilnehmer - weitergehen und sich damit weiter sinn- und spaßentleeren. So lange der Ball rollt, ist in Infantinos Augen alles gut - denn rollt der Ball, rollt auch der Rubel.