Regensburg

Vergewaltigung erfunden: Mit dieser Geschichte wurde die Kripo fünf Wochen lahmgelegt


Seit Montag muss sich eine heute 24 Jahre alte Schülerin wegen Vortäuschens einer Straftat und Betrugs vor der Strafrichterin des Amtsgerichts Regensburg verantworten.

Seit Montag muss sich eine heute 24 Jahre alte Schülerin wegen Vortäuschens einer Straftat und Betrugs vor der Strafrichterin des Amtsgerichts Regensburg verantworten.

Von alf

Seit Montag muss sich eine heute 24 Jahre alte Schülerin wegen Vortäuschens einer Straftat und Betrugs vor der Strafrichterin des Amtsgerichts Regensburg verantworten. Die Vorwürfe sind mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht. Gleich zu Prozessbeginn lieferten sich die Verteidigerin und die Staatsanwältin einen stundenlangen Schlagabtausch, der jeden Drehbuchautor vor Neid erblassen lassen würde.

Die Geschichte, mit der die Angeklagte am 27. Juli 2014 bei der Polizei aufwartete, sorgte für überregionales Medieninteresse und verunsicherte die Bevölkerung. Gegen 2.45 Uhr war sie mit einem Bekannten in der Polizeiinspektion Regensburg-Süd aufgetaucht und behauptete, dass sie zu mitternächtlicher Stunde allein im Bereich der Lechstraße spazieren gegangen sei. Dort sei sie in ein Fahrzeug, in dem drei maskierte Männer saßen, gezogen und von einem der Männer auf dem Rücksitz vergewaltigt worden. Die vermeintlich Geschädigte wurde sofort an den Kriminaldauerdienst weitergeleitet.

Dort schilderte sie detailliert den Vorfall und behauptete, ihre Peiniger seien Rumänen gewesen. Von dem Trio sei sie völlig nackt auf die Straße gesetzt worden. Mit der gleichen Geschichte wartete sie beim "Weißen Ring" auf und ließ sich als Soforthilfe 400 Euro auszahlen. Da sie auch Verletzungen im Intimbereich hatte, wurde noch in der Nacht ein Presseaufruf nach dem Fahrzeug und den Tätern gestartet.

Bei ihr ging es "schnell zur Sache"

Wie die zuständige Sachbearbeiterin der Kripo als Zeugin berichtet, wurde bereits am darauffolgenden Tag eine sechsköpfige Sonderkommission gebildet, die von geschlossenen Abteilungen der uniformierten Polizei, Mantrailer-Hunden und einem Hubschrauber unterstützt wurde. Erste Zweifel, dass sich das Tatgeschehen so abgespielt hat, kamen den Ermittlern bei der Tatrekonstruktion, da das "so nicht funktionierte".

Sehr aufschlussreich war für die Ermittler die 1.396 Seiten umfassende Auswertung ihres Chatverhaltens in einem Datingportal. Hier offenbarte die Angeklagte, dass sie zahlreiche Männerbekanntschaften knüpfte, bei denen es "schnell zur Sache" ging. Als sie erfuhr, dass sich bei der Polizei ein Zeuge gemeldet hatte, dem sie "das hat so nicht stattgefunden" gebeichtet haben soll, beging sie einen vermeintlichen Suizidversuch. Die von ihr geschilderte tiefe Bewusstlosigkeit und die behauptete eingenommene Medikamentenmenge erweckten bei den Rettungssanitätern allerdings den Eindruck, dass sie simuliert. Immerhin hatte sie eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert.

"Ermittlungen können eingestellt werden"



Auch konnte sie, als die Polizei an ihrer Wohnungstüre klingelte, entgegen ihrer Behauptung gar nicht bewusstlos gewesen sein. Dennoch mussten die Beamten die Türe eintreten. Ausweislich ihres Handys hatte sie zu diesem Zeitpunkt mit einem Bekannten gechattet.

Erst nachdem die Staatsanwaltschaft die Verteidigerin der Angeklagten über die Zeugenaussage "das hat so nicht stattgefunden" informiert hatte, kam von dieser die Nachricht: "Die Ermittlungen können eingestellt werden". Da waren bereits fünf Wochen intensiver Ermittlungsarbeit ins Land gegangen.

Sofort nach Verlesen der Anklageschrift stellte Verteidigerin Claudia Schenk den Antrag, für die Dauer der Befragung ihrer Mandantin die Öffentlichkeit auszuschließen. Zur Begründung führte sie an, dass die Tat auf dramatische Erlebnisse in der Kindheit der Angeklagten durch den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater zurückzuführen sei. In Anwesenheit von Zuhörern könne sie ihren psychischen Zustand nicht schildern, sondern müsse - falls ihr Antrag abgelehnt wird - von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen. Diesem Antrag trat Staatsanwältin Christine Müller entschieden entgegen.

Interesse der Öffentlichkeit überwiegt

Die Angeklagte könne keine Bedingungen für ihre Einlassung stellen, zumal sie selbst nach der Anzeigenerstattung die Öffentlichkeit in den sozialen Netzwerken gesucht hat. Sie habe die Kripo fünf Wochen lang lahmgelegt, wodurch alles in allem das Interesse der Öffentlichkeit überwiegt. Auch gäbe es keine greifbaren Hinweise auf die behaupteten "dramatischen Erlebnisse". Dies seien alles nur ungeprüfte Behauptungen. Dem schloss sich die Strafrichterin an.

Dafür wurde sie - nach einstündiger Unterbrechung - von der Verteidigerin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Ihre Mandantin müsse ihren Gefühlszustand bei der Tatbegehung detailgenau schildern können. Durch die Ablehnung des Antrags auf Ausschluss der Öffentlichkeit würden sich Zweifel ergeben, ob die Richterin Interesse an diesen Details hat. Hierauf konterte die Staatsanwältin: "Wir sitzen hier nicht vor Gericht über Taten des Vaters". Es reichten diesbezüglich deshalb kurze Angaben aus. Nur weil der Verteidigerin die Entscheidung der Strafrichterin "unliebsam" ist, reiche dies für einen Befangenheitsantrag nicht aus. So sah es schließlich auch der Direktor des Amtsgerichts, der über diesen Antrag entscheiden musste.

Der im Anschluss gehörten psychologischen Sachverständigen hatte die Angeklagte "von einem grenzüberschreitenden Verhalten ihres Erzeugers" berichtet. Eine daraus resultierende schwere depressive Episode konnte sie aber nicht wenig feststellen. Allenfalls liege bei ihr eine Nuance einer Persönlichkeitsstörung vor. Nachdem die Verteidigerin mit weiteren fünf Beweisanträgen aufwartete, muss der Prozess fortgesetzt werden.