Erfahrungsbericht: "Wohnen für Hilfe"

Gassigehen und Gartenarbeit statt Miete zahlen


Elke Klasen (rechts) und Rita Hilmer vom Amt für Soziale Dienste in Straubing erklären, was "Wohnen für Hilfe" bedeutet.

Elke Klasen (rechts) und Rita Hilmer vom Amt für Soziale Dienste in Straubing erklären, was "Wohnen für Hilfe" bedeutet.

Eigentlich hört es sich sehr positiv an...: Jemand, der gerne mietfrei bei einer älteren Person leben möchte, bietet per Vertrag an, in seiner Freizeit dem Senior an die Hand zu gehen. Das Haustier ausführen, den Garten herrichten, Lebensmittel einkaufen, den Rentner, der den Führerschein abgegeben hat, zum Arzt fahren. Was bei Studenten in Hochschulstädten durchaus schon zu finden ist, das "Wohnen für Hilfe", ist in unserer Region noch eher unüblich. Wir haben Elke Klasen begleitet, die hinter dem Konzept steht und über ihre Erfahrungen berichtet. Gemeinsam mit Rita Hilmer vom Amt für Soziale Dienste in Straubing hat sie versucht, ihre Idee in die Tat umzusetzen.

Frührentnerin Elke Klasen ist Mitte 50 und wollte aus privaten Gründen in die Straubinger Gegend ziehen. Zwei Probleme ergaben sich da. Eine Frührentnerin muss auf den Cent schauen. Außerdem liebt Elke Klasen ihre beiden Hunde sehr. In eine Wohnung einzuziehen, in der Haustiere nicht erlaubt sind und die zwei kleinen Vierbeiner wegzugeben, kam nicht in Frage. Eine bezahlbare Wohnung mit einem Garten für die Tiere zum Tollen zu finden, war eine schwere Aufgabe.

Elke Klasen, die aus Hessen nach Bayern gezogen ist, hatte an ihrem früheren Wohnort erkannt, dass viele ältere Witwer und Witwen oft alleine in einem viel zu großen Haus leben, das sie nur schwer bewirtschaften können. "Außerdem ist da die Gefahr in die Einsamkeit abzurutschen, gerade, wenn die Senioren nicht mehr mobil sind," so Elke Klasen. Sie sieht das Wohnen für Hilfe als Win-Win-Situation für beide Parteien an. "Die Tochter einer Freundin ist zu einer blinden Frau gezogen. Das funktioniert prima," erklärt sie.

Anfrage an Zeitung geschickt

Elke Klasen wandte sich an Rita Hilmer vom Amt für Soziale Dienste in Straubing, die gemeinsam mit ihr einen Text verfasste und an die Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung schickte. In dem Beitrag erklärten die Beiden, was sie sich vorstellen unter "Wohnen für Hilfe" und suchten nach einem Rentner oder einer Rentnerin, der Elke Klasen sowie die beiden kleinen Hunde Lillie Pu und Gustav im Haus aufnimmt.

Das erwies sich als nicht allzu einfach. Ein Paar wollte eher ein Kindermädchen oder Au-Pair, das in der Familie mithilft. Nicht der eigentliche Sinn des Konzepts. Auch ein Angebot als "Haus-Sitter" während der Woche zu fungieren, lehnte Elke Klasen ab. Sie wollte Hilfe bieten und trotzdem ihre Eigenständigkeit bewahren.

Rechtlicher Hintergrund des Konzepts

Auch ein "Probeversuch" scheiterte, noch bevor der Vertrag unterschrieben war. Wo Menschen sind, menschelt es eben. Nicht jedes "Wohn-Paar" ist kompatibel. Das musste Elke Klasen erfahren. "Toleranz und eine klare räumliche Trennung sind unerlässlich," weiß sie nun.

Rita Hilmer, die Elke Klasen auch nach der Veröffentlichung des Suchtextes nicht aus den Augen verloren hat, hat sich auch in die rechtlichen Aspekte des Konzepts eingearbeitet. "Wie in einem Mietvertrag sollte auf jeden Fall geregelt sein, was die Parteien von einander erwarten und das ist weit mehr als die Übernahme eines Teils der Nebenkosten." Im Vertrag sollte auch klar festgelegt sein, wieviel Hilfe erwartet wird. Eine Faustregel, die in vielen Vordrucken auftaucht ist: Pro Quadratmeter überlassenem Platz eine Stunde Hilfe im Monat." Wie genau diese Hilfe aussehen soll, kann individuell vereinbart werden.

Genau festlegen, was erwartet wird

Auch wenn der Senior erwartet, dass man einen Teil der Freizeit miteinander verbringt, dann sollte das festgeschrieben werden. Gemeinsame Fernsehabende sollten von beiden Parteien gerne verbracht werden. Vorwürfe und Druck sind der Feind des Konzepts "Wohnen für Hilfe".

"Tabu sind Pflegetätigkeiten", erklärt Rita Hilmer. Ein Mitbewohner ist kein Pfleger und normalerweise nicht ausgebildet eine bettlägerige Person zu betreuen und zu versorgen oder sich um einen dementen Menschen zu kümmern. "Hier entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, das nicht sein sollte." Denn man müsse sich vor Augen führen, dass man keinen Arbeitsvertrag abschließt, sondern einen Vertrag in dem beide Parteien ihren Willen für das Konzept "Wohnen für Hilfe" ausdrücken, einen sogenannten Wohnraumüberlassungsvertrag.

Besser schriftlicher Vertrag

Zwar sei ein mündlicher Mietvertrag in Deutschland rechtens, nur die Kündigung müsse schriftlich erfolgen, trotzdem rät Rita Hilmer auf jeden Fall den Vertrag schwarz auf weiß abzuschließen. Nur so können Erwartungen fixiert werden. Auch eine Probezeit von vier Wochen ist auf Vordrucken aus dem Internet immer wieder zu finden.

Elke Klasen sieht den gescheiterten Versuch als Erfahrung an. Ein weiterer Versuch eine Anzeige bei E-Bay-Kleinanzeigen zu schalten, scheiterte kläglich. "Ich wurde sogar am Telefon belästigt. Viele Männer kapieren nicht, dass man wirklich ein "Wohnen für Hilfe" anstrebt und nichts anderes. Das Konzept ist wohl vielen einfach noch unbekannt.

Wunsch nicht aus den Augen verloren

Mittlerweile wohnt Elke Klasen in Straubing in einer Mietwohnung mit kleinem Garten mit ihren beiden Hunden. Ihre Vermieterin hat Verständnis für ihre Situation. "Natürlich muss ich mich jetzt wegen der Miete mehr einschränken. Das wollte ich eigentlich vermeiden.

Aus den Augen verloren hat Elke Klasen ihren Plan eines Tages für Hilfe im Haushalt bei einem Menschen zu Wohnen anstatt Miete zu bezahlen aber nicht. "Ich stehe immer noch voll hinter dem Konzept und würde es gerne nochmals versuchen, wenn sich die Gelegenheit ergibt," so die Frührentnerin.