Die rechten Rattenfänger

Ein Gespräch über die Tricks der Neonazis


Das Klischee von Springerstiefeln und Bomberjacken ist mittlerweile überholt - die führenden Köpfe der rechten Szene erkennt man kaum noch am Aussehen. (Foto: dpa)

Das Klischee von Springerstiefeln und Bomberjacken ist mittlerweile überholt - die führenden Köpfe der rechten Szene erkennt man kaum noch am Aussehen. (Foto: dpa)

Diese Geschichte, die sich vor zwei Wochen in Hauzenberg ereignet hat, macht einen sprachlos: Ein 31-jähriger Mann aus dem Kongo wird von zwei jungen Männern und einer Frau um Hilfe gebeten, weil ihr Auto nicht mehr anspringt. Der Mann hilft und schafft es, das Auto wieder zum Fahren zu bringen. Daraufhin zeigen die Männer den Hitlergruß und schlagen auf den Mann ein. Als das Opfer mit der Polizei droht, schleudert einer der beiden Täter eine Wodkaflasche auf seinen Kopf. Immer wieder kommt es auch bei uns zu solchen Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund. Anlässlich der internationalen Wochen gegen Rassismus, die noch bis Sonntag dauern, wollten wir uns ein Bild von der aktuellen Situation machen und sprachen mit Arno Speiser von der regionalen Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Weiden.

Herr Speiser, wie häufig sind Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund in Niederbayern und in der Oberpfalz?
Die offiziellen Zahlen der Polizei und des Verfassungsschutzes spiegeln die Realität nicht immer wider. Viele Übergriffe werden nicht gemeldet oder nicht als Übergriffe mit menschenfeindlichem Hintergrund bewertet. Fakt ist, dass seit dem Jahr 1990 in Deutschland insgesamt 182 Menschen durch rechtsextreme Gewalt gestorben sind.

Wie erkenne ich Neonazis - das Klischee von Springerstiefeln und Bomberjacken ist wahrscheinlich überholt...
Es gibt sie zwar noch, die Glatzen-, Springerstiefel- und Bomberjackentypen, aber die führenden Köpfe der rechtsextremen Szene erkennt man kaum noch an ihrem Aussehen oder der Kleidung. Erst in Gesprächen bemerkt man sehr subtil das rechtsextreme Weltbild. Solche Leute greifen sozialpolitische Themen wie Zeitarbeit, fairer Lohn oder die Asylpolitik auf und missbrauchen diese für ihre Ideologie.

Mit welchen Veranstaltungen oder Aktionen tritt die rechte Szene in der Öffentlichkeit auf?
Hier muss man zwischen den öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie Demonstrationen und internen Veranstaltungen unterscheiden. Es finden immer wieder Kameradschaftsabende, Ausflüge und rechtsextreme Konzerte statt, die neue Mitglieder anlocken und das innere Zusammengehörigkeitsgefühl stärken sollen. Hinzu kommen neue Betätigungsfelder, bei denen versucht wird, sich getarnt in zivilgesellschaftliche Strukturen einzuschleichen.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Als Beispiel kann hier der in Landshut gemeldete Verein Midgard genannt werden, der die vermeintliche Umweltzeitschrift "Umwelt und Aktiv" herausgibt. Nach dem Motto "Umweltschutz ist Heimatschutz" versuchen die Macher, sich in der Szene zu verankern.

Wie versuchen Neonazis, Jugendliche für ihr fremdenfeindliches Gedankengut zu gewinnen?
Hier nutzen sie unterschiedliche Methoden. Einen Zugriff erhalten sie immer wieder über die Musik. Sie verteilen Schulhof-CDs, veranstalten als Geburtstagsfeiern getarnte Konzerte oder versuchen, die Jugendlichen über das Internet zu ködern.

Wie groß ist der Einfluss von Musik, wenn Rechtsextremisten neue Mitglieder werben möchten?
Wie schon gesagt, dies ist ein Medium, mit dem sie Jugendliche ködern. Wenn man mit Aussteigern spricht, sagen sie häufig, dass sie über die Musik in die Szene gerutscht sind.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Diskussion über das geplante Konzert der Band "Frei.Wild" im April in Landshut?
Es gibt inzwischen viele Initiativen, Organisationen und Musiker, die sich gegen "Frei.Wild" engagieren. So sprangen bei einem Festival die Sponsoren ab, Bands wandten sich gegen eine Beteiligung von "Frei.Wild" an der Echo-Verleihung. Dies zeigt, dass die Band nicht so harmlos, so unpolitisch ist, wie sie es darstellt. Vielleicht sollten die Verantwortlichen in Landshut ihre Entscheidung nochmals überdenken und zum Beispiel auf die Schülerinitiative vor Ort hören, die sich gegen das Konzert ausspricht.

Wie empfinden Sie in dieser Diskussion die Reaktion der Band?
Ich finde sie erschreckend und entlarvend. Die Band begibt sich in eine Opferrolle und hetzt gegen Kritiker. Aber insgesamt ist vor allem eines wichtig und entscheidend: Die meisten Fans haben mit Rechtsextremismus nichts am Hut, deshalb müssen wir ihnen unsere Bedenken vermitteln.

Inwiefern werden das Internet und insbesondere soziale Netzwerke genutzt?
Zum einen laufen die interne Vernetzung und der Austausch über das Internet leider sehr gut und professionell. Auch der Handel mit Kleidung, Musik und sonstigen Utensilien läuft verstärkt über das Internet. In den sozialen Netzwerken gleicht der Außenauftritt eher einem Versteckspiel, um Jugendliche mit entsprechenden Slogans zu ködern. Ob dies die Ablehnung der Zeitarbeit, die Forderung der Todesstrafe für Kinderschänder oder der vermeintliche Einsatz für den Tierschutz ist, zeigt dies doch ein Muster. Hinter den populären Themen verbergen sich rechtsextreme Zielsetzungen, die man zunächst erst einmal gar nicht erkennt.

Wie läuft denn die Kommunikation auf rechtsextremen Seiten ab?
Auf den rechtsextremen Seiten wird offen gegen Minderheiten oder gegen das System gehetzt. Es wird deutlich, wie sehr die Rechtsextremen unsere Demokratie und unsere Verfassung ablehnen.