Landwirtschaft

Regens BBV-Kreisobmann: "Wir füllen die Teller - nicht Aldi oder Lidl"

Krieg, Klimawandel und Ansehen in der Gesellschaft: Landwirte haben es aktuell nicht leicht. BBV-Kreisobmann Roland Graf über Herausforderungen und Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft.


Drei Generationen: Florian (v.l.), Simon und BBV-Kreisobmann Roland Graf. Die gesamte Familie hilft bei der Bewirtschaftung des bäuerlichen Familienbetriebes mit. Enkel Simon weiß noch nichts von seinem Glück.

Drei Generationen: Florian (v.l.), Simon und BBV-Kreisobmann Roland Graf. Die gesamte Familie hilft bei der Bewirtschaftung des bäuerlichen Familienbetriebes mit. Enkel Simon weiß noch nichts von seinem Glück.

Von Redaktion Viechtach

Roland Graf ist seit 2012 Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Regen. Er vertritt die Interessen der bäuerlichen Familien auf Kreisebene. Im Interview äußert er sich zur aktuellen Lage im Landkreis Regen.

Wie steht die Landwirtschaft nach der Corona-Pandemie und Ukraine-Krise mit enormen Preissteigerungen da? Was hat sich verändert?

Roland Graf: In den Krisenzeiten ist ein Prozess des Umdenkens in der Bevölkerung in Gang gekommen. Plötzlich hat man erkannt, wie wichtig eine regionale Versorgung mit frischen Lebensmitteln ist. Die Direktvermarktung erlebte einen wahren Boom, viele regionale Produkte fanden plötzlich reißenden Absatz. Die Wertschätzung unserer Arbeit hat uns Bauern und Bäuerinnen nach vielen Jahren der Kritik gutgetan. Leider hat sich der positive Trend nicht auf Dauer halten können. Mittlerweile ist das Thema Ernährungssicherheit und regionale Versorgung nicht mehr so präsent in den Köpfen. Die Leute vergessen schnell, wenn die Zeiten wieder besser werden.

"Wenn die Tierhalter aufgeben, wer soll dann die kleinen Flächen mähen?"

Was bewegt die Landwirte aktuell im Landkreis Regen?

Graf: Aufgrund mehrerer trockener Jahre hintereinander sind der Wald und insbesondere die Fichten geschwächt. Der Borkenkäfer kann sich explosionsartig vermehren und man sieht vielerorts braune Nester im Wald. Die Fichte als "Brotbaum" bricht weg, der Wald als "Sparkasse" für die landwirtschaftlichen Betriebe verliert an Wert. Aktuell macht unseren Landwirten auch zu schaffen, dass die Molkereien ihre Milchpreise deutlich gesenkt haben - die Erzeugerkosten sind jedoch gleichgeblieben. Der Lebensmitteleinzelhandel und die großen Lebensmittelkonzerne schöpfen wie so oft den Gewinn ab. In unserer Region, wo Milchvieh- und Grünlandwirtschaft vorherrschen, bedeutet das oft enorme Einbußen.

Welche Aufgaben kommen zukünftig auf die Landwirte in der Region zu?

Graf: Bei uns gibt's viele kleine und mittlere Betriebe, viele im Nebenerwerb - oft mit Anbindehaltung. Diese gilt es, zukünftig umzubauen. Doch die Auflagen steigen ständig. Wer heute einen Milchviehstall baut, muss ihn in der Regel 20 bis 25 Jahre bewirtschaften, bis er sich abbezahlt hat. Doch können die heutigen, geltenden Tierwohlstandards dann überhaupt noch eingehalten werden? Hier fehlt es an Planungssicherheit. Wenn Tierhalter aufgeben, wer soll dann die kleinen Flächen, wie wir sie im Landkreis haben, mähen? Wer erhält die Kulturlandschaft? Wir haben bei uns keine Massentierhaltung, sondern familiengeführte Betriebe und kleine Strukturen. Gerade in Hinblick auf die Ernährungssicherheit ist der Erhalt von möglichst vielen milch- und fleischerzeugenden Betrieben immens wichtig. Eine große Herausforderung stellt auch die Rückkehr von Wolf, Luchs, Fischotter und Co. dar. Der Schutz unserer Nutztiere wird immer schwieriger und ist mit großem Aufwand verbunden. Es muss jedoch zukünftig möglich sein, unsere Tiere auf der Weide zu halten, so wie sich das der Verbraucher wünscht. Insbesondere Kinder und Feriengäste sollen auch zukünftig noch durch den Wald gehen können, ohne Angst haben zu müssen.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Branche aus?

Graf: Der Klimawandel mit Hitze und Trockenheit ist bei uns angekommen, wenn auch nicht so extrem wie beispielsweise in Franken. Deshalb wird auch dem Umbau des Waldes in klimaresistente Mischwälder zukünftig eine große Bedeutung zukommen.

"Mittlerweile hat man uns auch in München verstanden"

Was hat Sie in Ihrer Arbeit als BBV-Kreisobmann in letzter Zeit besonders gefreut?

Graf: Ab dem Jahr 2019 erfolgte nach EU-Recht eine Umverteilung der Ausgleichszulage innerhalb Deutschlands. Die Ausgleichszulage ist ein Ausgleich für benachteiligtes Gebiet mit ungünstigen, natürlichen Standortbedingungen, sprich schlechte Böden, ungünstige Klimaverhältnisse und so weiter. Die Bayerwaldlandkreise Regen und Freyung-Grafenau mussten hier drastische Kürzungen hinnehmen, speziell die Grünlandbetriebe. Wir waren die Verlierer - ohne dass wir das Defizit durch andere Förderprogramme ausgleichen konnten. Mittlerweile hat man uns jetzt auch in München verstanden. Es gab kürzlich ein Gespräch mit Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in Bodenmais. Wir suchen händeringend nach Ideen und Möglichkeiten, um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Ich bin positiv gestimmt, dass wir hier eine Lösung für die Zukunft finden.

"Mir ist wichtig, dass die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt wird"

Welche Schwerpunkte haben Sie sich als BBV-Kreisobmann für die nächsten Jahre gesetzt?

Graf: Kritik von außen, zunehmende Bürokratie, ein hohes Arbeitspensum mit oft zwölf bis 14 Arbeitsstunden täglich und ständige Verfügbarkeit bringt viele Landwirte an die Grenze der körperlichen und geistigen Belastbarkeit. Burnout und Suizid sind in der Landwirtschaft in unserer Region nicht mehr selten. Mir ist wichtig, dass die Landwirtschaft wieder in die Mitte der Gesellschaft gerückt wird. Die Bevölkerung soll mit der Landwirtschaft wieder mehr in Kontakt treten, ihr Handeln verstehen und ihr die nötige Wertschätzung zukommen lassen. Wir sind dafür ausgebildet und wir leben dafür, mit unserer täglichen Arbeit die Versorgung mit frischen Lebensmitteln sicherzustellen. Wir füllen die Teller - nicht Aldi oder Lidl!

Sie sind selbst Vater von zwei Söhnen und inzwischen mehrfacher Opa. Wie stellen Sie sich die Landwirtschaft in 20 Jahren vor?

Graf: Solange gegessen und getrunken wird, hat die Landwirtschaft Zukunft. Jede Generation hat ihre Herausforderungen. Es hat sich unglaublich viel verändert, wenn man auf die letzten 50 Jahre zurückschaut. Zukünftig werden sich mit der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz interessante Neuerungen ergeben. Zum Beispiel tragen Melkroboter, Satellitennavigation oder Einsatz von Drohnen bei der Wildtierrettung heute schon zu einer nachhaltigeren Produktion von Lebensmitteln bei. Aber wenn Sie es genau wissen wollen, dann müssen Sie schon meinen Enkel in 20 Jahren fragen.

Beim Pichelsteinerfest ist am 1. August der Tag der Land- und Forstwirtschaft mit BBV-Präsident Günther Felßner. Das Thema lautet: vielseitig. Kreativ. Innovativ. Bauernfamilien gestalten Zukunft. Was bedeutet dieser Tag für Sie?

Graf: Der Tag der Land- und Forstwirtschaft ist unser Tag. Diese Tradition wollen wir leben und pflegen. Wir wollen uns Zeit nehmen, uns auszutauschen und eine Mass Bier zu trinken. Ich freue mich, wenn auch viele Verbraucher diesen Festtag besuchen, um sich über unsere Landwirtschaft im Bayerischen Wald zu informieren.