Biber

Zwischen Ärger und Bewunderung

Ein Biber fällt Weiden in der Laga, ein anderer stibitzt Obstbäume aus Ittlinger Gärten


Wer sich das Biberwerk in der Laga aus der Nähe ansehen will, muss schneller laufen können als das Schwanenweibchen, das argwöhn

Wer sich das Biberwerk in der Laga aus der Nähe ansehen will, muss schneller laufen können als das Schwanenweibchen, das argwöhnisch ihr Nest behütet.

Im Frühling blüht die Stadt auf, die Natur wird rege. Sonne und frisches Grün genießt man am besten am Wasser, das wissen sowohl Spaziergänger in der Laga als auch Gartenbesitzer an der Aitrach. Einer trübt aber für viele das Idyll: der Biber. Weil Tierschutz und EU ihre Hand schützend über den nachtaktiven Umtreiber halten, muss man sich an Aitrach und Eis-Weiher entscheiden: Opfert man Obstbäume und majestätische Weiden dem Nager – oder entzaubert man das Idyll am plätschernden Nass eigenhändig mit Zäunen und Drahtverschlägen.

Man glaubt Alfred Rohrmeier sofort, wenn er von sich sagt, er sei nicht der Typ, der gleich zu schreien anfängt. „Aber natürlich war ich grantig, als von meinem Birnbaum nur noch der Stumpf stand“, seufzt er. Vor zwei Jahren verlor der Bauer einen Nussbaum, vergangenen Herbst musste dann ein Apfelbaum dran glauben, ein Pfirsichbaum steht gerade noch so. Wie ein Phantom kam der Übeltäter stets ungesehen in der Nacht und machte sich über die Obstbäume an der Aitrach her. Jüngstes Opfer: der Birnbaum.

Eines Morgens hätten die Zweige rund um den Stamm gefehlt. Rohrmeier brachte einen Draht an, um den Baum zu schützen – tags darauf war der Schutz hochgeschoben, der nächtliche Eindringling fraß sich einfach unten durch und stürzte den Birnbaum um. „Da war ich stocksauer“, denkt Rohrmeier zurück.

„Wenn der Biber kommt, ist das höhere Gewalt“

Für seine Wiese zwischen den parallel fließenden Leinbach und Aitrach erhält er Subventionen von Bayern und Brüssel – drei Cent pro Quadratmeter dafür, dass er die Fläche nicht düngt oder spritzt: „Regelmäßig vermisst ein Satellit jeden Quadratmeter Wiese und Feld – pflanzt man einen Baum im Acker, gibt’s per Post einen Rüffel.“ Für die Zuschüsse sitzt er sonntags manchmal stundenlang an Formularen und Anträgen, damit alles dokumentiert ist und seine Ordnung hat. Ganz sieht er nicht ein, warum zwar menschliche Eingriffe in die Umwelt so minuziös geregelt werden, aber „wenn der Herr Biber kommt, ist das höhere Gewalt“. Als Landwirt steht er von Beruf und Gefühl her der Natur nahe: „Ich habe nichts gegen die Tiere, ich hätte sie gern hier. Aber in so dicht besiedelten Wohngebieten hat der Biber einfach keinen Platz, das muss man verstehen“, sagt er fast mit Bedauern – die klugen Tiere faszinieren ihn und seine Frau Irmgard doch. „Das ist schon Wahnsinn, wie der die Äste verkeilt und den Bach aufstaut“, schwärmt sie. „Man sollte meinen, Wasser findet immer einen Weg – aber der schafft’s!“.

Von Rohrmeiers Hof bis zur SR 12 lässt sich die Spur des Bibers anhand von rindenlosen Ästen, umgenagten Bäumen und unterhöhlten Uferstellen verfolgen, unweit der Straße hatte der breitschwänzige Unruhestifter zeitweise einen beeindruckenden Damm errichtet. Wer diesen Anfang des Jahres schlussendlich weggerissen hat, ist nicht klar. Als Leiter der Flussmeisterstelle ist Michael Feldmeier dafür zuständig, weiß aber nichts Genaues: „Wir entfernen in Absprache mit dem Naturschutz ständig Dämme, das begleitet uns laufend und macht viel Arbeit.“ Auch Michael Krinner vom Umweltamt hat den Damm dunkel in Erinnerung, kann aber nichts darüber sagen, wer ihn entfernt hat.

Im Umweltamt weiß man dafür mehr über den Artgenossen des Ittlinger Nagers auf dem Laga-Gelände: Dort hat sich ein Biber im Eis-Weiher eingerichtet, wo er an den Resten der Idylle hinter dem Eisstadion nagt. Hier bricht er nicht in Gärten ein, sondern fällte bislang zwei stattliche Bäume und nagte an einer fast 30-jährigen Weide. Jürgen Englisch, Krinners Kollege beim Umweltamt, berichtet davon, dass der pelzige Baumeister den Moosgraben schon gestaut habe und so den Pegel des Eis-Weihers immer weiter ansteigen ließ. „Den Damm haben wir dann entfernt“, sagt Englisch. „Wir haben die größeren Bäume mit Drahthosen geschützt und werden weiter beobachten, ob Gefahrensituationen für Besucher entstehen. Oberste Priorität hat Schadensprävention. Dann würden wir uns Konzepte überlegen.“

Was bei Englisch „Konzepte“ heißt, nennt Krinner „Zugriff“ und ist ein schöneres Wort für „erschießen“, wie er auf Nachfrage erklärt. „Natürlich versteht man das, wenn die Anwohner verärgert sind“, versichert Krinner. „Aber Ärger reicht nicht als Begründung, um gegen eine geschützte Tierart vorzugehen.“ Das sei auch keine politische Frage, sondern mittels EU-Richtlinie geregelt, erklärt er. Hoffnung auf finanziellen Ersatz kann Krinner den Gartenbesitzern an Aitrach und Leinbach auch nicht machen: „Der Entschädigungsfonds des Freistaats greift nur bei betrieblichem Schaden, es hätte sich also zum Beispiel um eine gewerbliche Obstplantage handeln müssen.“ Zweimal habe man Problembiber bisher entnommen, wie eine andere blumige Formulierung für den Abschuss lautet – sie hörten nicht auf, Straßen und Deiche zu unterhöhlen, erzählt Krinner. Beim Ittlinger Biber sieht er aber die Anwohner in der Pflicht: „Da muss man halt zum Bach hin einen Zaun aufstellen, notfalls einen Elektro-Zaun.“

Die Anwohner sind angefressen

Alfred Rohrmeier berichtet davon, dass dem Biber zwei Nächte reichen, um im Bach vor seiner Wiese einen Damm zu errichten. Ginge man den Weg über die Behörden, müsste alle drei, vier Tage die Mannschaft der Flussmeisterstelle anrücken, um den Damm zu inspizieren und zu entfernen – wie lange da ein Zaun in der nassen Erde am Ufer halten würde, kann man sich denken. Das naturnahe Idyll an der sanft plätschernden Aitrach gar mit einem Elektrozaun durchziehen – da macht Rohrmeier nicht mit. „Wenn der Biber jetzt im Frühling wieder kommen sollte, dann schließe ich mich mit den Nachbarn zusammen und stelle bei der Unteren Naturschutzbehörde einen Antrag auf Entfernung.“

Obwohl Naturschützer und EU ihre Hand über den Störpelz halten, zeigen sich auch Vertreter der Grünen bürgernah: „Unter Umständen muss man einen Biber im Stadtgebiet entnehmen, wenn er stört“, sagt Rosi Steinberger, MdL und Sprecherin der bayerischen Grünen für Tierschutz. Den Konflikt zwischen Tierschutz und dem Eigentum der Anwohner könne man nicht leugnen. Daher dürfe man nicht fundamentalistisch argumentieren und die Leute gegeneinander aufbringen: „Der Biber muss ohne Beeinträchtigung durch den Menschen leben können – aber andersrum gilt das natürlich genauso.“