Gäubodenvolksfest Straubing

Immer fescher: Mehr Stilsicherheit bei der Tracht


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Turnschuhe mit Tracht - das geht gar nicht, findet unser Kolumnist.

Ist es nicht faszinierend? Wie plötzlich, von einem Tag auf den anderen, alle Dirndl und Lederhosen wieder weg sind? Wer in dieser Woche ab Dienstag, aus welchem Grunde auch immer, noch mit einer Lederhose unterwegs war, hat unter Garantie Sprüche wie diese gehört: „Ah, a Überbliebener!“ Oder: „Do hod wer an Schuss no ned ghört!“ Oder der Klassiker: „He! Unt hams fei scho obbaut!“ Urplötzlich, von einem Moment auf den anderen, findet man seltsam, was man gerade noch selber begeistert getragen hat. Ist das nicht seltsam?

Vermutlich gibt es keine Stadt auf der Welt, die eine so hohe Trachtengeschäft-Dichte hat wie die unsere. Sie heißen „Welt der Tracht“ oder „Trachtenpracht“, irgendetwas mit Alm, Heimat oder Stadl; manche, meist die alteingesessenen, tragen noch richtige Eigentümer-Namen wie Pöllinger oder Markgraf. Insgesamt sind es wohl an die 30 Geschäfte, die in Straubing Trachten verkaufen, im Osten, Süden, Westen und vor allem im Zentrum, und nur im Norden ist keines; doch ich vermute, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Auto Seubert auch eine Trachtenabteilung hat.

Es gibt bei uns mehr Trachtenläden als in Landshut, Passau und Regensburg miteinander. Manche machen in diesen Tagen wieder zu wie das Trachten-Outlet im Gäubodenpark. Dort entsteht ab September eine Kinderbetreuung, aber nur bis Ende April, denn ab Mai kommt das Trachten-Outlet wieder. Das ist der ewige Straubinger Kreislauf, und daran lässt sich ermessen, wie unglaublich ausgabebereit Straubing beim Thema Volksfest ist. Alles schmeißt sich in Tracht für elf Tage, und ab dem zwölften, wie von Zauberhand, ist die Tracht wieder weg. Schade, eigentlich. Weil die Straubinger immer stilsicherer bei der Tracht werden.

Überraschung: Männer mit Stilgefühl

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Danke, nein: Turnschuhe zur Lederhose.

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als praktisch niemand in Tracht unterwegs war? Man ist in Jeans oder Cordhose aufs Fest. Aber auf kein richtiges Fest sollte man in Jeans oder Cordhose gehen, deshalb war das mit der Tracht gut. Wobei es diese ganz schlimme Phase gegeben hat: die Damen in diesen Blingbling-Dirndln und diesen Carmen- und Walt-Disney-Schneewittchen-Blusen, die für die Augen eine schlimme Herausforderung waren. Und die Männer haben immer diese rot-weiß karierten Hemden getragen, die auch echt schlimm sind. Diese Zeit der Geschmacksverirrung geht nun zu Ende.

„2019“, sagt Alexandra Göldner von Trachten Lisa, „waren ganz viele wirklich gut Angezogene unterwegs“, und das ist sehr richtig beobachtet. Man hat wieder mehr echte Dirndl gesehen, und vor allem deutlich weniger dieser karierten Hemden. Rot-weiß karierte Hemden waren immer für mich mit Alm-Touristen aus Bielefeld verbunden, und natürlich mit Franken; wahrscheinlich wegen dem Erwin Pelzig, der tritt ja immer so auf.
Vergangenes Jahr zum Beispiel, im Festzelt Wenisch: Eine Herrengruppe nimmt Platz, alle rot-weiß kariert und mit Lederhosen im Tchibo-Oktoberfest-Stil. „Amis“, hat ein Freund gesagt, der ein weltläufiger Musiker ist. „Nein, Franken“, habe ich gesagt. „Amis“, hat er beharrt. Ich also hin: „Servus, ihr seids aus Franken, gell?“, frage ich höflich. „Sorry, we don’t speak German“, war die Antwort, „we’re from the United States.“ Seither weiß ich: In Bayern ist es nur noch Pelzig, der rot-weiße Hemden trägt, und der ist Kabarettist. Gut, ein paar andere auch noch. Doch sie werden weniger. Die Zahl der Männer, die beim Hemd Stilgefühl entwickelt, nimmt zu.

„Ein Maßkrug vom Knöchel wär richtig“

Und das ist ja auch gar nicht so schwer: „Entweder ein längs gestreiftes Hemd oder ein weißes, wie es früher an Sonn- und Festtagen üblich war“, sagen Ursula Kirschner und Sepp Hofbauer, die nun wirklich etwas von bayerischer und niederbayerischer Kleidung verstehen, weil sie beim Trachtenverein Immergrün sind. „Damit“, sagen sie, „liegt man immer richtig.“ Persönlich plädiere ich für weißes Hemd, eben weil das an Sonn- und Festtagen üblich war, und unser Volksfest besteht aus Festtagen, und zwar aus elf. Meine Theorie übrigens, warum die Zahl dieser Hemden zugenommen hat, ist diese: Es liegt an den Oberbayern.

Es war ja ein Rekord-Volksfest 2019, mit Rekordbesuch. Ich bin sicher, dass auch sehr viele Oberbayern an diesem Rekord beteiligt waren, und Oberbayern sind unglaublich stilsicher bei der Tracht. „Wir waren einmal“, hat mir am letzten Montag eine Dame im Weckmann erzählt, „auf eine Hochzeit in Traunstein eingeladen. Wir ham gedacht, mia san fesch beinander. Aber im Vergleich war des ärmlich.“ In Oberbayern tragen die Damen Dirndl aus Seide, und sie wissen, was die ideale Rocklänge ist: „Die 70er-Länge“, sagt Ursula Kirschner, „übers Knie bis zum Wadl: ein Maßkrug vom Knöchel weg wär genau die richtige Länge.“ Und auch sie sagt grundsätzlich über die Oberbayern: „Die san da anders eingstellt als die Niederbayern.“ Ein Oberbayer würde nie eine kurze Lederhose anziehen mit Gürtel statt Hosenträger, und ohne Hut geht er gar nicht weg. Die Oberbayern auf dem Volksfest machen vor, wie fesch eine Tracht ist, und rot-weiße Hemden gehen da gar nicht. Auch der Niederbayer begreift das allmählich. Karierte Hemden sind out. Grün-weiße auch.

... und leider auch Niederbayern

Die Ursula Kirschner und der Sepp Hofbauer sind keine ultra-orthodoxen Trachtler. „Tracht“, sagt der Sepp, „ist ja auch immer der Mode unterlegen. Es war ja nie so, dass das immer gleich war.“ Sie wissen, dass ihre offizielle Gäubodentracht nur eine ganz bestimmte Epoche darstellt und ein modernes Trachtengewand anders ist. Deshalb haben sie zu offiziellen Anlässen zwar eine Gäuboden-Tracht aus einer bestimmten Zeit, aber ansonsten auch modernere Trachtengewänder. Aber einige Kennzeichen sind gleich: weißes Hemd, nie T- oder Polo-Shirt, die richtige Rocklänge, der richtige Stoff und keine Carmen-Bluse.

Wo allerdings ganz bestimmt noch ein echtes Geschäft zu machen wäre für all die vielen Trachtengeschäfte, das wäre im Schuhbereich. Da schaut es nach wie vor schlimm aus, und grad bei den Männern. Haufenweise laufen sie umeinander mit zum Teil schönen und garantiert auch sündteuren Lederhosen, sogar das Hemd passt, und wenn der Blick abwärts gleitet, ist man echt am Boden: Adidas, Nike, Salomon, Asics oder irgendeine Eigenmarke: Sneakers halt, Turnschuh’. Es könnten Franken sein oder Oberpfälzer oder Gäste aus Hessen, den USA oder Thüringen. Oder eben leider auch Niederbayern. Man weiß es nicht. Man weiß nur eines: Oberbayern sind das garantiert nicht, und Österreicher auch nicht.
Vorne geht ein junges Paar, und beide sind gut angezogen, sogar die Schuhe stimmen bei ihm. „Servus, darf ich ein Foto machen von euch?“, frage ich. Sie lachen und stimmen zu. Es sind der Marco und seine Frau Caro. Genau ein Jahr vor diesem Foto haben sie geheiratet, sagen sie, und natürlich in Tracht, wobei sich die Caro gleich beeilt, zu versichern, dass das Dirndl von heute „natürlich nicht“ ihr Hochzeitsdirndl war.

Zwei stilsichere Straubinger

Und wie viele Dirndl hat sie überhaupt? „Mei“, lacht sie, „mehr als wia ’s Volksfest Tage hat!“ Und woher kommen die zwei? Aus Straubing! Und trotzdem stilsicher bis in die Schuhe. Das ist doch schön. Manche sagen ja, „gehst wieder Maschkera?“, wenn man in Tracht auf das Volksfest geht. Aber es ist eben nicht Maschkera. Maschkera wäre, wenn man sich anzieht wie ein Mexikaner, ohne einer zu sein, oder wenn man ein Trachtengewand anzieht, das gar keines ist, weil man sich damit zum Seppl macht. Diese Augenkrebs-Dirndl zum Beispiel, mit ihren grellen Farbkombinationen, die kein Mensch erträgt, weil das geschmackloser Kitsch ist und so viel mit Tracht zu tun hat wie ein Sushi-Burger mit Japan.
Eine stimmige Tracht kommt aus der Tradition des Landes, aus dem man selber kommt. Es ist, wenn es stimmig ist, ein Festgewand zu einem Fest, das zur Tradition dieser Stadt und dieses Landes gehört, und dieses Festgewand muss nicht zwingend 19. Jahrhundert bedeuten. Es ist interessant, dass es inzwischen viele Gelegenheiten gibt, zu denen man Tracht trägt. Da sind einerseits die Bockbierfeste, aber andererseits auch seriöse Anlässe wie Kommunion oder Meisterfeiern, bei denen zunehmend Tracht getragen wird.

„Ganz viele Hochzeiten“, sagt Alexandra Göldner von Trachten Lisa, „sind inzwischen in Tracht, und am ersten und letzten Schultag tragen jetzt auch viele Tracht. Es wird immer mehr.“ Der Umsatz ist in ihrem Geschäft auch heuer wieder gestiegen, zu ihrer eigenen Überraschung, wie sie selber sagt, obwohl die Konkurrenz mit jedem Jahr mehr wird. „Mit der Tracht“, sagt Ursula Kirschner mit Recht, „kannst du überall hingehen. Das schaut immer gut aus.“

Ebay-Angebote verderben den Geschmack

Dumm ist halt nur, dass es auch diese ganzen Tchibo- und ebay-Angebote gibt. Die verderben den Geschmack, so wie künstliche Aromen den Geschmackssinn verderben. Man kann zum Beispiel bei ebay Folgendes erwerben: „Trachtenset, 6-tlg, Lederhose mit Träger, Schuhe, Hemd, Socken, neu mit Etikett“, für den unglaublich günstigen Preis von 69 Euro, und sogar ein Ledertascherl fürs Handy ist mit dabei. Das Hemd ist, Sie ahnen es, natürlich kariert. Und es gibt immer noch Menschen, die so etwas tatsächlich für Tracht halten und tragen.
„14 verkauft in den letzten 24 Stunden“, sagt ebay, und ein paar tausend schon insgesamt. Es wird noch viel mehr werden in nächster Zeit, denn die eigentliche Zielgruppe dieser Angebote ist das weltweite Oktoberfest-Publikum. Aber es ist zu befürchten, da sind auch Niederbayern darunter. Denn auch Alexandra Göldner muss zugeben: „Im Vergleich mit Oberbayern oder Österreich gibt es bei uns eine Grauzone.“
Diese Grauzone ist das leider noch etwas unterentwickelte Stil-Gefühl bei der Tracht. Wir sind eben, trotz einiger Besserung und zahlreicher anderer Qualitäten, in Niederbayern doch noch ein bisserl hinter dem Mond, aber immerhin auf recht gutem Wege.

Dieser Artikel erschien erstmals am 24. August 2019 im Straubinger Tagblatt.

Ist es nicht faszinierend? Wie plötzlich, von einem Tag auf den anderen, alle Dirndl und Lederhosen wieder weg sind? Wer in der Woche nach dem Volksfest, aus welchem Grunde auch immer, noch mit einer Lederhose unterwegs ist, hört unter Garantie Sprüche wie diese: „Ah, a Überbliebener!“ Oder: „Do hod wer an Schuss no ned ghört!“ Oder der Klassiker: „He! Unt hams fei scho obbaut!“ Urplötzlich, von einem Moment auf den anderen, findet man seltsam, was man gerade noch selber begeistert getragen hat. Ist das nicht seltsam?

Vermutlich gibt es keine Stadt auf der Welt, die eine so hohe Trachtengeschäft-Dichte hat wie die unsere. Sie heißen „Welt der Tracht“ oder „Trachtenpracht“, irgendetwas mit Alm, Heimat oder Stadl; manche, meist die alteingesessenen, tragen noch richtige Eigentümer-Namen wie Pöllinger oder Markgraf. Insgesamt sind es wohl an die 30 Geschäfte, die in Straubing Trachten verkaufen, im Osten, Süden, Westen und vor allem im Zentrum, und nur im Norden ist keines; doch ich vermute, es ist nur eine Frage der Zeit, bis Auto Seubert auch eine Trachtenabteilung hat.

Es gibt bei uns mehr Trachtenläden als in Landshut, Passau und Regensburg miteinander. Manche machen in diesen Tagen wieder zu wie das Trachten-Outlet im Gäubodenpark. Dort entsteht ab September eine Kinderbetreuung, aber nur bis Ende April, denn ab Mai kommt das Trachten-Outlet wieder. Das ist der ewige Straubinger Kreislauf, und daran lässt sich ermessen, wie unglaublich ausgabebereit Straubing beim Thema Volksfest ist. Alles schmeißt sich in Tracht für elf Tage, und ab dem zwölften, wie von Zauberhand, ist die Tracht wieder weg. Schade, eigentlich. Weil die Straubinger immer stilsicherer bei der Tracht werden.

Überraschung: Männer mit Stilgefühl

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als praktisch niemand in Tracht unterwegs war? Man ist in Jeans oder Cordhose aufs Fest. Aber auf kein richtiges Fest sollte man in Jeans oder Cordhose gehen, deshalb war das mit der Tracht gut. Wobei es diese ganz schlimme Phase gegeben hat: die Damen in diesen Blingbling-Dirndln und diesen Carmen- und Walt-Disney-Schneewittchen-Blusen, die für die Augen eine schlimme Herausforderung waren. Und die Männer haben immer diese rot-weiß karierten Hemden getragen, die auch echt schlimm sind. Diese Zeit der Geschmacksverirrung geht nun zu Ende.

„2019“, sagt Alexandra Göldner von Trachten Lisa, „waren ganz viele wirklich gut Angezogene unterwegs“, und das ist sehr richtig beobachtet. Man hat wieder mehr echte Dirndl gesehen, und vor allem deutlich weniger dieser karierten Hemden. Rot-weiß karierte Hemden waren immer für mich mit Alm-Touristen aus Bielefeld verbunden, und natürlich mit Franken; wahrscheinlich wegen dem Erwin Pelzig, der tritt ja immer so auf.
Vergangenes Jahr zum Beispiel, im Festzelt Wenisch: Eine Herrengruppe nimmt Platz, alle rot-weiß kariert und mit Lederhosen im Tchibo-Oktoberfest-Stil. „Amis“, hat ein Freund gesagt, der ein weltläufiger Musiker ist. „Nein, Franken“, habe ich gesagt. „Amis“, hat er beharrt. Ich also hin: „Servus, ihr seids aus Franken, gell?“, frage ich höflich. „Sorry, we don’t speak German“, war die Antwort, „we’re from the United States.“ Seither weiß ich: In Bayern ist es nur noch Pelzig, der rot-weiße Hemden trägt, und der ist Kabarettist. Gut, ein paar andere auch noch. Doch sie werden weniger. Die Zahl der Männer, die beim Hemd Stilgefühl entwickelt, nimmt zu.

„Ein Maßkrug vom Knöchel wär richtig“

Und das ist ja auch gar nicht so schwer: „Entweder ein längs gestreiftes Hemd oder ein weißes, wie es früher an Sonn- und Festtagen üblich war“, sagen Ursula Kirschner und Sepp Hofbauer, die nun wirklich etwas von bayerischer und niederbayerischer Kleidung verstehen, weil sie beim Trachtenverein Immergrün sind. „Damit“, sagen sie, „liegt man immer richtig.“ Persönlich plädiere ich für weißes Hemd, eben weil das an Sonn- und Festtagen üblich war, und unser Volksfest besteht aus Festtagen, und zwar aus elf. Meine Theorie übrigens, warum die Zahl dieser Hemden zugenommen hat, ist diese: Es liegt an den Oberbayern.

Es war ja ein Rekord-Volksfest 2019, mit Rekordbesuch. Ich bin sicher, dass auch sehr viele Oberbayern an diesem Rekord beteiligt waren, und Oberbayern sind unglaublich stilsicher bei der Tracht. „Wir waren einmal“, hat mir am eine Dame im Weckmann erzählt, „auf eine Hochzeit in Traunstein eingeladen. Wir ham gedacht, mia san fesch beinander. Aber im Vergleich war des ärmlich.“ In Oberbayern tragen die Damen Dirndl aus Seide, und sie wissen, was die ideale Rocklänge ist: „Die 70er-Länge“, sagt Ursula Kirschner, „übers Knie bis zum Wadl: ein Maßkrug vom Knöchel weg wär genau die richtige Länge.“ Und auch sie sagt grundsätzlich über die Oberbayern: „Die san da anders eingstellt als die Niederbayern.“ Ein Oberbayer würde nie eine kurze Lederhose anziehen mit Gürtel statt Hosenträger, und ohne Hut geht er gar nicht weg. Die Oberbayern auf dem Volksfest machen vor, wie fesch eine Tracht ist, und rot-weiße Hemden gehen da gar nicht. Auch der Niederbayer begreift das allmählich. Karierte Hemden sind out. Grün-weiße auch.

... und leider auch Niederbayern

Die Ursula Kirschner und der Sepp Hofbauer sind keine ultra-orthodoxen Trachtler. „Tracht“, sagt der Sepp, „ist ja auch immer der Mode unterlegen. Es war ja nie so, dass das immer gleich war.“ Sie wissen, dass ihre offizielle Gäubodentracht nur eine ganz bestimmte Epoche darstellt und ein modernes Trachtengewand anders ist. Deshalb haben sie zu offiziellen Anlässen zwar eine Gäuboden-Tracht aus einer bestimmten Zeit, aber ansonsten auch modernere Trachtengewänder. Aber einige Kennzeichen sind gleich: weißes Hemd, nie T- oder Polo-Shirt, die richtige Rocklänge, der richtige Stoff und keine Carmen-Bluse.

Wo allerdings ganz bestimmt noch ein echtes Geschäft zu machen wäre für all die vielen Trachtengeschäfte, das wäre im Schuhbereich. Da schaut es nach wie vor schlimm aus, und grad bei den Männern. Haufenweise laufen sie umeinander mit zum Teil schönen und garantiert auch sündteuren Lederhosen, sogar das Hemd passt, und wenn der Blick abwärts gleitet, ist man echt am Boden: Adidas, Nike, Salomon, Asics oder irgendeine Eigenmarke: Sneakers halt, Turnschuh’. Es könnten Franken sein oder Oberpfälzer oder Gäste aus Hessen, den USA oder Thüringen. Oder eben leider auch Niederbayern. Man weiß es nicht. Man weiß nur eines: Oberbayern sind das garantiert nicht, und Österreicher auch nicht.
Vorne geht ein junges Paar, und beide sind gut angezogen, sogar die Schuhe stimmen bei ihm. „Servus, darf ich ein Foto machen von euch?“, frage ich. Sie lachen und stimmen zu. Es sind der Marco und seine Frau Caro. Genau ein Jahr vor diesem Foto haben sie geheiratet, sagen sie, und natürlich in Tracht, wobei sich die Caro gleich beeilt, zu versichern, dass das Dirndl von heute „natürlich nicht“ ihr Hochzeitsdirndl war.

Zwei stilsichere Straubinger

Und wie viele Dirndl hat sie überhaupt? „Mei“, lacht sie, „mehr als wia ’s Volksfest Tage hat!“ Und woher kommen die zwei? Aus Straubing! Und trotzdem stilsicher bis in die Schuhe. Das ist doch schön. Manche sagen ja, „gehst wieder Maschkera?“, wenn man in Tracht auf das Volksfest geht. Aber es ist eben nicht Maschkera. Maschkera wäre, wenn man sich anzieht wie ein Mexikaner, ohne einer zu sein, oder wenn man ein Trachtengewand anzieht, das gar keines ist, weil man sich damit zum Seppl macht. Diese Augenkrebs-Dirndl zum Beispiel, mit ihren grellen Farbkombinationen, die kein Mensch erträgt, weil das geschmackloser Kitsch ist und so viel mit Tracht zu tun hat wie ein Sushi-Burger mit Japan.
Eine stimmige Tracht kommt aus der Tradition des Landes, aus dem man selber kommt. Es ist, wenn es stimmig ist, ein Festgewand zu einem Fest, das zur Tradition dieser Stadt und dieses Landes gehört, und dieses Festgewand muss nicht zwingend 19. Jahrhundert bedeuten. Es ist interessant, dass es inzwischen viele Gelegenheiten gibt, zu denen man Tracht trägt. Da sind einerseits die Bockbierfeste, aber andererseits auch seriöse Anlässe wie Kommunion oder Meisterfeiern, bei denen zunehmend Tracht getragen wird.

„Ganz viele Hochzeiten“, sagt Alexandra Göldner von Trachten Lisa, „sind inzwischen in Tracht, und am ersten und letzten Schultag tragen jetzt auch viele Tracht. Es wird immer mehr.“ Der Umsatz ist in ihrem Geschäft auch heuer wieder gestiegen, zu ihrer eigenen Überraschung, wie sie selber sagt, obwohl die Konkurrenz mit jedem Jahr mehr wird. „Mit der Tracht“, sagt Ursula Kirschner mit Recht, „kannst du überall hingehen. Das schaut immer gut aus.“

Ebay-Angebote verderben den Geschmack

Dumm ist halt nur, dass es auch diese ganzen Tchibo- und ebay-Angebote gibt. Die verderben den Geschmack, so wie künstliche Aromen den Geschmackssinn verderben. Man kann zum Beispiel bei ebay Folgendes erwerben: „Trachtenset, 6-tlg, Lederhose mit Träger, Schuhe, Hemd, Socken, neu mit Etikett“, für den unglaublich günstigen Preis von 69 Euro, und sogar ein Ledertascherl fürs Handy ist mit dabei. Das Hemd ist, Sie ahnen es, natürlich kariert. Und es gibt immer noch Menschen, die so etwas tatsächlich für Tracht halten und tragen.
„14 verkauft in den letzten 24 Stunden“, sagt ebay, und ein paar tausend schon insgesamt. Es wird noch viel mehr werden in nächster Zeit, denn die eigentliche Zielgruppe dieser Angebote ist das weltweite Oktoberfest-Publikum. Aber es ist zu befürchten, da sind auch Niederbayern darunter. Denn auch Alexandra Göldner muss zugeben: „Im Vergleich mit Oberbayern oder Österreich gibt es bei uns eine Grauzone.“
Diese Grauzone ist das leider noch etwas unterentwickelte Stil-Gefühl bei der Tracht. Wir sind eben, trotz einiger Besserung und zahlreicher anderer Qualitäten, in Niederbayern doch noch ein bisserl hinter dem Mond, aber immerhin auf recht gutem Wege.

Dieser Artikel erschien erstmals am 24. August 2019 im Straubinger Tagblatt.