Landkreis Straubing-Bogen

Effektiv gegen Milben: Imker hält Bienen naturnah


David Junker setzt auf den Naturwabenbau. Über Wachsdrüsen schwitzen Bienen Umweltgifte aus.

David Junker setzt auf den Naturwabenbau. Über Wachsdrüsen schwitzen Bienen Umweltgifte aus.

Ein Imker aus Schwarzach hat ein Rezept gegen das Artensterben der Bienen: Naturnahe Haltung. Wie es gegen die tückische Varroamilbe hilft, die Bienen einfach Bienen sein zu lassen, verriet er Gäuboden aktuell.

Warum Bienen? "Des is a Gefühl, wenn i neben der Bienenkiste sitz, wie wenn i in der Natur an am Wildbach sitz. Das Rauschen - so a Urgefühl nach Wildnis", sagt David Junker. Der rothaarige Schwarzacher ist 39 Jahre alt und ein Naturmensch. Sein Garten ist eingewachsen und liegt an einem Waldrand. Zwischen zwei grünen Laubbäumen schwingt eine weiße Hängematte im Wind. Daneben stehen zwei seiner selbstgebauten Schilfrohrbeuten - eine dem natürlichen Lebensraum der Bienen angepasste Behausung. In jeder dieser Beuten, die äußerlich kleinen liegenden Holzfässern mit Dach ähneln, lebt jeweils ein Bienenvolk. Vereinzelt fliegen die kleinen Tierchen durch das Flugloch aus und ein. Bsssss, im Stock wurlt es.

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Vorsichtig schlägt David Junker die Abdeckung zurück, bis er seine Bienen sehen kann.

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Ein Blick in die selbstgebaute Schilfrohrbeute. Die Bienen bauen Honigwaben.

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Junker hat sechs Honigbienenvölker. Bis zu zehn sollen es einmal werden. Ebenso natürlich wie der Garten, ist bei ihm auch die Art der Bienenhaltung, denn Junker imkert naturnah - man nennt das auch "wesensgemäß". Das heißt, bei ihm dürfen die Bienen Bienen sein: Sie schwärmen, sie bauen Naturwaben, schlecken den Honig, den sie als Wintervorrat eingelagert haben selbst und bekommen kein Zuckerwasser, sie setzen die Drohnen selbst vor die Tür und sie suchen sich ihre Königin alleine aus. "Des is Gemeinschaftsentscheidung - quasi Demokratie", sagt er.

Das Wohl der Biene, nicht der Ertrag

Junker ist ein stiller Begleiter im Leben der Bienen, der nur eingreift, wenn es unbedingt sein muss, und der nur Honig entnimmt, wenn das Volk einen Überschuss produziert. Das ist das Wesen der naturnahen Bienenhaltung: Das Wohl der Biene steht im Vordergrund, nicht der Honigertrag.

Vorsichtig hebt Junker den Deckel der Beute hoch. Sofort duftet es nach einem Gemisch aus Bienenhonig und -wachs. Eine Weichfaserplatte kommt zum Vorschein, auch diese nimmt er ab. Langsam schlägt er das Abdecktuch zurück - aber nur soweit, bis er die Bienen und die Waben durch eine durchsichtige Trennwand sehen kann. Er möchte das Klima im Stock nicht kaputt machen: 33 bis 36 Grad, eine konstante Luftfeuchtigkeit, Propolis-Dämpfe und ätherische Öle. Nur einmal in der Woche kontrolliert er, ob es den Bienen gut geht und ob sie einen neuen Rahmen für den Wabenbau brauchen. Ansonsten wird die Beute nicht geöffnet, die Bienen werden nicht gestört. Der Brutbereich sei besonders empfindlich. Würde er das Tuch abnehmen und einen Rahmen hochziehen, könnte der Brutbereich kurzzeitig auskühlen. Und jeden Tag, den es dann länger dauert, bis die Jungen schlüpfen, hätte die Varroamilbe mehr Zeit, um sich zu vermehren - "und das exponentiell", sagt Junker.

Behandeln gegen die Varroamilbe

Die Varroamilbe gilt als Hauptgrund für die hohe Bienensterblichkeit im Winter. Im vergangenen Winter ging in Bayern etwa jedes sechste Volk auf das Konto der Milbe. Auch Junker hat mit ihr zu kämpfen. Dabei hat er in den fünf Jahren, die er nun schon imkert, noch nie ein Volk an sie verloren. Er behandelt seine Bienen nicht gerne. "Die werden total damisch von dem Zeug. Die reißen sich sogar die Fühler raus", sagt er. Aber er muss: In Deutschland besteht Behandlungspflicht.

David Junker macht nicht die Varroamilbe für den Tod der Bienen verantwortlich, sondern die Art ihrer Haltung: Wenn die Bienen keine Naturwaben bauen, schwitzen sie keine Umweltgifte aus, sagt er. Fremdes Wachs aus vorgefertigten Mittelwänden sei für die Bienen wie ein Fremdkörper - und zudem oft durch Paraffin und Stearin verunreinigt. Außerdem gäbe es keine Verjüngung im Volk, wenn dieses nicht schwärmen dürfe. Wird ihnen der Honig weggenommen, würden die Tiere in Stress geraten, weil sie ihre Wintervorräte wieder auffüllen müssen. Zuckerwasser sei da kein adäquater Ersatz. Außerdem bleibe so keine Zeit mehr für die Stockhygiene. "Ohne Honigvorrat brauch i mi ned um meine Gesundheit kümmern, weil dann sterb i sowieso, wenn i ned genug zu essen hab", sagt Junker.

Er denkt, es sei möglich, dass die Tiere selbst Resistenzen gegen die Milbe entwickeln könnten - aber nur in Verbindung mit einer wesensgemäßen Bienenhaltung und an dem Standort, an den die Tiere gewohnt sind. Durch das Schwärmen teile sich das Volk und die verbleibenden Bienen wüssten am besten, welche die richtige Königin für das Fortbestehen des Volkes sei.

Natürliche Selektion? Charles Darwin? Die Starken überleben, die Schwachen sterben? Könnte das die Lösung im Kampf gegen die Varroamilbe sein?

Bienen könnten ohne Behandlung überleben

Die Diplom-Biologin Sigrun Mittl berichtet in ihrem Aufsatz Wild lebende Honigbienen - Seuchenschleuder oder Genschatz?, dass weltweit Bienenvölker beobachtet wurde, die ohne Behandlung und ohne Zuckerfütterung überleben können. "Der Nachweis ist erbracht", schreibt sie und nennt die neuesten Forschungsergebnisse aus Schweden (Barbara Locke) und den USA (Prof. Dr. Thomas Seeley). Doch es gibt noch mehr Berichte: Behandlungsfreie Imkerei in Snowdonia (Wales), in der Schweiz, den Niederlanden. "Es werden immer mehr Völker gefunden, die resistent, tolerant oder beides sind", sagt Junker und erzählt von einer Freundin, die im vorigen Jahr beim Klettern in der fränkischen Schweiz in einer Felsnische ein verwildertes Honigbienenvolk gefunden hat. Dieses Jahr waren die Bienen immer noch da. Sie haben in freier Wildbahn und ohne Behandlung überlebt.

Auf Nachfrage bei Dr. Stefan Berg vom Institut für Bienenkunde und Imkerei an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim erklärt dieser, dass es tatsächlich resistente Bienenvölker gibt. Allerdings nur an dem Ort, an dem sie leben und an den sie angepasst sind. Versuche, diese Bienen an einem anderen Ort zu halten, scheiterten jedoch beispielsweise am Klima oder der Futterversorgung.

Auf die Frage, ob sich die Bienen bei uns ebenfalls anpassen könnten, wenn man mit der Behandlung gegen die Milbe aufhört, sagt Dr. Berg, dass es theoretisch möglich sei. Allerdings würden dann auch sehr viele Bienen sterben und es würde viele Jahre dauern, bis sich die Bienenpopulation davon erholt.

Das sei schwierig in Zeiten, in denen über Insektensterben und Bestäubungsnotstand diskutiert werde. Die Möglichkeit hätte bestanden, als die Milbe aus Südostasien eingeschleppt wurde. Schließlich möchte die Milbe ihren Wirt nicht töten. Sie braucht ihn, um zu überleben.

Dr. Berg hält die Bienenhaltung, so wie sie David Junker betreibt, für vorbildlich. Früher sei die Imkerei viel wirtschaftlicher ausgerichtet gewesen, heute sei man näher an der Biene, sagt der Experte. Aber es sei nicht gut, die Tiere zu idealisieren oder zu vermenschlichen. Die Drohnenbrut im Volk zu lassen, sei mit einem großen Nachteil verbunden. Denn dort vermehrt sich die Varroamilbe hauptsächlich. Dies versucht man mit dem Schneiden der Drohnenbrut einzudämmen. Verbleibt die Brut im Volk, müsse man die Milbe hinterher umso mehr bekämpfen.

Bienenforschung in Deutschland

Laut Stefan Spiegl vom Landesverband Bayerischer Imker e.V. läuft derzeit das deutschlandweite Forschungsprojekt "Varroa Sensitive Hygiene (VSH)" mit 150 Carnica- und 150 Buckfastbienen - gefördert von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, unter Beteiligung des Deutschen Imkerbundes und anderen Instituten.

Ziel sei es, Bienen zu züchten, die Larven, die von Milben befallen sind, in den verdeckelten Waben erkennen können. Gelinge dies, würden die Waben von den Arbeiterinnen geöffnet und ausgeleert und die befallenen Bienenlarven samt Milben sterben. Unbefallene Bienen dürfen sich entwickeln und schlüpfen.

Um dies zu erreichen, werden die Königinnen im Labor mit dem Sperma von Drohnen besamt, die in ihrer DNA die Eigenschaft aufweisen, die Milbe in den Waben aufzuspüren, sagt Spiegl. Erste Erfolge des Projekts wurden im Januar beim 11. Bayerischen Imkergespräch in Starnberg vorgestellt und auf der Züchtertagung des Deutschen Imkerbunds im April dieses Jahren in Wenden diskutiert.

Falls die Züchtung dieser Biene erfolgreich verläuft und sich durchsetzt, so hoffen Experten, wird es möglicherweise nicht mehr nötig sein, die Bienen mit verschiedenen Säuren gegen die Varroamilbe zu behandeln.