Personallage, Nachwuchs, Gewalt

Unsere Schiedsrichter: Das Getriebe des Amateurfußballs


Zur aktuellen Situation in den ostbayerischen Schiedsrichtergruppen befragte idowa ausgewählte Obmänner und bekam dadurch spannende Einblicke in die Sorgen und Wünsche der lokalen Schiedsrichter.

Zur aktuellen Situation in den ostbayerischen Schiedsrichtergruppen befragte idowa ausgewählte Obmänner und bekam dadurch spannende Einblicke in die Sorgen und Wünsche der lokalen Schiedsrichter.

Nun, da sich der ostbayerische Amateurfußball in seiner wohlverdienten Winterpause befindet, gilt es auch den heimlichen Helden auf den Plätzen eine Bühne zu bieten. Über den Zustand des ostbayerischen Schiedsrichtertums und dessen Wünsche für die Zukunft sprach idowa mit ausgewählten Obmännern der regionalen Schiedsrichtergruppen.

Dass die Anzahl der Schiedsrichter mittlerweile zu Wünschen übrig lässt, dürfte jeder Ehrenamtler in den dutzenden Vereinen Ostbayerns schon bemerkt haben. Neben der fehlenden Besetzung des U13-Bereichs durch manche Schiedsrichtergruppen, berichtete idowa zuletzt auch über die Probleme hinsichtlich der Senioren-Reserveligen.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Lage zwischen den verschiedenen Schiedsrichtervereinigungen gravierenden. Während der Obmann der Gruppe Deggendorf, Matthias Braun von der SpVgg Niederalteich, vor allem bedauert, dass viele Kollegen mit rund 80 Einsätzen pro Jahr in den vergangenen Monaten wegen altersbedingten und gesundheitlichen Gründen ihre Laufbahn beendet hätten und so vor allem die Reserverunden nicht mehr besetzt würden, berichtet Karl-Heinz Späth, Obmann der Gruppe Cham, von einer guten Personallage, mit der sich der Spielbetrieb problemlos erledigen ließe.

Hinsichtlich der Entwicklung der Anwärter auf den Schiedsrichterschein spricht die Einschätzung von Matthias Braun eine deutliche Sprache: "Der Trend ist äußerst negativ. Wo wir vor rund zehn Jahren noch um die 15 Teilnehmer pro Lehrgang hatten, liegt die Anzahl aktuell bei circa fünf Teilnehmern pro Lehrgang." Auch hier berichtet der Chamer Obmann Späth von anderen Zahlen: "Die Anmeldungen der Anwärter sind von Jahr zu Jahr verschieden. 2019 hatten wir zehn Anwärter, ein Jahr zuvor nur fünf."

Im Bezug auf die Schwierigkeiten bei der vollständigen Besetzung aller organisierten Ligen warnt Braun zudem, dass sich der Negativ-Trend betreffend der Kapazitäten fortsetzen und künftig auch andere Ligen betreffen werde. Mann könne mit der geringen Anzahl an Neulingen die Anzahl der Schiedsrichter, die ihre aktive Laufbahn beenden, nicht mehr kompensieren. In Cham befindet man sich "derzeit in der glücklichen Lage, alle Spiele zu besetzen." Betrachtet man den Trend in allen ostbayerischen Schiedsrichtergruppen, so stellt diese Personallage in der Gruppe von Karl-Heinz Späth aber wohl eher eine positive Ausnahme dar.

Teil 2: Neulinge in den Schiedsrichtergruppen

Dass es mehr Neulingen in den ostbayerischen Vereinigungen bedarf, scheint allgemein wohl außer Diskussion zu sein. Doch stellt sich die Frage, für wen der verantwortungsvolle Job des Schiedsrichters eine interessante Option darstellt und was ein Anwärter mitbringen sollte, um sich im Geschäft behaupten zu können.

Auf die Frage, welche Charaktere bei den Schiedsrichtergruppen im Speziellen gesucht würden, antwortete der Obmann der Gruppe Cham, man solle kein "Herdentier" sein. Er fügt hinzu: "Neben Sportlichkeit und Regelsicherheit zählt der Umgang mit Menschen verschiedenster Charaktere zu den wichtigsten Eigenschaften . Wir bekommen oftmals sehr junge Anwärter, die den Job dann als zu schwierig erachten und aufgeben. Zu wenig Neue im gestandenen Alter kommen zu uns." Matthias Braun von der Gruppe Deggendorf bringt ferner noch die Aspekte "Spaß und Interesse am Fußball", sowie "Durchhaltevermögen" ins Spiel, welche zu den Charakterzügen eines Schiedsrichter gehören sollten.

Bemängelt wird von Karl-Heinz Späth die fehlende Akquirierung neuer Schiedsrichter durch die Vereine. Deshalb würde man sich nun anderer Kanäle, zum Beispiel der Sozialen Medien, bedienen. Auf diese Methodik setzt man auch in der Schiedsrichtergruppe Deggendorf. Ferner berichtet Braun von einer Maßnahme an der Schulen innerhalb des Einzugsgebiets: "Mit Lehrwart Markus Eglseder haben wir einen Lehrer in unseren Reihen. Neben Vorträgen beispielsweise im Rahmen von Seminaren am Robert-Koch-Gymnasium in Deggendorf hat er auch schon vor größeren Schülergruppen für die Faszination Schiedsrichter geworben. 2019 konnte er außerdem in Zusammenarbeit mit der Gruppe Isar-Rott sieben Neulinge ausbilden." Auch gibt es im Raum Deggendorf Initiativen vereinzelter Vereine, wie dem TSV Aschenau. Zusammengefasst müssen und werden die Schiedsrichtergruppen kreativer bei der Anwerbung von Neulingen sein, um in Anbetracht der vielen alternativen Beschäftigungen eine interessante Option zu bleiben.

Der Job des Schiedsrichter ist laut Karl-Heinz Späth vor allem für Fußballbegeisterte eine Option, die nicht in den ersten Mannschaften oder sogar höherklassig spielen können und trotzdem beim Fußball bleiben wollen. Des Weiteren schlägt er vor, dass "Verletzungen, die Fußballspielen unmöglich machen" ein guter Grund wären, Schiedsrichter zu werden. Matthias Braun stellt heraus, dass Schiedsrichter zudem ein wichtiges Ehrenamt leisten: "Wir Schiedsrichter ermöglichen diese Spiele und sorgen für einen fairen und regelkonformen Ablauf."

Durch die Tätigkeit als Unparteiischer kann man außerdem viele soziale Kompetenzen erwerben oder vertiefen. Was einen guten Schiedsrichter ausmacht, fasst der Obmann der Gruppe Deggendorf wie folgt zusammen: " Ein guter Schiedsrichter braucht eine schnelle Auffassungsgabe, Durchsetzungsvermögen und die Fähigkeit, andere Menschen zu führen. Er muss kommunikativ und entscheidungsfreudig sein. Der Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen, zeichnet einen tollen Referee aus. Außerdem sind auch Unparteiische Teamplayer. Wenn wir im Gespann unterwegs sind, muss sich jeder auf jeden verlassen können." Er fügt freudig hinzu: "Wenn ich in meine eigene Gruppe blicke, haben wir viele Jungs und Mädels, die mit 14 oder 15 Jahren zu uns gestoßen sind und sich mittlerweile zu hervorragenden Erwachsenen entwickelt haben! Darauf bin ich stolz, denn ich denke, dass die Schiedsrichterei bei dieser Entwicklung einen großen Beitrag geleistet hat."

Teil 3: Gewalt im Fußball

Nach den medial vielbehandelten Vorfällen von Gewalt gegen Schiedsrichter fragt man sich zurecht, ob dieses Ehrenamt eine sichere Beschäftigung darstellt. Wie sich der ostbayerische Amateurfußball in dieser Frage verhält, erfragte idowa ebenfalls bei den Obmännern der Schiedsrichtergruppen aus Cham und Deggendorf.

Angesprochen auf dieses Thema kommen unterschiedliche Wahrnehmungen zutage. Während Karl-Heinz Späth von der DJK Arnschwang keine Verschlimmerung der Gewaltbereitschaft sieht und die zu hohe mediale Betrachtung von Einzelfällen anmahnt, antwortet Matthias Braun auf die Frage nach der Zunahme von Gewalt mit: "Definitiv! Zwar nicht in körperlicher Form, aber verbale Gewalt, vor allem neben dem Fußballplatz nimmt stetig zu. Beleidigungen und Bedrohungen übelster Art seitens der Zuschauer hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, wo das schönste Hobby der Welt daran kaputt geht. Nicht nur wir Schiedsrichter erfahren diese Art von Gewalt, auch Spieler sind Zielscheibe der Zuschauer geworden."

Insofern man Beschimpfungen oder Beleidigungen unter psychischer Gewalt subsummiere, bemerkt auch der Chamer Obmann Späth, dass dann bald jeder Schiedsrichter etwas abbekäme. "Dies führt zu enormem Druck, gerade für Neulinge und Jung-Schiedsrichter. Die Quote zum Aufhören bleibt deswegen hoch." Besorgniserregende Aussagen tätigt dies bezüglich Matthias Braun: "Ich als Kreis-Schiedsrichterobmann bekomme laufend Meldungen über derartige Vorkommnisse, was mich auch persönlich selbst sehr beschäftigt - und das prägt einen schon. Man geht mit diesen Ereignissen ganz anders um und zieht seine persönlichen Lehren daraus. Wo früher noch das Wort zählte und Leute einen Fehler, den sie gemacht haben, eingestanden haben, wird in der heutigen Zeit alles in Frage gestellt."

Ein anderes aber nicht minder wichtiges Thema stellt der Rassismus auf und um Fußballplätzen dar, gerade in Hinsicht auf die zunehmende Zahl an Migranten, die sich am ostbayerischen Fußball beteiligen möchten. Hier ist der Tenor in beiden befragten Schiedsrichtergruppen jedoch ein positiver. Die Obmänner berichten über keine Probleme und keinen ernsthaften Fall, "der Konsequenzen in Sachen Meldung von Vorfällen erforderte."

Teil 4: Blick in die Glaskugel

Trotz der in weiten Teilen misslichen Lage, in der sich die meisten der ostbayerischen Schiedsrichtergruppen vor Allem personell befinden, darf man dennoch positiv in die Zukunft schauen. Was sich die Obmänner für diese Zukunft wünschen, lesen Sie im Folgenden.

"Unser Ziel muss sein, mittelfristig wieder alle Spiele in unserem Bereich mit geprüften Schiedsrichtern zu besetzen. Das heißt, dass wir zukünftig wieder viel mehr Anwärter brauchen. Um das zahlenmäßig auszudrücken: Wenn in den nächsten vier Jahren jeder Verein wieder ein bis zwei Schiedsrichter mehr hätte, die regelmäßig im Einsatz sind, dann könnten wir das schaffen.", sagt Matthias Braun darauf angesprochen. Sein Chamer Kollege ergänzt das Problem der "Überalterung der Basis-Schiedsrichter. Unser vordingliches Ziel ist daher, die altersbedingt ausscheidenden Kameraden der Basis ersetzen zu können."

Karl-Heinz Späth, der nun seit mehreren Jahrzehnten in Spitzenpositionen in Gruppe, Kreis und Verband tätig ist, bemängelt - gefragt nach der Verbesserung der Attraktivität der Schiedsrichter-Tätigkeit: "Das Amt des Schiedsrichter wird nicht als Teil des Fußballsports gesehen, sondern als eine Person, an der man sich nach Misserfolg abarbeiten kann." Auch beim Gruppenvorsteher in Deggendorf steht der Umgang mit den Schiedsrichtern bei seiner Analyse im Vordergrund. Er regt zudem auch noch andere tiefgreifende Veränderungen seitens des Verbands an, die die Attraktivität steigern würden. "Finanzielle Anreize könnten den hohen zeitlichen Aufwand, den wir vielfach betreiben müssen, entschädigen. Eine Spesenerhöhung analog anderer Landesverbände wäre gerade in Bezug der Anwerbung neuer Schiedsrichter ein wichtiger Aspekt. Und letztendlich müssen sich unsere Sportgerichte wesentlich stärker positionieren und meine Unparteiischen schützen. Viel zu häufig kommen die Übeltäter nahezu ungeschoren weg - und setzen ihre Unsportlicheiten in der nächsten Woche ungehalten fort."

Den größten Handlungsbedarf sehen beide Obmänner neben dem Platz. Man habe nicht ohne Grund in den Profiklassen den vierten Offiziellen eingeführt, bemerkt Karl-Heinz Späth dem bezüglich. Dieser schlägt ferner eine kreative Lösung vor: "Vielleicht sollten Strafen gegen Zuschauer auch mal mit einem Lehrabendbesuch oder/und der Leitung eines Jugendspiels ausgesprochen werden." Eine passende Abschlussbemerkung zum Thema liefert Matthias Braun: "Zuschauer und teilweise auch die Betreuer sehen die Unparteiischen als Freiwild, die auch dann entsprechend so behandelt werden. Hier müssen die Verantwortlichen der Vereine, aber auch nebenstehende Zuschauer, massiv gegensteuern und die Unruhestifter darauf ansprechen und im Wiederholungsfall entsprechend Konsequenzen zu ziehen, um die Attacken - nicht nur gegenüber uns Schiedsrichtern - zu unterbinden. Das mal ein blöder Spruch seitens der Zuschauer oder Betreuer kommt, gehört dazu. Aber Beleidigungen unterhalb der Gürtellinie sowie Bedrohungen gehören zu keiner Sportart. Wir Schiedsrichter üben das Amt mit Leidenschaft aus, und wenn solche Entgleisungen passieren, verliert man schnell die Überzeugung in dieser Sportart."