Cham

Der Ausraster eines Türstehers - Disco-Gast gewürgt und geschlagen


Symbolbild: dpa

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Von wk

Das Geständnis des ehemaligen Türstehers ist überraschend nach über sechs Stunden Sitzung gekommen. Dabei wäre am Donnerstag beinahe der insgesamt 13. Zeuge, ein ehemaliger Kollege, vor dem Amtsgericht als tatverdächtig dagestanden, zumindest aus Sicht des Verteidigers. Der Angeklagte rang sich aber schließlich zum umfassenden Geständnis durch.

Zuvor war ihm bei einem Rechtsgespräch eine Strafe zwischen zehn Monaten und einem Jahr in Aussicht gestellt worden. Über seinen Anwalt ließ der 47-Jährige erklären, er habe beim Eingreifen in eine Rangelei einen Disco-Gast gewürgt, zu Boden gezerrt und ihm einen Schlag zwischen die Beine versetzt. Wohl mit einer Taschenlampe, denn Schlagstöcke und andere Waffen sind Türstehern zur Durchsetzung des Hausrechtes nicht erlaubt. Einen anderen Gast soll er beim selben Vorfall ebenfalls geschlagen haben, beide trugen Schürfwunden und Prellungen davon.

Neun Vorstrafen
Von einem minderschweren Fall an der Grenze zum Notwehrexzess sprach Richter Wolfgang Voit. Auch deshalb seien die elf Monate Freiheitsstrafe - bei einer Geldauflage von 2 000 Euro - noch einmal auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden. Knapp einen Monat nach der Tat wäre eine frühere Bewährungszeit aus einem einschlägigen Urteil für den Mann mit neun Voreinträgen im Bundeszentralregister geendet.

In der Sitzung hatte das Gericht aufgearbeitet, wie es in der Novembernacht vor einer Chamer Disco zur gefährlichen Körperverletzung gekommen war. Der Angeklagte griff demnach in eine Rangelei zwischen zwei seiner Kollegen und Gästen, die sie gerade hinausgeworfen hatten, ein. Der Geschädigte, der aggressiv gewirkt habe, soll mit einem russischen Gast in Streit geraten sein, woraufhin er und seine Begleiter von zwei Türstehern vor die Disco befördert wurden.

"Lage falsch eingeschätzt"
Den Rauswurf empfanden die Gäste, wie sie sagten, als ungerecht und leisteten Gegenwehr. Dabei sollen sie, so die Türsteher, ihren Unmut darüber geäußert haben, dass sie als "Deutsche" raus müssten, während "der Russe" bleiben darf. Schließlich riefen andere Gäste den Angeklagten, der im Lokal gerade an der Garderobe arbeitete, zu Hilfe, weil sein Kollege angegriffen werde.

Der Beschuldigte gab in seiner Schlusserklärung zu, in der angespannten Situation die Lage falsch eingeschätzt und überreagiert zu haben. Seinem Kollegen vermeintlich Nothilfe leistend, habe er den Geschädigten und seinen Begleiter weggezogen und sei dabei so brutal vorgegangen, wie es die Anklage ihm vorwarf. Der 47-Jährige bedauerte die Tat, entschuldigte sich und erklärte: "Ich bin kein Straßenschläger und kein schlechter Mensch." Bei ihm hätten sich aber aus seiner langjährigen Tätigkeit "bestimmte Sachen eingeprägt", wohl deshalb sei er "ausgetickt". Unzählige Male sei er von Gästen bedroht und angegriffen worden, dreimal "dem Tod von der Schippe gesprungen".

Ansonsten "lieber Mensch"
Die Frau des Verletzten belastete den Türsteher in ihrer Aussage, brachte aber zugleich ihre Überraschung über den Ausraster des sonst immer "lieben Menschen" zum Ausdruck. Der Angeklagte hat zwischenzeitlich den Beruf gewechselt. Er fühle sich der Türsteherei in seinem Alter nicht mehr gewachsen, im Nachtleben herrschten inzwischen fast Großstadtverhältnisse, sagte er.

Der Richter sprach noch von einer "bitteren Erkenntnis" aus dieser Verhandlung, nämlich einer "Belastung des Verhältnisses Polizei - Gericht - Türsteher". Richter könnten Aussagen von Türstehern künftig nicht mehr automatisch glauben. Die Kollegen des Angeklagten wollten übrigens nichts von der Tat mitbekommen haben. Der eine gab an, selbst mit dem Geschädigten gerungen zu haben, der kurz darauf scheinbar grundlos wehklagend am Boden lag.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ein Rechtsmittelverzicht wäre nach einer Absprache im Rechtsgespräch ohnehin generell unwirksam.