Interview

Dürfen Lehrer Youtube-Videos zeigen?

Workshop mit Dr. Holger Weimann über die Feinheiten des Urheberrechts im Unterricht


?Schulen sind privilegiert?, sagt Referent Dr. Holger Weimann.

„Schulen sind privilegiert“, sagt Referent Dr. Holger Weimann.

Darf man seiner Klasse ein Youtube-Video vorspielen, einen Zeitungsartikel für alle kopieren oder besonders gelungene Referat-Handouts auf der Homepage der Schule veröffentlichen? Über diese rechtlichen Fragen hat beim Lehrermedientag Urheberrechtsexperte Dr. Holger Weimann aus München referiert. Er klärte die Lehrer darüber auf, dass beispielsweise jegliches Zeigen, Projizieren oder Vorlesen von Inhalten in der Klasse rechtlich unproblematisch sei. Wenn man aber Inhalte kopiert, einscannt und an die Schüler verteilt, dann muss man bestimmte Regeln beachten.

Herr Weimann, welche besonderen Regeln gibt es in Sachen Urheberrecht im Unterricht?

Holger Weimann: Grundsätzlich ist es so, dass man in der Schule Dinge darf, die man im normalen Leben nicht darf. Wenn zum Beispiel in einem Café der Fernseher läuft, auf einer Hochzeit Musik gespielt oder in einer offenen Facebook-Gruppe Fotos veröffentlicht werden, so muss man dafür normalerweise eine Erlaubnis vom Urheber einholen und in vielen Fällen dafür bezahlen – im Fall von Musik zum Beispiel GEMA-Gebühren. Schulen sind da vom Gesetzgeber privilegiert. Wenn Lehrer Bilder für die Klasse an die Wand projizieren, Texte vorlesen oder ein Musikstück vorspielen, so ist das urheberrechtlich kein Problem.

Und wenn ich als Lehrer meiner Klasse eine Textpassage aus einem Buch kopiere oder Bilder auf ein Blatt kopiere – ist das urheberrechtlich in Ordnung?

Weimann: Zeigen im Unterricht ist wie gesagt kein Problem. Kopieren, einscannen oder auf der Schulhomepage veröffentlichen kann dagegen schon problematisch sein – unabhängig davon was man kopiert und wem man es gibt. Vorneweg: Sobald der Autor beziehungsweise Urheber mehr als 70 Jahre tot ist, ist es erlaubt, Texte oder Gemälde von ihm zu vervielfältigen. Also wenn man zum Beispiel ein Bild der „Mona Lisa“ für alle kopiert und an die Klasse verteilt, dann ist das möglich. Zudem haben die Kultusministerien mit vielen Verwertungsgesellschaften Verträge abgeschlossen. Dadurch fließt Geld an Autoren und Fotografen, deren Texte und Bilder im Unterricht verwendet werden.
Das gilt aber eben nur für das Repertoire genau dieser Verwertungsgesellschaften. Für viele Texte, Fotos oder Noten aus dem Internet trifft das nicht zu. Aufpassen muss man zudem immer bei aktuellen Texten, Fotos oder Noten. Wenn man etwa einen ganz aktuellen Roman besprechen will, so darf man maximal 15 Prozent eines Buches kopieren und an die Klasse aushändigen, also zum Beispiel ein Kapitel, wenn das Buch 15 Kapitel hat. Allerdings darf das die Klasse nicht verlassen. Also nur so viele Kopien erstellen wie Schüler in der Klasse sitzen. Urheberrechtlich nicht ohne Lizenz erlaubt ist zum Beispiel das Drucken von Fotos auf Programmhefte von Schulfeiern oder das Hochladen auf die Schulhomepage.

Und wie ist das mit einem Youtube-Video oder wenn der Lehrer in der Freistunde eine DVD zeigt, die der Schulbibliothek gehört?

Weimann: Da wird es noch etwas komplizierter. Öffentlich, also bei einer Schulveranstaltung oder einem Projekttag, darf das definitiv nicht vorgeführt werden. Das ist unstrittig eine öffentliche Wiedergabe und muss lizensiert werden. Nicht-öffentlich dagegen ist es, wenn man zum Beispiel mit Freunden oder der Familie gemeinsam einen Film anschaut. Was im Fall eines Klassenverbands zutrifft, ist umstritten. Aus Sicht des Kultusministeriums sind die DVD aus der Schulbibliothek und das Youtube-Video im Klassenzimmer erlaubt. Die Filmindustrie dagegen ist damit nicht einverstanden. Da es bisher aber noch kein Urteil von einem Obergericht gibt, ist das ein Graubereich. Die Lehrer allerdings müssen sich keine Sorgen machen, dass sie persönlich haften. Ein Rechtsstreit würde zwischen dem Freistaat und den Filmschaffenden ausgetragen.

Und was ist mit einem Zeitungsartikel? Darf ich den kopieren und mit den Schülern besprechen?

Weimann: Das ist möglich. Denn hier gibt es eine Vereinbarung zwischen Verlegerverbänden, der Verwertungsgesellschaft Wort und Bild-Kunst und den Ländern. Demnach dürfen die Schulen Zeitungsartikel und Bilder kopieren und für den Unterricht nutzen. Die Länder bezahlen dafür an die Verlage regelmäßig einen bestimmten Betrag. Das gilt übrigens sowohl für gedruckte Artikel, also auch für Online-Texte.

Wenn jemand für die erste Seite eines Jahresberichts ein Foto verwendet und die Quelle nennt, ist er dann auf der sicheren Seite?

Weimann: Das meinen viele. Tatsächlich aber ist es nicht so. Die Nennung der Quelle alleine reicht nicht. Wer einen Text oder ein Foto veröffentlicht, muss sich zusätzlich die Erlaubnis des Autors einholen, also zum Beispiel des Fotografen. Und dann natürlich die Quelle angeben.