Zukunftsforscher

Ulrich Eberl: "Im Dorf trifft sich die Welt"


Ulrich Eberl mit Roboter.

Ulrich Eberl mit Roboter.

Es klingt noch immer wie Science-Fiction: Drohnen, die Pizza liefern, Taxis, die fahrerlos kutschieren, Roboter, die Tee servieren.

All zu weit weg sind diese Szenarien laut Ulrich Eberl aber nicht. Im Gespräch erklärt der Regensburger Zukunftsforscher, was 2050 Alltag sein könnte, warum die Angst vor Maschinen umgeht und vor allem: Wie smarte Technologien das Leben auf dem Land verbessern könnten.

Herr Eberl, wie könnten ostbayerische Dörfer oder kleine Gemeinden im Jahr 2050 aussehen?

Ulrich Eberl: Rein baulich werden sich Dörfer und Gemeinden nicht sehr verändern. Doch auf anderen Feldern wird viel passieren: Die Energieversorgung durch Wind, Sonne und Biomasse wird immer dezentraler und die Gemeinden damit autarker. Auch in der Mobilität werden wir 2050 viele autonome und vernetzte Elektrofahrzeuge sehen – was auch die Anbindung erleichtert. Statt stundenlang auf Busse warten zu müssen, ruft man ein selbstfahrendes Elektrotaxi.

Wie sieht es mit digitalen Services, etwa für die Verpflegung, aus?

Eberl: Ein großer Teil unserer Einkäufe findet heute schon übers Internet statt. Es kann sein, dass künftig auch Roboterfahrzeuge Lieferungen bringen oder Drohnen aus der Luft. Etliche Dienstleister testen bereits, ob es sich lohnt, Lebensmittel übers Internet zu bestellen. Angeblich könnten diese Waren frischer sein als aus dem Supermarkt, weil die Zwischenlager entfallen.

Würden diese Trends wirklich aktuelle Probleme in der Grundversorgung – Ärztemangel, schlechter Nahverkehr, keine Supermärkte, Kindergärten oder Schulen – lösen?

Eberl: Eine Digital-Infrastruktur würde viele Nachteile, die Dörfer haben, aufheben. Dann würden auch wieder mehr Geschäfte, Kindergärten und Schulen entstehen, und die Lebensqualität würde steigen – bei Gesundheit und Erholung ist sie auf dem Land sowieso höher als in der stressigen Stadt.

Wäre vor allem den Älteren damit geholfen?

Eberl: Der demografische Wandel wird einer der entscheidenden Treiber für das selbst tätig fahrende Auto sein, weil auch 90- oder 100-Jährige gerne noch mobil wären. Und das Smart Home wird auch seinen Durchbruch erleben, mit wandfüllenden Flach-Displays als Zugang zum 3D-Internet oder Maschinen, denen man sagen kann: Putz die Fenster, hol mir die schwere Getränkekiste aus dem Keller und hilf mir dann in der Küche.

Bei Jüngeren könnte das zu ungesunder Bequemlichkeit führen...  Wie kann man sich die Arbeitswelt 2050 vorstellen?

Eberl: Schon jetzt nutzen Banken, Versicherungen und Anwälte Computerassistenten, Ärzte beraten immer öfter per Telemedizin und Studenten können online Vorlesungen besuchen. Mit leistungsfähigen Datennetzen kann man im Home Office alles machen, was auch in der Firma geht. Wo man dann arbeitet, ist egal: Die Welt wird zum Dorf, und im Dorf trifft sich die Welt.

Das setzt aber voraus, dass der Breitbandausbau endlich vorangeht.

Eberl: Ja, eine leistungsfähige Breitband-Infrastruktur, vom 4G- und 5G-Mobilfunk über WLAN-Hotspots bis zu Glasfasern in Häusern, ist künftig ebenso unerlässlich wie der Anschluss an die Wasser- und Stromversorgung. Es darf deshalb einfach nicht sein, dass wir in einem Land, das so von seiner leistungsfähigen Industrie lebt wie Deutschland, schlechtere Datennetze haben als manche Schwellenländer. Der Ausbau muss nun höchste Priorität haben.

Das nutzt aber wenig, wenn die Jüngeren abwandern. Wie sieht das Verhältnis zwischen Jung und Alt 2050 aus?

Eberl: Wir werden eine Seniorengesellschaft. 2050 wird es weltweit dreimal mehr Menschen über 65 geben als heute. Die Zahl der Über-100-Jährigen soll sich gegenüber heute verzehnfachen. Das hat enorme Auswirkungen auf Renten- und Gesundheitssysteme und ist für eine Volkswirtschaft nur tragbar, wenn Pharmaforschung und Medizintechnik Schritt halten. Dann könnten 80-Jährige so fit sein wie 65-Jährige heute.

Wenn Sie davon ausgehen, dass diese Szenarien alle aufgehen: Werden wir künftig immer mehr von smarten Maschinen umgeben sein?

Eberl: In ein, zwei Jahrzehnten könnten wir schon in einer Gemeinschaft aus Menschen und smarten Maschinen leben – so selbstverständlich, wie wir heute mit Smartphones umgehen, die wir erst seit zehn Jahren kennen. Bis 2050 werden Roboter immer besser darin, Bilder und Videos zu interpretieren, Texte zu verstehen, Sprachen zu übersetzen und sinnvolle Dialoge mit Menschen zu führen.

Das ist für manche auch beängstigend. Es mündet in der existenziellen Frage: Wird der Mensch überflüssig, wenn alles – von der Bewegung über Kommunikation hin zur Arbeit – durch Roboter ersetzt wird?

Eberl: Ein Szenario, dass Maschinen bald die Weltherrschaft übernehmen könnten, ist reine Science-Fiction – und eine typisch westliche Angst. In unserer Kultur ging es immer um den Kampf Mensch gegen Maschine. Das kann man bis zum Golem oder zu Frankenstein zurückführen, oder zu Filmen wie „Odyssee im Weltraum“, „Terminator“ und „Transformers“. Bei den Japanern ist es anders: Dort dreht sich alles um die Harmonie zwischen Mensch, Natur und Maschine. Sie haben daher auch kein Problem damit, Maschinen in ihren Alltag zu integrieren.

Der häufige Missbrauch des Menschen durch die Technik – Hass im Netz, Datenklau, Überwachung – all das ist keine Fiktion mehr und unabhängig von der Kultur...

Eberl: Richtig, aber ich denke, wir müssen einen Kompromiss finden: Maschinen als Helfer akzeptieren und alles tun, um sie so sicher und zuverlässig wie möglich für uns zu gestalten.

Der Mensch wird also nicht entbehrlich?

Eberl: Natürlich werden sich durch die smarten Maschinen Jobs massiv verändern, aber das heißt nicht, dass Menschen überflüssig werden. Auch Maschinen sind erstmal Fachidioten. Aufgaben, die viel Alltagswissen, Kreativität oder Sozialkompetenz erfordern, werden sie noch lange nicht erledigen können. Wir Menschen werden nach wie vor als Lenker und Denker gebraucht, als kreative Konfliktlöser und als die einzigen, die nicht nur kognitive, sondern auch emotionale und soziale Intelligenz besitzen. Interview: Sonja Esmailzadeh

Zur Person

Ulrich Eberl, 55, ist Industriephysiker, Zukunftsforscher und Autor. Er promovierte an der TU München in Biophysik und war Gründer des mehrfach ausgezeichneten Zukunftsmagazins „Pictures of the Future“. 2011 veröffentlichte er das Buch „Zukunft 2050“, gefolgt von „Smarte Maschinen – wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert“ im Sommer 2016.