Dirndl von der Olympia-Schneiderin

An Pfingsten 1973 sorgte das Kötztinger Pfingstbrautpaar für Aufsehen


1973 sorgte die Tracht für Aufsehen: das Pfingstbrautpaar Annette Kühlmeyer und Hans-Wolfgang Dittrich mit seinen Begleitern Wolfgang Ludwig (l.) und Josef Held (?). Das Tugendkränzchen und der Favorit, reich verzierte Filigranarbeiten aus Gold- und Silberdraht und bunten Steinen, sind immer noch der Stolz der Kötztinger Bürger. Für jeden ist es eine Ehre, wenn das "Kranzl" auf dem Haus ist.

1973 sorgte die Tracht für Aufsehen: das Pfingstbrautpaar Annette Kühlmeyer und Hans-Wolfgang Dittrich mit seinen Begleitern Wolfgang Ludwig (l.) und Josef Held (†). Das Tugendkränzchen und der Favorit, reich verzierte Filigranarbeiten aus Gold- und Silberdraht und bunten Steinen, sind immer noch der Stolz der Kötztinger Bürger. Für jeden ist es eine Ehre, wenn das "Kranzl" auf dem Haus ist.

Von Wolfgang Reimer

Auf dem Wohnzimmertisch hat Edith Dittrich Fotoalben und Zeitungsausschnitte von 1973 ausgebreitet: "Als Gedächtnisstütze", wie die Ehefrau von Dr. Hans-Wolfgang Dittrich, des damaligen Pfingstbräutigams, scherzt. Ein Foto liegt ebenfalls auf dem Tisch: Die Farben sind schon etwas verblasst, die Szene eingefroren.

Die Aufnahme zeigt drei junge Männer und eine fesche Dame vor dem Eingang der Jahnhalle: Die Herren in taubenblauen Jankern, schwarzer Hose, blau-grauem Halstuch und roten Leiberln; die junge Frau im blauen Hochzeitsdirndl mit rosafarbener Schürze. Vor 50 Jahren sorgte das Pfingstbrautpaar Annette Kühlmeyer und Hans-Wolfgang Dittrich mit seinen Begleitern Wolfgang Ludwig und Josef "Sepp" Held (†) mit diesem Outfit für Aufsehen.

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2023: Annette Auzinger und Dr. jur. Hans-Wolfgang Dittrich werden als 50-jähriges Jubelbrautpaar geehrt.

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1891: Der Großvater von Hans-Wolfgang Dittrich war mit seiner Großtante Pfingstbräutigam.

Das Pfingstbrautpaar sollte am Pfingstmontag wieder - wie schon einmal in den 30er Jahren - in bodenständiger Tracht und nicht mit Smoking, Zylinder und Brautkleid auftreten. Zu "verdanken" hatten sie das dem damaligen Kreisheimatpfleger Alwin Geiger und vor allem Dr. Adolf Eichenseer. Der Trachtensachverständige des Regierungsbezirkes Oberpfalz entwickelte eine erneuerte Tracht, die sich an der des Landgerichts Kötzting orientierte. "Von der Idee Eichenseers bis zur Umsetzung am Pfingstmontag, das war schon sehr knapp", blicken Hans-Wolfgang Dittrich und Annette Auzinger zurück. Insbesondere, weil der Bräutigam drei Wochen, die Braut erst 14 Tage vor Pfingsten die Frage vom Stadtpfarrer gestellt bekamen, ob sie die Aufgabe des Pfingstbräutigams beziehungsweise der Pfingstbraut übernehmen wollen. "Das enge Zeitfenster war damals durchaus üblich, aber vor dem Hintergrund, eine angemessene, passende Tracht zu finden, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Wir standen ordentlich unter Druck", gesteht Annette Auzinger.

"Das kommt gar nicht in Frage"

Bei der Familie Dittrich hatte Bürgermeister Karl Seidl schon vorgefühlt. Hans-Wolfgang Dittrich steckte gerade in den Examensvorbereitungen der Rechtswissenschaften in München, gab aber nach Rücksprache mit seinen Eltern grünes Licht, sodass der Anfrage von Pfarrer Josef Rubenbauer nichts mehr im Wege stand. Für Annette Kühlmeyer war das Thema "Pfingstbraut" weit weg: "1973 standen die Abschlussprüfungen der Realschule an", erinnert sie sich an den Tag, als Dittrichs Mutter, ihre Lieblingslehrerin, am Telefon war. "Kommt gar nicht in Frage", lehnten Vater und Mutter der 16-Jährigen ab. Am Ende redete Paula Dittrich den Eltern von Annette gut zu: "Bei so was Wichtigem sagt man als Kötztingerin doch nicht ab." Das wirkte. Am Mittag war die Entscheidung gefallen, am Abend präsentierten sich die beiden am Standortball in Blaibach der Öffentlichkeit.

Gekannt hatten sich die 16-jährige Schülerin und der 25-jährige Student zuvor nicht. "Aber das hat sich im Laufe der Zeit schon eingespielt", lachen die beiden.

Die Zeit drängte: Bis zum Pfingstmontag waren es jetzt noch eineinhalb Wochen: Dr. Eichenseer schickte die Kötztinger an Christi Himmelfahrt mit einem schwarzen, zerschlissenen Mieder ("Als ich das Korsett sah, hätte ich heulen können") - als Schnittmuster - nach Rosenheim zu Brigitte Bogenhauser-Thoma: die bekannte Schneiderin hatte 1972 im Auftrag des Olympischen Komitees Dirndlkleider für die Siegerehrungshostessen entworfen. Und diese Entwürfe mussten sich an historischen Trachten orientieren. "Als ich dann in dem Geschäft war und die Mitarbeiter Schübe mit Dirndlstoffen in verschieden Farben öffneten, wusste ich: Pfingsten kann kommen", lässt die heute 66-Jährige ihre Eindrücke Revue passieren. Ein Antiquariatshändler, der in Nachbarschaft seinen Laden hatte, stellte ihr leihweise noch eine antike Brautkrone zur Verfügung.

"Beifall. Immer wieder Beifall …

Das Trachtengeschäft Bergbauer schneiderte die Janker und Westen für die Männer und so waren das Pfingstbrautpaar und seine Begleiter noch rechtzeitig startbereit. Und das Publikum gab schließlich Dr. Eichenseer und seinen Unterstützern Recht: Als sich Annette Auzinger den Zuschauern auf dem Fenster des Alten Rathauses präsentierte, jubelten die Menschen. In der Kötztinger Zeitung liest sich der Bericht über den Burschen- und Brautzug so: "Beifall begleitete sie durch die Straßen, Beifall. Immer wieder Beifall …"

Die Einführung des Ehrentrunks vor dem Alten Rathaus hielt bis heute: 1973 wurde die Pfingstbraut mit einer Kutsche von ihrem Elternhaus abgeholt und zum Alten Rathaus gebracht. "Jetzt hatte man einen zentralen Ort, an dem sich Einheimische und Besucher zu einer festgelegten Zeit zum Ehrentrunk treffen", erläutert Rechtsanwalt Dittrich. Gefeiert wurde dann in der Jahnhalle: einmal in Tracht, am zweiten Tag der Pfingsthochzeit "traditionell". Wobei man eigentlich darüber streiten könnte, was traditionell ist. Einige Jahre wurde noch in Volkstracht gefeiert, dann kehrten die Kötztinger Pfingstbrautpaare wieder zur modernen Festkleidung zurück. Auzinger und Dittrich bedauern das.

Im Rückblick sei die Zeit des Pfingstfests vor 50 Jahren schnell vergangen. "Die Ereignisse gleiten so schnell vorbei. Wir waren durch die kurze Zeit der Vorbereitungen ohnehin sehr angespannt", blickt das Brautpaar von 1973 zurück. An Schlaf war nicht zu denken. Die Freude über die Einmaligkeit, Teil des Pfingstbrauchtums zu sein, kommt erst später. Das Schönste ist dann die Erinnerung. Auch an den Pfingstritt. 42-mal nahm der 75-jährige Rechtsanwalt noch teil, dann beendete er seine "Karriere".

Und das Schönste am Pfingstritt für Annette Auzinger und Edith Dittrich: "Wenn in der Früh beim Ausritt die Glocken läuten und der feierliche Marsch zum Auszug der Pfingstreiter aus Beethovens siebte Symphonie zu hören ist, dann bekommen wir feuchte Augen. Das ist Pfingsten im eigentlichen Sinne, denn das Religiöse sollte immer im Vordergrund stehen."