Politik

Wie gefährlich ist die Erasmus-Sitftung der AfD?

Kurz vor einer Gerichts-Entscheidung greifen zwei Organisationen die regierenden Parteien an. Sie werden bezichtigt, nichts gegen das Erstarken der AfD-nahen Erasmus-Stiftung zu tun.


Von Christian Grimm

Kurz vor einer Gerichts-Entscheidung greifen zwei Organisationen die regierenden Parteien an. Sie werden bezichtigt, nichts gegen das Erstarken der AfD-nahen Erasmus-Stiftung zu tun

Die Anschuldigung ist heftig: Aus Angst um eigene Pfründe lassen SPD, Grüne und FDP ein Erstarken der AfD zu. Erhoben wird sie vom linken Kampagnenverein Campact und der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. "Wir haben die Regierung, die da die Augen verschließt und zwar alle miteinander", beklagt Miriam Schader von Campact.

Der Direktor der Bildungsstätte, Meron Mendel, nimmt sich gezielt die größte Fraktion des Regierungsbündnisses vor. Der israelisch-deutsche Professor für Soziale Arbeit diagnostiziert der SPD einen "akuten Zustand der Realitätsverweigerung".

Aus Mendels Sicht verschließt die SPD die Augen davor, dass die AfD am morgigen Mittwoch vor einem großen Erfolg steht. Dann wird das Bundesverfassungsgericht sein Urteil verkünden, ob die AfD-nahe "Desiderius-Erasmus-Stiftung" (DES) - ähnlich wie die Stiftung der anderen Parteien - üppig mit Staatsgeld ausgestattet werden muss.

Die AfD hatte vor dem höchsten deutschen Gericht dagegen geklagt, dass ihre Stiftung bislang kein Geld aus dem Bundeshaushalt bezieht. Wie viel Geld welche Stiftung erhält, wird bislang in den Haushaltsverhandlungen des Bundestages festgesetzt. Der Erasmus-Stiftung enthielten die anderen Parteien die Gelder mit der Begründung vor, sie sei nicht verfassungstreu.

Campact und die nach dem von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen Mädchen Anne Frank benannte Bildungsstätte erwarten, dass die Verfassungsrichter im Sinne der AfD urteilen werden. Mendel rechnet damit, dass die Erasmus-Stiftung sogar noch für das laufende Jahr Geld bekommen wird. Eine Schätzung prognostiziert, dass ihr zwischen 60 und 70 Millionen Euro pro Jahr zufließen werden, mit denen sie zum Beispiel Bildungsarbeit finanzieren könnte.

"Mit dem Geld wird die Stiftung Nachwuchs fördern, wir sehen zahlreiche Björn Höckes kommen", befürchtet Mendel.

Eigentlich hatten sich die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, die Finanzierung ihrer Stiftungen gesetzlich neu zu regeln, um auszuschließen, dass die AfD Geld bekommt. Das Ampel-Trio hat bis heute allerdings kein Gesetz zur Reform der Stiftungsfinanzierung auf den Weg gebracht. "Die SPD versucht an allen Ecken und Enden der Koalition, dieses Gesetz zu verhindern, zu verschleppen", kritisiert Mendel. Terminwünsche zum Gespräch mit SPD-Abgeordneten seien zu 80 Prozent abgelehnt worden.

Seine Vermutung ist, dass die Genossen Furcht haben, dass die hohen Summen für die eigene Friedrich-Ebert-Stiftung ins Gerede kommen, sollte die Finanzierung juristisch auf ein neues Fundament gestellt werden. Laut eigenen Angaben hatte die FES im Jahr 2021 einen Etat von 194 Millionen Euro, der hauptsächlich aus Bundes- und Ländermitteln gespeist war.

Die Sozialdemokraten wollten den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. "Wir werden das Urteil am Mittwoch abwarten und zügig koalitionsintern beraten", sagt der Justiziar der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, der AZ. "Es darf keine Steuergelder für Demokratiefeinde geben." "Ich finde es aus Gründen der politischen Hygiene gut, dass das Bundesverfassungsgericht entscheidet", sagt der FDP-Rechtspolitiker Thorsten Lieb der AZ. "Nichts, was wir bisher in einem Gesetz geregelt hätten, hätte dazu geführt, dass sich die Klage erledigt hätte", meint Lieb. Der zuständige Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz war kurzfristig nicht zu erreichen.

Die Otto-Brenner-Stiftung der IG Metall mahnt in ihrem Gutachten: "Entscheidende Akteur*innen sind teilweise seit Jahrzehnten äußerst gut vernetzt und organisiert in der Neuen Rechten". Mit staatlicher Förderung in Millionenhöhe könne die DES menschenfeindliche Positionen fester in der Gesellschaft verankern. Vorsitzende der Stiftung ist die Ex-CDU-Abgeordnete Erika Steinbach, die heute der AfD angehört.