Politik

Welche Interessen verfolgt China im Freistaat?

Die Erkenntnisse eines Fachgesprächs zu "subnationalen" Beziehungen zwischen Bayern und der Volksrepublik sind ernüchternd.


In München leben viele Exil-Uiguren. Hier protestieren sie 2019 mit einem Foto des Präsidenten Xi Jinping gegen die Verfolgung dieser ethnischen Gruppe in China.

In München leben viele Exil-Uiguren. Hier protestieren sie 2019 mit einem Foto des Präsidenten Xi Jinping gegen die Verfolgung dieser ethnischen Gruppe in China.

Von Ralf Müller

Die Mienen wurden immer finsterer: Je mehr die geladenen Experten beim Fachgespräch "Chinas subnationale Diplomatie und die Aktivitäten der Volksrepublik im Freistaat und seinen Kommunen" gestern im Bayerischen Landtag von sich gaben, desto ernster wurden die Gesichter bei den Abgeordneten.

Die Botschaften, die sie hören mussten, klangen alles andere als zuversichtlich: China sei dabei, sich technologisch unabhängig und den europäischen Unternehmen im eigenen Land Konkurrenz zu machen, hieß es. Und auf die Frage nach den Folgen eines Angriffs der Volksrepublik auf Taiwan konnte Georg Stephan Barfuß, Leiter des Referats für Wirtschaft, Wissenschaft und Finanzen der Stadt Regensburg, nur an die alleroberste Instanz appellieren: "Gott steh' uns bei."

Bausback sieht kein "faires Spielfeld"
mit China

Vertreter nahezu aller Landtagsfraktionen machten aus ihren Vorbehalten gegenüber der diktatorisch regierten Volksrepublik kein Hehl.

Der SPD-Europapolitiker und Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher erinnerte an mehrere Vorfälle, bei denen das Münchner Generalkonsulat massiv eingegriffen habe, um unliebsame Vertreter der Uiguren und Menschenrechtsaktivisten aus Veranstaltungen zu verbannen.

Die Nürnberger Freie-Wähler-Abgeordnete Gabi Schmidt hat sich China-Reisen für alle Zeiten abgeschminkt, weil sie "mal was Falsches gesagt" habe.

CSU-Fraktionsvize Winfried Bausback bezweifelte, dass es für bayerisch-chinesische Zusammenarbeit ein "faires Spielfeld" gebe, und der Grünen-Fraktionsvize Florian Siekmann befürchtete, dass es China nur mehr darauf ankomme, Lücken in den eigenen Technologiefähigkeiten zu schließen.

Etliche Parlamentarierstatements mündeten in die Frage: "Wie gut sind wir vorbereitet auf einen Angriff Chinas auf Taiwan?" Die Antworten waren immer die gleichen: nicht gut. Das sagte etwa Saskia Hieber, Dozentin für Internationale Politik an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Hoffentlich sitze man nicht in einem Jahr wieder beisammen, um die verpasste Strategie für diesen Fall zu beklagen.

Das düsterste Szenario hielt Klaus Mühlhahn vom Lehrstuhl für Moderne China-Studien an der Zeppelin Universität Friedrichshafen bereit: Sollte der Taiwan-Konflikt tatsächlich eskalieren, wären China-Embargo und Sanktionen "nicht mehr unser Thema", sondern die Umstellung von einer Friedens- in eine Kriegswirtschaft. Gleichzeitig appellierte Mühlhahn, das Kind der deutsch-chinesischen Wissenschafts-Zusammenarbeit nicht mit dem Bade auszuschütten.

Wenn man etwa die Drähte zwischen den Universitäten kappen würde, würde man vor allem den chinesischen Kollegen schaden, die für eine offene und freie Wissenschaft eintreten. Im Übrigen seien die Zeiten, in denen der Wissens- und Technologiefluss einseitig von West nach Ost gegangen seien, auf vielen Feldern vorbei.

Inzwischen profitiere man auch in Deutschland von der Expertise chinesischer Wissenschaftler.

Christoph Angerbauer, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, sah zumindest mittelfristig keine Alternative zum Handel mit dem Reich der Mitte. Ohne dass sie dazu angehalten werden müssten, versuchten die Unternehmen ohnehin alles, um die zum Teil enorme Abhängigkeit von China durch Diversifizierung zu reduzieren, doch das gehe so schnell nicht. So verkaufe BMW 800 000 Autos pro Jahr in China, aber nur 8000 in Indien. Diese Unterschiede "diversifizieren Sie nicht einfach weg", so Angerbauer.