Migration

Umstrittene Abschiebepraxis in den USA beendet


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Menschen stehen hinter der Grenzmauer zwischen Mexiko und USA und hoffen darauf, in die USA einreisen zu können.

Von dpa

Mit großer Ungewissheit bangen Zehntausende Migranten an der südlichen Grenze der USA um ihre Zukunft.

Mit der Aufhebung des Corona-Notstandes in den Vereinigten Staaten endete in der Nacht auch eine umstrittene Abschiebepraxis, die in den vergangenen Jahren unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle Zurückweisung von Migranten ermöglicht hatte. Viele der Migranten aus Mittel- und Südamerika hatten sich durch den Wegfall der sogenannten Titel-42-Regelung einst bessere Chancen für eine Aufnahme in den USA erhofft, sind aber zunehmend desillusioniert. Denn die US-Regierung hat zahlreiche Maßnahmen erlassen, um dem Andrang an der Grenze entgegenzusteuern.

US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas versuchte am Freitag erneut, falsche Erwartungen zu dämpfen. "Die Grenze ist nicht offen", teilte er mit dem Auslaufen der umstrittenen Abschiebepraxis mit. Ab sofort würden Menschen, die an der Grenze ankommen, ohne einen legalen Weg zu nutzen, als zunächst nicht mehr asylberechtigt gelten, erklärte er weiter. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Vorgehen der Regierung von US-Präsident Joe Biden scharf. "Es gibt keinen Grund, das Ende der Titel-42-Regelung zu feiern. Denn es gibt eine neue Regelung, die neue Hindernisse schafft und Strafen für Menschen vorsieht, die in den USA Zuflucht suchen", sagte Mary Meg McCarthy vom Zentrum für Einwandererrechte.

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«Die Grenze ist nicht offen»: US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas.

Am Freitagmorgen (Ortszeit) sprach die Regierung Mexikos von einer "ruhigen und normalen" Situation, ohne größeren Andrang oder bedeutende Zwischenfälle. "Es gab keine Konfrontationen oder gewalttätige Situationen an der Grenze", sagte Außenminister Marcelo Ebrard. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor gewarnt, die Situation an der Grenze werde noch "für eine Weile chaotisch" bleiben.

Die Titel-42-Regelung ermöglicht es, Menschen von der Einreise in die USA abzuhalten, wenn durch Einschleppung von Krankheiten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit besteht. Im März 2020 - unter dem Eindruck der Corona-Pandemie - wurden die Grenzschutzbehörden unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump angewiesen, diese Regel anzuwenden. So wurde unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle und unbürokratische Zurückweisung von Migranten möglich - noch bevor diese überhaupt einen Asylantrag stellen konnten.

2,8 Millionen Abschiebungen soll es binnen drei Jahren unter Anwendung der Titel-42-Regelung gegeben haben. Eigentlich sollte die Regelung bereits im vergangenen Jahr auslaufen, doch mehrere US-Bundesstaaten, darunter Arizona und Texas, erhoben Einspruch - und bekamen Recht. Erst mit dem Auslaufen des Corona-Notstands endete die umstrittene Abschiebepraxis.

Die USA kehren nun zur Anwendung der sogenannten Titel-8-Regelung zurück. Der administrative Aufwand für die Grenzschützer ist damit höher, denn Migranten dürfen nicht mehr ohne reguläres Verfahren abgeschoben werden. Dass bedeutet aber nicht unbedingt, dass sich ihre Chancen für einen positiven Asylbescheid erhöhen. Gleichzeitig gibt es eine strengere Handhabe: So sieht die Titel-8-Regelung im Falle eines illegalen Einwanderungsversuchs ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot vor. Es können auch Geld- und Gefängnisstrafen verhängt werden. Viele Migranten befürchten zudem, dass sie künftig nicht wie bisher nach Mexiko, sondern in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Daneben hat die US-Regierung eine ganze Reihe an Maßnahmen erlassen, um den Andrang an der Grenze zu verringern. Migranten, die in die USA wollen, müssen über eine App einen Termin bei der Grenzbehörde buchen. Doch es werden nur begrenzt Termine freigeschaltet und viele Menschen an der Grenze berichten, die Software sei überlastet. Die US-Regierung hat zudem zusätzliches Personal an die Grenze geschickt. Unter anderem sollen 1500 Soldaten den Behörden in der Grenzregion zunächst für 90 Tage bei administrativen Aufgaben wie Dateneingabe und Lagerunterstützung helfen.

Ende April kündigte die US-Regierung ferner an, unter anderem in Kolumbien und Guatemala Migrationszentren zu eröffnen und die Erstregistrierung von Asylsuchenden dorthin zu verlagern. Man wolle den Menschen auf diese Weise die oft gefährliche Reise zur Grenze der USA "ersparen", hieß es.

Die Zahl der Migranten im Norden Mexikos, die auf eine Einreise in die USA hoffen, beläuft sich US-Medienberichten zufolge derzeit auf 150.000. Laut mexikanischen Angaben sind es deutlich weniger. Weil viele die neuen Regeln schwer einschätzen können, versuchten einige bereits am Donnerstag und in den Tagen davor die Grenze zu überqueren.

"Es gibt Gerüchte, dass die Regelungen jetzt strenger werden und wir nicht so leicht durchkommen", sagte eine 24-jährige Mexikanerin der Deutschen Presse-Agentur. Mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern war sie im März in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana - gegenüber von San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien - angekommen. In Tijuana kamen nach Behördenangaben zuletzt täglich rund 500 bis 700 Migranten an, mehr als doppelt so viele wie zuvor. Hunderte schafften es in den vergangenen Tagen, eine erste Mauer auf US-Boden zu überwinden und warten nun in einem Bereich vor der zweiten Mauer, um sich den Grenzschutzbeamten zu stellen, damit ihre Fälle geprüft werden.

"Wir beten zu Gott, dass sie uns die Möglichkeit geben, mit einem Termin einzureisen. Wir wollen nicht illegal einreisen", sagte eine Frau aus Venezuela. Die 55-Jährige hat Angst, in ihr Land abgeschoben zu werden. "Bis jetzt haben wir noch keinen Plan B, aber wir wollen nicht zurück nach Venezuela."

Die Migrantenunterkünfte in Tijuana sind voll. Ähnlich ist die Situation in Grenzstädten wie Ciudad Juárez, wo im März 40 Migranten bei einem Brand in einer Sammelstelle der Einwanderungsbehörde INM ums Leben kamen. Auch im Süden von Mexiko warten Tausende Menschen auf Einreisedokumente, um sich legal durch das Land in Richtung Norden zu begeben. Die lokalen Einrichtungen, die sich um die Betreuung von Migranten kümmern, bereiten sich auf harte Tage vor - und decken sich ein mit Wasser, Decken und Medikamenten.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.