Grüne Abgeordnete

Tessa Ganserer: Die erste Transfrau im Bayerischen Landtag


Selbstbewusster Auftritt: Tessa Ganserer gestern bei ihrer Pressekonferenz im Landtag.

Selbstbewusster Auftritt: Tessa Ganserer gestern bei ihrer Pressekonferenz im Landtag.

Von Jeanne Jacobs / Onlineredaktion

"Ich habe mir das nicht ausgesucht", sagt die Grüne Tessa Ganserer - und fordert Reformen. Ilse Aigner (CSU) stellt sich hinter sie.

München - Sie wirkt zurückhaltend, aber entschlossen: "Ich mache das nicht zum Spaß", sagt die bayerische Grüne Tessa Ganserer. Sie habe sich nicht ausgesucht, eine Frau zu sein. Transidentität sei weder Krankheit noch Modeerscheinung. Sie definiere sich als Frau und wolle, dass ihre Geschlechtsidentität in vollem Umfang akzeptiert werde. "Ich möchte als Frau Tessa Ganserer angesprochen werden, auch wenn das für viele Menschen gewöhnungsbedürftig ist."

Die 41-Jährige ist die erste transidente Abgeordnete der Bundesrepublik. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass sich hierzulande etwa 700.000 Menschen nicht dem Geschlecht zugehörigen fühlen, mit dem sie offiziell geboren wurden.

2013 war Ganserer in den Bayerischen Landtag eingezogen, damals noch als Markus, verheiratet und zweifacher Vater aus Zwiesel. Ende 2018 erklärte sie öffentlich, dass sie fortan als Frau behandelt werden will.

Ihr "Schlüsselerlebnis" liege etwa zehn Jahre zurück, erzählt sie nun auf einer Pressekonferenz, die kurzfristig in einen größeren Raum verlegt werden muss, weil der Andrang enorm ist. Damals sei Markus in ein Kleid seiner Frau geschlüpft und habe sofort gespürt, "dass da mehr ist": der dringende Wunsch, als Frau zu leben.

"Am Ende hatte ich keine Kraft mehr, mich zu verstecken"

Es dauerte zwei Jahre, bis er sich seiner Frau offenbarte, die zu ihm hielt, - und acht weitere, bis er für immer verschwand. Die Zeit bis zu ihrem Coming Out sei extrem qualvoll gewesen, sagt Tessa Ganserer. "Am Ende hatte ich keine Kraft mehr, mich zu verstecken."

Die Reaktionen der Landtagskollegen seien positiv gewesen, "auch aus anderen Fraktionen". Sie habe zudem von vielen fremden Menschen Zuspruch erhalten, "darunter handschriftliche Briefe. Das hat mir viel Kraft zurückgegeben." Hohn und Spott seien allerdings nicht ausgeblieben. Sowenig wie Diffamierungen auf Internet-Seiten der AfD.

Vergangene Woche traf sich Tessa Ganserer mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). Diese stellt sich nun hinter sie. "Aus einem Kollegen wird eine Kollegin - das sollte hier im Haus kein Problem sein", sagt Aigner. "Mir ist die Persönlichkeit eines Menschen immer wichtiger als das Geschlecht." Ganserer habe eine mutige Entscheidung getroffen.

"Wie wir bis zum Abschluss des Namensänderungsverfahrens mit der Situation umgehen, werden wir noch im Einzelnen beraten", so Aigner weiter. Man sei auf einem guten Weg. "Bis dahin wird Frau Ganserer von uns als Frau angesprochen und behandelt - auch, wenn sie laut Personenstandsregister vorläufig noch ein Mann ist."

Ganserer fordert Aktionsplan

Die Pressekonferenz nutzt Tessa Ganserer auch, um Forderungen an die Staatsregierung zu stellen - etwa die, nach einem Aktionsplan für Vielfalt gegen Homophobie und Transphobie: "Bayern ist das einzige Bundesland, das keinen solchen Aktionsplan erstellt hat." Trotz aller Fortschritte seien Trans- und Intersexuelle sowie Nonbinäre - Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen - noch immer von Alltagsdiskriminierung und Beleidigungen betroffen, genau wie Schwule, Lesben und Bisexuelle.

Die Staatsregierung müsse sich außerdem beim Bund dafür einsetzen, dass das Transsexuellengesetz von 1980 schnell durch ein Gesetz zur selbstbestimmten Geschlechtsfestlegung ersetzt werde. "Bereits sechs Mal hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt", sagt Ganserer. Zudem sei die verlangte psychologische Zwangsbegutachtung verletzend.

Darüber hinaus sei es wichtig, dass es in Bayern Leitlinien für den Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt im öffentlichen Dienst gebe. Für ein diskriminierungsfreies Miteinander werde es nicht ausreichen, bei Stellenausschreibungen die dritte Option neben männlich und weiblich zu ermöglichen.

Die Pressekonferenz ist nach einer guten Stunde gemeistert, doch eine gewaltige Herausforderung steht Tessa Ganserer noch bevor: Kommenden Mittwoch wird sie erstmals in der Vollversammlung des Landtags ihren Platz einnehmen, in dem seit Herbst auch die AfD vertreten ist.