Schlechte Stimmung im Innenministerium

Noch-CSU-Chef Seehofer: Der Schattenminister


Angeblich nur selten im Innenministerium: Horst Seehofer genießt unter seinen Mitarbeitern keinen guten Ruf.

Angeblich nur selten im Innenministerium: Horst Seehofer genießt unter seinen Mitarbeitern keinen guten Ruf.

Von Sven Geißelhardt

Im Innenministerium ist die Stimmung schlecht wie noch nie - Experten der Fraktionen üben scharfe Kritik an der Amtsführung von Noch-CSU-Chef Seehofer.

Benjamin Strasser wollte es wissen. Seit Beginn der Legislaturperiode sitzt der 31-jährige FDP-Abgeordnete aus Oberschwaben im Innenausschuss des Bundestags, doch obwohl Innenminister Horst Seehofer (CSU) in seinem Haus für den Bereich Heimatpolitik eine Abteilung mit fast 100 Planstellen geschaffen hat, war von deren Arbeit nichts zu sehen und zu hören.

Daher richtete der Rechtsanwalt aus dem Wahlkreis Ravensburg eine parlamentarische Anfrage an das Innenministerium: "Welche konkreten gesetzgeberischen Initiativen wurden seit dem Amtsantritt der aktuellen Bundesregierung im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat durch die Unterabteilungen Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sowie Raumordnung, Regionalpolitik und Landesplanung erarbeitet?", lautete seine erste von zwölf Fragen.

Keine Gesetzesinitiativen aus dem Innenministerium

Doch die Antwort aus dem Hause von Noch-CSU-Chef Horst Seehofer fiel ziemlich knapp aus. "In den drei Unterabteilungen der Heimatabteilung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erfolgten seit Amtsantritt der neuen Bundesregierung keine gesetzgeberischen Initiativen."

Benjamin Strasser hat dafür kein Verständnis. Seit genau 250 Tagen sei Seehofer nun Minister, die Heimatabteilung habe ihre Arbeit längst aufgenommen, "doch es gab in dieser Zeit keine einzige Idee oder Gesetzesinitiative", sagte er der AZ. "Das ist ein politischer Offenbarungseid."

Seehofer weiterhin Innenminister - Unverständnis und Unruhe in Berlin

Keine Einzelstimme. Dass Seehofer im Januar zwar als CSU-Chef zurücktreten, sein Amt als Innenminister aber behalten möchte, sorgt in Berlin für Unverständnis und Unruhe, zumal Seehofer in den ersten 250 Tagen seit seiner Vereidigung im März wenig Interesse an dieser Aufgabe gezeigt hat.

"Offenbar allein getrieben von dem Gedanken, die Kanzlerin um jeden Preis im Amt überleben zu wollen, agiert Seehofer in seinem Amt ohne Konzept und ohne große Linie", sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae der AZ und kommt zu dem Schluss: "Weder wird er den Aufgaben eines Bundesinnenministers gerecht, noch entfaltet er das nötige politische Fingerspitzengefühl".

Schlechte Stimmung in "Seehofers Spukschloss"

Das bleibt nicht ohne Folgen. In Berlin wird das einst so stolze Innenministerium spöttisch "Seehofers Spukschloss" genannt, die Stimmung im Hause sei so schlecht wie noch nie, die Fluktuation hoch. Das Ressort habe Schwierigkeiten, qualifizierte Beamte zu finden, in der neuen Abteilung Heimat seien noch etliche Stellen unbesetzt.

Im Gegensatz zu seinem preußisch korrekten Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) kümmere sich der Ressortchef nicht um sein Haus, sondern überlasse alles seinen Staatssekretären, die er mit umfassenden Vollmachten ausgestattet habe.

Kritik an der Abwesenheit des "Di-Mi-Do-Ministers"

Vor allem aber werden die häufigen Abwesenheiten kritisiert. Schon früher wurde über den "Di-Mi-Do-Minister" gespottet, der freitags zeitig nach Bayern fährt und erst am späten Montagnachmittag aus München an den Schreibtisch zurückkehrt. Daran habe sich "nichts geändert", so Insider. Manchmal sei der Minister stundenlang nicht zu erreichen.

Aus der Beamtenschaft ist zu hören, Seehofer sei oberflächlich, unberechenbar und sprunghaft, zeige kein Interesse sich in komplexe Fragen einzuarbeiten und habe durch seine "Oppositionsrhetorik" im Amt die Latte, beispielsweise bei der Durchführbarkeit von Abschiebungen, so hoch gelegt, dass er nur scheitern könne.

So kommt denn der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Konstantin von Notz, zu einem vernichtenden Urteil: "Aus parteiinternen, politischen Motiven ein so bedeutendes Ministerium wie das Innenministerium erst ohne fachliche Kenntnis zu übernehmen, es anschließend mit Themen zu überborden und es nun, als sei nichts gewesen, dermaßen lieblos einfach weiter führen zu wollen, ist politisch äußerst schwierig und auch sicherheitspolitisch schlicht unverantwortlich."