Finanzen

Lindner findet Neubau «entbehrlich»: Kanzleramt soll sparen

Finanzminister Christian Lindner hat seine Kollegen zum Sparen aufgerufen. Damit meint er auch Olaf Scholz - und er ahnt, dass seine Idee dem Kanzler missfallen könnte.


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Christian Lindner (l.) und Olaf Scholz zu Beginn einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt.

Im Haushaltsstreit der Ampel-Koalition macht Finanzminister Christian Lindner auch vor Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Kanzleramt nicht Halt.

"Ich glaube, dass wir für den Haushalt 2024 auch im Bereich der Regierung im engeren Sinne sparen müssen", sagte der FDP-Chef am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger". Der konkrete Vorstoß dürfte Scholz nicht erfreuen: Lindner stellt den geplanten Neubau neben dem Kanzleramt für rund 777 Millionen Euro infrage.

"Ich glaube, dass in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten ein mindestens 800 Millionen teurer Neubau neben dem Kanzleramt entbehrlich ist", sagte der Finanzminister in der Sendung. Das Kanzleramt wollte sich zunächst nicht dazu äußern.

Hintergrund von Lindners Vorstoß ist der koalitionsinterne Streit über den Etat des kommenden Jahres. Die Fachminister haben Zusatzwünsche von rund 70 Milliarden Euro angemeldet, für die der Finanzminister keinen Spielraum sieht, wenn die Schuldenbremse eingehalten und auf Steuererhöhungen verzichtet wird. Der FDP-Chef attestiert dem Bund ein Ausgabeproblem und verlangt Verzicht von Ministern und Kanzleramt. Erst wenn das erreicht ist, will er seinen Haushaltsentwurf dem Kabinett vorlegen.

Der geplante Erweiterungsbau des Kanzleramts steht schon länger in der Kritik. Nach Schätzung aus Regierungskreisen vom vergangenen Herbst soll der Sandsteinbau mit etwa 400 Büros etwa 177 Millionen Euro mehr kosten als ursprünglich geplant. Bei der Entscheidung für den Neubau 2019 waren demnach noch 600 Millionen Euro veranschlagt worden.

Damit soll der Neubau teurer werden als das eigentliche Kanzleramtsgebäude, das der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2001 bezog. Scholz hatte den Neubau im vergangenen Sommer öffentlich verteidigt. "Ich glaube, dass so eine lange vorbereitete Planung, die jetzt sehr weit fortgeschritten ist, auch zu Ende geführt werden muss", hatte er gesagt.

Nötig ist der Neubau aus Sicht der Regierung, weil die Belegschaft im Kanzleramt in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gewachsen ist. Nach Angaben vom September gab es 770 Mitarbeiter, von denen sich 600 in das für nur 400 Mitarbeiter ausgelegte Kanzleramt zwängten. Die restlichen 170 verteilten sich auf drei weitere Standorte in Berlin.

Lindner argumentierte, seit der Corona-Pandemie sei ortsflexibles Arbeiten normaler geworden. Zumindest im Finanzministerium arbeiteten viele Mitarbeiter inzwischen von zu Hause oder unterwegs. Daraus folge, dass man Büroflächen anders nutzen und begrenzen könne. "Warum dann also noch ein so teurer Neubau?", sagte Lindner. Mit Blick auf Kanzler Olaf Scholz (SPD) fügte er an: "Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe. Aber das ist mein Job."

Lob bekam er dafür am Donnerstag aus der Opposition. "Es ist doch absurd, dass die Ampel an die Bevölkerung wohlfeile Spartipps verteilt, aber gleichzeitig am Erweiterungsbau mit explodierenden Kosten festhält. Ich hoffe sehr, dass Minister Lindner sich hier durchsetzen kann", erklärte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange.

Auch der Bund der Steuerzahler betonte, angesichts hoher Schulden, einer lahmenden Konjunktur und weiterhin hoher Inflation sei eine Verdopplung des Kanzleramts völlig unpassend. "Das Mega-Projekt mit einer Kostenprognose von inzwischen 777 Millionen Euro muss in dieser Form gestoppt werden!", sagte Präsident Reiner Holznagel. Das Bundeskanzleramt sei bereits heute größer als das Weiße Haus in Washington und der Élysée-Palast in Paris. "Wir brauchen eine Generalrevision für Prestigebauten der Politik", forderte Holznagel.

Im Kanzleramt argumentierte man im Herbst, die Konzentration der Arbeitsplätze an einem Ort werde die Produktivität steigern. Man habe sich angesichts der Krise zwar angeschaut, was ein Ausstieg aus dem Bauvorhaben bedeuten würde, "das aber nicht als Alternative gesehen".

Nach bisherigen Plänen soll das bogenförmige Gebäude im Jahr 2028 fertig sein. Es soll im derzeitigen Kanzlergarten auf der anderen Spreeseite, also gegenüber des Hauptgebäudes, entstehen und das sogenannte "Band des Bundes" nach Westen abschließen. Zu diesem Gebäudeensemble gehören auch zwei Bauten des Bundestags, die sich im Osten an das Kanzleramt anschließen.