Politik

Frust beim Flüchtlingsgipfel: Kaum mehr als Händeschütteln

Bei der Aufnahme von Geflüchteten sind viele Kommunen am Limit. Ein Gipfel zum Thema soll Lösungen bringen. Was bleibt ist aber: Frust.


Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beim Flüchtlingsgipfel in Berlin. Gerade in Bayern sind viele Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete voll.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) beim Flüchtlingsgipfel in Berlin. Gerade in Bayern sind viele Erstaufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete voll.

Von vsr, abc, tay

Landrat Gernot Schmidt fühlt sich alleingelassen. "Das Kernproblem ist, dass Land und Bund es sich sehr einfach machen", empört sich der SPD-Politiker. 5000 Geflüchtete habe sein Landkreis Märkisch-Oderland östlich von Berlin seit 2015 aufgenommen. Vor allem Familien kämen und blieben bei ihm in der Region.

Nun sei Wohnraum knapp, es fehlten Kitas und Schulen. "Es hängt alles am Ausbau der Infrastruktur", sagt Schmidt. Nötig seien mehr Investitionen und weniger Bürokratie, damit schneller gebaut werden könne.

Schnelleres Bauen von Unterkünften - das war nur einer von vielen Knackpunkten gestern beim Flüchtlingsgipfel von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Am Ende zeigte sich der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, jedoch enttäuscht. Dass man gut eineinhalb Stunden länger als geplant beraten habe, heiße nicht, dass es "hervorragende Ergebnisse" gebe.

In Bayern sind die Einrichtungen zu 90 Prozent belegt

Er bekräftigte, dass er eigentlich lieber mit Bundeskanzler Olaf Scholz gesprochen hätte und da vor allem über mehr Geld für die Kommunen. Forderungen nach neuen Milliardenhilfen des Bundes für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten hatte Faeser schon vor dem Gipfel abgeblockt - mit Hinweis auf die bereits zugesagten 3,5 Milliarden Euro für 2022 und weitere 2,75 Milliarden Euro für 2023.

Nach dem Treffen sagte die Innenministerin, es gebe einen klaren Fahrplan, um Ostern herum mit dem Bundeskanzler erneut über Finanzen zu verhandeln.

Bis dahin sollen auch jetzt vereinbarte Arbeitskreise zu den wichtigsten Themen - Unterbringung, schnellere Verfahren, Integration und "Begrenzung irregulärer Migration" - Ergebnisse vorlegen. Und Faeser versprach, sich in der EU für eine bessere Verteilung der Ukraine-Flüchtlinge einzusetzen. Patentrezepte hatte sie nicht im Angebot.

Die Zahlen: Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kamen 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland. Berücksichtigt man die Wegzüge, kommt das Statistische Bundesamt auf eine Nettozuwanderung von 962 000 Menschen aus der Ukraine. Darüber hinaus beantragten 2022 hier 217 774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl - so viele wie seit 2016 nicht.

Im Januar 2023 kamen 29 072 Asylanträge hinzu.

Die Unterbringung: "Viele Kommunen sind bei der Unterbringung von Geflüchteten bereits jetzt an der Belastungsgrenze angekommen", heißt es in einem Papier des Städte- und Gemeindebunds. Faeser rechnet vor, dass der Bund 333 Gebäude mit bis zu 69 000 Plätzen mietfrei überlasse. Kommunen klagen allerdings, nicht immer seien die Gebäude ohne Sanierung nutzbar. Der Mediendienst Migration recherchierte, dass seit März 2022 bundesweit rund 74 000 Aufnahmeplätze geschaffen wurden.

Bei der Auslastung gebe es Unterschiede: In Bayern seien die Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen zu 90 Prozent belegt, in Hessen zu 50 Prozent. Auch Faeser sagte: "Die Belastungssituation ist unterschiedlich, die ist in einigen Bereichen sehr prekär."

Die Verteilung: Grundsätzlich gilt: Regionen mit wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit werden relativ viele Schutzsuchende zugewiesen, sie haben aber oft wenig bezahlbaren Wohnraum. Genau aus diesem Grund forderten Kommunalpolitiker aus dem Main-Taunus-Kreis von Bundeskanzler Scholz andere Kriterien für die Zuweisung neuer Flüchtlinge.

Herrmann fordert ein klares Signal gegen illegale Migration

Eine "gerechtere Verteilung" mahnten diese Woche aber auch Cottbus und der angrenzende Landkreis Spree-Neiße an. Die Stadt hätte laut Schlüssel 1120 Asylbewerber aufnehmen müssen, hat aber bereits mehr als 1400 untergebracht. Grund ist wohl weniger die Wirtschaftsstärke als die Nähe zur polnischen Grenze.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte bereits im Vorfeld des Gipfels eine härtere Gangart im "Handelsblatt" gefordert. Herrmann sprach von der Notwendigkeit eines unmissverständlichen Signals, dass es keine weiteren Aufnahmeprogramme mehr gebe.

Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte nach Faesers Gipfel, der ganze "Mindset" der Ampel müsse sich ändern hin zur schärferen Begrenzung der Migration.

Was es noch braucht: Vor allem die mit ihren Müttern geflüchteten Kinder aus der Ukraine brauchen Kitas und Schulen - wobei in Ballungsräumen ohnehin schon Lehrerinnen- und Erziehermangel herrscht. Landrat Schmidt aus Märkisch-Oderland verweist auf das Konfliktpotenzial: Die Kinder hätten einen Bildungsanspruch, aber wenn die Gruppen und Klassen zu groß würden, gebe es Unmut der übrigen Eltern.

Schmidt ist auch dafür, Asylbewerbern ähnlich wie den Geflüchteten aus der Ukraine sofort eine Arbeitserlaubnis zu geben. Immer wieder höre er die Klage von Bürgern, dass die Ankommenden über Jahre in Sozialsystemen blieben.