AZ-Interview

Florian Post: Deshalb lag ich in der Nahles-Frage richtig


Florian Post: "Unterm Strich hat die ganze Debatte der SPD sicher nicht genutzt."

Florian Post: "Unterm Strich hat die ganze Debatte der SPD sicher nicht genutzt."

Von Guido Verstegen / Online

SPD-Mann Florian Post sieht sich als Opfer der ehemaligen Parteichefin - und er erklärt, dass seine massive Kritik an ihrer Amtsführung durchaus begründet war.

Der 38-jährige gebürtige Oberpfälzer ist SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis München Nord.

AZ: Herr Post, sind Sie ein Frauenfeind?
FLORIAN POST: Was für eine Frage, natürlich nicht. Wenn ich Kritik äußere, dann wegen Inhalten oder Stil. Das hat nicht das Geringste mit dem Geschlecht zu tun. Ja, ich bin Mitglied im "Verein für deutliche Aussprache" und stecke natürlich auch entsprechend ein, auch hier gilt eine Art Gleichberechtigung.

Gibt es in der SPD also keinen Herren-Club, wie es vielfach hieß, der Andrea Nahles "abgesägt" hat?
Ich kenne jedenfalls keinen. Im Gegenteil: Es waren viele Kolleginnen dabei, die gesagt haben, dass sie es genauso sehen wie ich. Die Diskussion um die Vorsitzende ging schon länger, was nicht überraschen dürfte. Also nochmal: Es waren auffällig viele Kolleginnen, die Nahles kritisiert haben und auffällig wenige, die ihr vor dem Rücktritt beigesprungen sind.

Florian Post: Das hat Andrea Nahles falsch gemacht

Aber sogar die Kanzlerin hat Ihre Ex-Parteichefin als "Sozialdemokratin mit Herz" und "feinen Charakter" gelobt. Was hat Nahles falsch gemacht? In wenigen Worten!
Sich nur mit Getreuen umgeben, wenig bis gar nicht mit anderen Positionen und Meinungen auseinandergesetzt und zu sehr mit Bestrafungen gegen innerparteiliche Gegner gearbeitet. Das hat sie viel Rückhalt gekostet.

14. Juni 2018: Florian Post, bayerischer SPD-Bundestagsabgeordneter, spricht in einem Fußball-Trikot des Nationalspielers Thomas Müller vor Sitzungsbeginn mit Andrea Nahles, der damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag.

14. Juni 2018: Florian Post, bayerischer SPD-Bundestagsabgeordneter, spricht in einem Fußball-Trikot des Nationalspielers Thomas Müller vor Sitzungsbeginn mit Andrea Nahles, der damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag.

Verspüren Sie Genugtuung, jetzt, da Nahles weg ist?
Nein, Respekt vor ihrem Schritt. Unterm Strich hat die ganze Debatte der SPD sicher nicht genutzt.

Warum hat ausgerechnet Florian Post als einziger Bundestagsabgeordneter der Bayern-SPD so massiv Kritik an der Bundesvorsitzenden geübt?
Als Erster hat der damals neu gewählte SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Horst Arnold, Andrea Nahles in seinem ersten Interview infrage gestellt. Er forderte wörtlich, Kevin Kühnert solle die Partei führen. Im Gegensatz zu vielen habe ich immer mit offenem Visier agiert, mich mit Namen zitieren lassen und in der Fraktion das Wort ergriffen. Daher fühle ich mich beim Vorwurf Mobbing sicher nicht gemeint.

Warum wurden Sie aus dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags abberufen? Rache für Ihre Haltung gegenüber Andrea Nahles?
Sie hatte entschieden, dass ich den Ausschuss verlassen soll. Das war begründet mit meinem abweichenden Abstimmungsverhalten gegen den aus meiner Sicht faulen Kompromiss beim Paragrafen 219a. Vorher hatte ich offen die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien kritisiert und als Erster öffentlich die damals geplante Beförderung von Hans-Georg Maaßen angeprangert. Ich habe meine Abberufung als Strafaktion wegen meiner politischen Haltung empfunden, mich hat das auch verletzt.

Florian Post: "Ich habe Ecken und Kanten"

Manche bezeichnen Sie als Sprachrohr oder sogar Marionette von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel. Sind Sie's?
Diesen Vorwurf höre ich seit geraumer Zeit, eigenartigerweise nicht offen. Ich bin mit Sigmar Gabriel befreundet, das stimmt. Wir stimmen politisch oft überein. Aber weder er noch ich haben es nötig, uns einander gegenseitig zu bedienen. Gerade bei Sigmar Gabriel kann doch gar kein Zweifel daran aufkommen, dass er sich jederzeit Gehör verschaffen kann. Ich handle eigenverantwortlich, stehe zu meinem Wort und trage, wenn es sein muss, auch die Konsequenzen. Ich habe Ecken und Kanten, keine Frage.

Mal generell gefragt: Ist die SPD überhaupt noch zu retten? Und wenn ja, wie?
Man sollte nicht immer gleich ein Weltuntergangsszenario heraufbeschwören, diese Partei hat schon Härteres durchgemacht. Wenn wir uns um die Probleme der Menschen kümmern und uns ganz klar und hart vom Koalitionspartner, der Union, abgrenzen - genauso wie von Grünen und Linken -, dann wird es mit der SPD wieder aufwärts gehen.

Wäre die Aufkündigung der Großen Koalition eine Möglichkeit, um die SPD wieder aus dem Tief herauszuholen?
Die Aufkündigung darf nicht Selbstzweck sein. Wenn wir mit der Union keine Verbesserungen durchsetzen können - bezahlbares Wohnen, soziales Bodenrecht oder die Grundrente -, dann sehe ich keine Existenzberechtigung für eine Große Koalition mehr. Aber die SPD wird sicher nicht taktisch agieren und aus Aktionismus die Regierung sprengen.

Florian Post: "Unser Problem ist das Profil"

Wer wäre denn ein möglicher SPD-Retter? Bitte um eine konkrete Antwort!
Oder eine Retterin oder beides. Aber ich werde jetzt ganz sicher nicht die nächste Personaldebatte lostreten. Unser Problem ist das Profil, nicht die Köpfe. Wir haben viele fähige Personen in der SPD…

…zum Beispiel?
Das Trio, das gerade unsere Partei führt (Malu Dreyer, Manuela Schwesig, Thorsten Schäfer-Gümbel, d. Red.), das sind fähige Leute. Leider haben sie sich vor vornherein aus dem Rennen genommen.

Zu Ihnen persönlich: Glauben Sie, dass Sie noch etwas werden in der Bayern-SPD? Parteichefin Natascha Kohnen gilt nicht als Ihr größter Fan.
Ich bin von allen Bundes- und Landtagsabgeordneten der Bayern-SPD mit 38 Jahren der jüngste und hatte mit 26 Prozent zudem das beste Wahlergebnis in Oberbayern. Wer weiß, was die Zukunft bringt.

Lesen Sie her: Natascha Kohnen im AZ-Interview