Politik

FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae im AZ-Interview: "Ohne Einwanderung gäbe es keinen Ausweg"

FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae über Fachkraft-Pläne der Ampel und Unionskritik


FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae

FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae

Von Bernhard Junginger

AZ-Interview mit Stephan Thomae: Der 54-jährige Jurist aus Kempten im Allgäu ist Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag.i

AZ: Herr Thomae, Deutsche Unternehmen klagen, dass sie bis zu zwei Millionen offene Stellen nicht besetzen können. Welche Folgen hat das und was will die Bundesregierung dagegen tun?

STEPHAN THOMAE: Der Arbeitskräftemangel gefährdet Wirtschaft und soziale Sicherheit in unserem Land. In den Unternehmen fehlen Arbeitskräfte, private Haushalte müssen lange auf Handwerkertermine warten, den Gaststätten und Geschäften geht das Service- und Verkaufspersonal aus. Die Renten sind nur dann sicher, wenn es auch in Zukunft genug Beitragszahler gibt, vor allem, wenn die geburtenstarken Jahrgänge jetzt in Rente gehen. Ohne Einwanderung aus anderen Ländern gäbe es wohl keinen Ausweg aus dieser Sackgasse. Daher müssen wir Deutschland zum attraktivsten Einwanderungsland Europas machen. Dazu braucht es in erster Linie ein modernes Einwanderungsrecht, das Einwanderung erleichtert, statt es den Menschen mit zusätzlichen bürokratischen Hürden schwer zu machen. Menschen mit tollen Ideen, mit dem Willen, etwas erreichen zu wollen, sollten wir mit offenen Armen empfangen und damit auch auf sympathieweckende Weise werben.

In Deutschland sind aktuell 2,4 Millionen Menschen arbeitslos, darunter viele, die zugewandert sind. Zwei Drittel der seit 2015 gekommenen Syrer leben laut Bundesanstalt für Arbeit etwa von Sozialleistungen. Woran scheitert bei so vielen Zuwanderern die Integration in den Arbeitsmarkt?

Hier hakt es noch an einigen Punkten, etwa bei Sprache, Bürokratie oder bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Ein Erfolg ist es, dass die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr den sogenannten Chancen-Aufenthalt eingeführt hat, der es langjährig Geduldeten ermöglicht, die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erfüllen. Statt im Sozialsystem hängenzubleiben, geben wir diesen Menschen die Chance, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und etwas zu unserer Gesellschaft beizutragen.

In CDU und CSU gibt es Kritik am Plan, Zuwanderern schneller die Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, demnach werde der deutsche Pass gewissermaßen "verramscht"...

Von Verramschen kann hier keine Rede sein. Niemand bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit einfach so geschenkt. Es gelten nach wie vor hohe Integrationsanforderungen, die erfüllt werden müssen, wie Straffreiheit, Sprachkenntnisse und die selbstständige Versorgung für sich und die eigene Familie. Anders als für die Union ist für uns nicht wichtig, woher jemand kommt, sondern wohin jemand will. Mit einem modernen Einwanderungsrecht und einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht tragen wir unserer festen Überzeugung Rechnung, dass jeder, der sich anstrengt und einen Beitrag leisten möchte, diese Chance auch bekommen sollte.