Politik

"Es ist nicht für alle einfach, in Bayern gut zu leben"

Die Präsidentin des größten deutschen Sozialverbands VdK, Verena Bentele, ist nun auch bayerische Landesvorsitzende. Was sie an der bayerischen Sozialpolitik kritisiert und ändern will


Demonstranten bei einer Mahnwache der Gruppierung "Rentner gegen Altersarmut" in Würzburg.

Demonstranten bei einer Mahnwache der Gruppierung "Rentner gegen Altersarmut" in Würzburg.

Von Lisa Marie Albrecht

AZ: Frau Bentele, Gratulation: Seit Donnerstag sind Sie nicht nur Präsidentin des größten Sozialverbands VdK Deutschland, sondern auch Chefin des größten Landesverbands, nämlich Bayern. Wie stressig wird das?

VERENA BENTELE: Das schöne ist ja, dass ein Drittel aller VdK-Mitglieder eh schon aus Bayern kommt. Sprich: Das, was ich für den VdK mache, mache ich auch für die bayerischen Mitglieder. Die neue Funktion ist für mich eine schöne Möglichkeit, jetzt auch die Bundesthemen hier in Bayern noch weiter voranzutreiben.

Ihre Amtsvorgängerin in Bayern, Ulrike Mascher, hat der Sozialpolitik im Freistaat zum Abschied kein gutes Zeugnis ausgestellt. Was sind die großen Baustellen?

Verena Bentele.

Verena Bentele.

Ein großes Problem in Bayern ist, dass hier die Lebenshaltungskosten sehr hoch sind. Dem entgegen stehen sehr geringe Renten insbesondere von Frauen, die oft nicht arbeiten konnten, weil sie keine Möglichkeit hatten, ihre Kinder betreuen zu lassen oder weil sie Angehörige gepflegt haben. Insbesondere für sie, aber auch für Männer ist Altersarmut ein großes Thema. Da ist die Bayerische Staatsregierung nicht hinterher. Genausowenig wie bei der Beseitigung der Kinderarmut. Und auch das Thema Schaffung von Strukturen für die häusliche Pflege ist eines, das wir im VdK Bayern als politisches Topthema auf die Agenda setzen - gerade jetzt im Landtagswahlkampf. Hier fordern wir die Bayerische Staatsregierung auf, sich mehr für die Schaffung kommunaler Strukturen im Bereich der häuslichen Pflege einzusetzen.

Ist das Thema ungleiche Lebensverhältnisse im "reichen" Bayern ein besonders großes?

Es ist auf jeden Fall auch in Bayern sehr virulent. Hier stehen sich zwei Dinge gegenüber: Das Leben ist relativ teuer, gerade in unseren Großstädten wie München, Nürnberg und Würzburg. Und wir haben auf der anderen Seite eben wirklich teils sehr niedrige Renten, wir haben Menschen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten und die die sehr hohen Lebenshaltungskosten doppelt belasten. In Bayern ist es schön, aber es ist nicht für alle Menschen sehr einfach, hier gut zu leben. Dagegen muss die Staatsregierung dringend etwas unternehmen.

Was könnte Ihrer Meinung nach sofort umgesetzt werden, um das zu ändern?

Wir brauchen dringend einen höheren Mindestlohn, aber auch Strukturen, damit insbesondere Frauen Pflege und Beruf oder Familie und Beruf besser vereinbaren können. Es ist einfach so, dass es oft Frauen sind, die hier zurückstecken. Das muss sich ändern. Wir brauchen zum Beispiel mehr Tages- und Kurzzeitpflegeplätze, damit eben auch das Thema Pflege von Angehörigen nicht zwangsläufig bedeutet, dass die Berufstätigkeit zurückgefahren oder sogar aufgegeben werden muss.

Rechnen Sie damit, dass sich die Situation in Sachen Armut und Rente verschärft und dem VdK dadurch auch mehr Mitglieder beschert?

Ich rechne auf jeden Fall mit Mitgliederzuwächsen. Die haben wir im Moment auch schon, was uns sehr von Gewerkschaften oder auch Parteien unterscheidet. Das zeigt uns einerseits, dass wir wohl eine gute Arbeit machen, aber eben auch, dass der Bedarf nach Rechtsberatung und Interessenvertretung riesig ist.

Wie sehr klopfen Sie sich selbst dafür auf die Schulter, dass es beim VdK so gut läuft?

Ich klopfe heute natürlich vor allem meinen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen auf die Schulter, die vor Ort beraten, Veranstaltungen durchführen und die Menschen als Pflegebegleiter unterstützen.