Politik

"Dieses Problem betrifft ganz Bayern"

Die Grünen wollen den Grundwasserschutz im Freistaat verschärfen. Fraktionschef Ludwig Hartmann über sinkende Pegel - und die steigende Nachfrage großer Unternehmen.


Die Isar im vergangenen Sommer: Der Wasserstand ist extrem niedrig.

Die Isar im vergangenen Sommer: Der Wasserstand ist extrem niedrig.

Von Natalie Kettinger

AZ: Herr Hartmann, Aldi erwirbt die "Altmühltaler Mineralbrunnen" in Treuchtlingen, Edeka die Siegsdorfer "Petrusquelle". Hat der Ausverkauf des bayerischen Wassers begonnen?

Ludwig Hartmann: Die Vorgänge zeigen, dass die Konzerne vier Schritte weiter sind als die CSU-Regierung. Sie haben erkannt: Hier wird ein Gut knapp, das man in Bayern umsonst bekommt - anders als in 13 anderen Bundesländern, die ein Wasserentnahmegeld haben. Wenn Aldi im Freistaat eine Quelle kauft und Tiefengrundwasser entnimmt, zahlt der Konzern dafür keinen Cent. Er trägt nur die Pumpkosten. Das ist eine Lizenz zum Gelddrucken. Aber das Tiefengrundwasser im Altmühltal ist Jahrtausende alt und bildet sich nicht mal eben so neu. Es wird weniger. Deshalb ist es in der Tat ein Ausverkauf unseres Trinkwassers.

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Schon 2022 fiel in Teilen des Freistaates zu wenig Regen: Trockenrisse in einem Ackerboden im bayerischen Isental.

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Ludwig Hartmann (44) ist seit 2013 Co-Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion und einer der beiden Spitzenkandidaten seiner Partei für die Landtagswahl im Oktober.

Gefühlt regnet es seit Beginn des Jahres durch - trotzdem sind die Grundwasserpegel im Freistaat extrem niedrig. Wie passt das zusammen?

Wenn es wie jetzt beständig nieselt, ist das für die Grundwasserbildung eigentlich genau richtig. So kann das Wasser langsam im Boden versickern. Aber das oberflächennahe Grundwasser bildet sich im Alpenvorraum in der Regel durch die Schneeschmelze, und die ist weitgehend ausgeblieben. Hinzukommt, dass immer mehr Fläche verloren geht, auf der Wasser versickern kann. Moore wurden trockengelegt, Auwälder sind verschwunden. In der Landwirtschaft haben wir große, möglichst ebenerdige Flurstücke ohne Mulden, in denen sich Wasser sammeln und zeitversetzt versickern könnte. Das ist aus Sicht des einzelnen Landwirts nachvollziehbar, schadet aber dem Grundwasserkörper. Denn so fließt das Wasser in den nächsten Bach, die Isar, die Donau, ins Schwarze Meer und dann ist es weg - genau wie das Trinkwasser aus der Leitung, das über das Kanalsystem entsorgt wird.

In Frankreich und Italien wird das Wasser rationiert. Droht so etwas auch im Freistaat?

Das hatten wir in Bayern schon: letztes Jahr in Unterfranken zum Beispiel. In Bad Kissingen sind im Juni, Juli und August nicht einmal 30 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Das ist weniger als drei grüne Garten-Gießkannen. Es gibt Regionen in Franken, wo die Feuerwehr nicht mehr weiß, ob genug Druck zum Löschen aus den Leitungen kommt, weil das Wasser so knapp geworden ist. In diesem Jahr haben wir auch südlich der Donau täglich neue Rekord-Tiefstände. Das zeigt: Das Problem betrifft ganz Bayern und man kann es nicht einfach lösen, indem man Wasser aus dem Bodensee woandershin pumpt. Denn auch der Bodensee hatte letzten Sommer Tiefstände.

Sie wollen noch vor Pfingsten ein Wassersicherungsgesetz in den Landtag einbringen. Darin steht, dass bis 2030 zwölf Prozent der Landesfläche als Wasserschutzgebiete ausgewiesen werden sollen - an welche denken Sie dabei?

Das muss flächendeckend sein - und ortsnah. Dann können die Menschen nachvollziehen, dass es Trinkwasserschutzgebiete braucht, damit das Wasser in ihrer Region sauber bleibt. Wir haben aktuell immer mehr Kommunen, die einen zweiten Brunnen bohren, weil einer nicht mehr reicht. Deswegen müssen die Trinkwasserschutzgebiete ausgeweitet werden, damit man dort in Zukunft nach sauberem, nitratarmen Grundwasser bohren kann. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Hessen haben bis zu 20 Prozent ihrer Fläche für den Schutz des Wassers ausgewiesen, Bayern nur fünf. Da muss der Freistaat endlich nachziehen.

In Miesbach, wo das Münchner Trinkwasser gewonnen wird, reagiert man auf diesen Vorstoß vermutlich nicht gerade erfreut. Ein Dünge- und Beweidungsverbot wurde dort gerade erst per Landtags-Petition abgewendet.

Deswegen wollen wir, dass Trinkwasserschutzgebiete künftig von den Bezirksregierungen ausgewiesen werden und nicht mehr von den Landratsämtern. Wir müssen bei Wasserschutz einfach größer denken, über die Landkreisgrenzen hinweg. Zudem kommt hier der Wassercent ins Spiel: Den würden wir bei Kommunen, die Trinkwasser entnehmen, bei acht Cent pro Kubikmeter ansetzen - also ganz weit unten. Aber die Masse macht's. Dieses Geld würden wir verwenden, um Entschädigungen für Trinkwasserschutzgebiete zu zahlen: Damit unterstützen wir Landwirte, die ihren Tierbestand in Einklang mit dem Gewässerschutz bringen. Außerdem liefert der Wassercent einen gewissen Anreiz zur Sparsamkeit. Wir müssen ja den Bedarf nach unten kriegen. Deswegen schlage ich vor, dass wir in Neubauten auf Zisternen setzen. Man kann eine Klospülung auch mit Regenwasser betreiben. Landwirte könnten ebenfalls Zisternen anlegen und das Oberflächenwasser zum Gießen verwenden.

Das Leitungswasser würde für die Verbraucher allerdings teurer - und das in einer Zeit, in der an allen Ecken und Enden die Kosten steigen.

Jeder von uns braucht durchschnittlich 125 Liter Leitungswasser pro Tag. In München kostet der Kubikmeter - also 1000 Liter - 1,70 Euro. Mit Wassercent stiege der Preis auf 1,78 Euro. Verbraucht man also aufgerundet einen Kubikmeter pro Woche, wären das im Monat 32 Cent Mehrkosten pro Person. Das ist eine vertretbare Größenordnung. Bei der industriellen Entnahme von Tiefengrundwasser - Beispiel Aldi - wollen wir mit einem Euro pro Kubikmeter anfangen. Im Moment ist es doch so, dass es für Aldi billiger ist, das kostenlose Tiefengrundwasser für die Klospülung zu nehmen als Wasser vom kommunalen Versorger zu kaufen. Das kann doch nicht sein, wir brauchen Anreize zum Sparen. Außerdem wollen wir keine neue Tiefengrundwassernutzung mehr genehmigen - außer in Regionen wie dem Chemiedreieck im Südosten, wo der oberflächennahe Grundwasserkörper so verdreckt ist, dass man dieses Wasser nicht mehr verwenden kann. Was den Freistaat und die Kommunen aber nicht davon entbindet, ihn zu sanieren. Das Tiefengrundwasser ist die Schatzkammer für unsere Kinder und Enkel, die letzte eiserne Notreserve - und so sollten wir es auch behandeln.

Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern wirft Ihnen vor, die Ankündigung des Wasserschutzgesetzes sei eine Showveranstaltung. Schließlich arbeite die Regierung an einer langfristigen Strategie.

Interessant ist doch: Die CSU hat 2021 den Wassercent angekündigt, aber nie den Mut gehabt, ihn umzusetzen. Seit Jahren sollen die Trinkwasserschutzgebiete erweitert werden - es wurden aber keine neuen ausgewiesen. Wir schlagen jetzt konkrete Wege vor, wie beides gehen könnte. Ich frage mich, was daran Show sein soll. Wenn Markus Söder bei der Renaturierung der Moore so weitermacht wie bisher, braucht er für sein selbstgesetztes Ziel von 55 000 Hektar noch über 600 Jahre. Das ist Show-Politik!

Wie erklären Sie sich, dass die Regierungsfraktionen noch vor kurzem den Schutz des Tiefengrundwassers und die bevorzugte Nutzung von Grundwasser zur Trinkwassergewinnung im Landesentwicklungsprogramm aufweichen wollten?

Ich bin fest überzeugt, dass das über Lobby-Verbände eingespeist wurde. Da sieht man mal wieder, dass für die CSU Konzern-Interessen wichtiger sind als die Menschen in Bayern.

Und warum wurden die entsprechenden drei Anträge Ihrer Meinung nach in letzter Sekunde zurückgezogen?

Weil die Leute mittlerweile richtig Sorgen haben. Sie kennen Wassermangel aus ihren Urlaubsregionen und im letzten Sommer konnte man auch bei uns sehen, wie wenig Wasser die Isar führte. Und dann gehen die Quellen an Privatkonzerne, die für das Wasser nicht mal etwas zahlen? Aber es geht ja noch weiter: Wir wissen in Bayern, wie viel Schweine wir haben, wie viele Karotten, wie viele Autos angemeldet sind. Wir wissen aber nicht, wie viel Tiefengrundwasser jeden Tag entnommen wird. Feste Zahlen gibt es nur von den Stadtwerken für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Was die Konzerne täglich entnehmen, ist nicht bekannt. Es gibt kein zentrales Register. Das heißt im Umkehrschluss: Es lässt sich nicht überprüfen, ob sie sich an die Genehmigungen halten. Deshalb fordern wir ein Wasserentnahme-Kataster. Auch, um überprüfen zu können, ob die jeweilige Genehmigung nicht auf Grundlage einer veralteten Annahme erteilt wurde, etwa dass der Grundwasserpegel steigt. Wenn er wie jetzt durch die Erdüberhitzung aber sinkt, muss man die Genehmigung anpassen und die Fördermenge reduzieren. So machen wir es beim Brandschutz und in anderen Bereichen doch auch.