"Trübes Wetter"

Aiwanger verharmlost den Klimawandel in einem Tweet

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sorgt mit einem Beitrag auf Twitter zum Klimawandel für Wirbel. Klimaforscher und Experten zeigen sich darüber entsetzt.


Hubert Aiwanger kommt am Dienstag mit seiner Lebensgefährtin Tanja Schweiger bei Regen zur Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth.

Hubert Aiwanger kommt am Dienstag mit seiner Lebensgefährtin Tanja Schweiger bei Regen zur Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth.

Von Lisa Marie Albrecht, Tobias Lill

Für Hubert Aiwanger ist die Sache klar. "Der im Frühjahr vorausgesagte/vermutete Hitzesommer in Deutschland ist bisher ausgeblieben. Die letzten Tage vermehrt trüb/Regen, nachts für Juli relativ kühl", schrieb er am Dienstag bei Twitter. Dann schlussfolgert er: "Systematisch an den Klimaherausforderungen arbeiten, aber keine Panik verbreiten!" Gut 1,3 Millionen Nutzern des Kurznachrichtendiensts werden die Aussagen des Freie-Wähler-Chefs bis Mittwochnachmittag ausgespielt.

Also alles halb so wild mit dem Klimawandel? Wer mit Experten spricht, merkt schnell, dass Aiwangers Behauptungen schlicht falsch sind. Denn obwohl gerade so manche Grillfeier wegen Regens abgesagt wird, ist, anders als vom bayerischen Wirtschaftsminister behauptet, der Hitzesommer hierzulande keineswegs ausgeblieben.

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) war der Juni "ungewöhnlich warm". Mit 18,4 Grad lag das Temperaturmittel bayernweit im Schnitt 3,5 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Nur 2019 wurden bislang mehr Sonnenstunden im Freistaat verzeichnet. Und bundesweit war der Juni viel zu trocken. Lothar Bock vom DWD-Klimabüro München zufolge wird auch der Juli überdurchschnittlich warm. "Ich rechne damit, dass dieser in Bayern fast drei Grad wärmer wird als im Langzeitvergleich", sagt er unserer Redaktion. Die derzeitigen Regentage würden nichts daran ändern, dass der Niederschlag in diesem Monat geringer sei als üblich.

Weltweit war der Juni sogar der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Dass der menschgemachte Klimawandel eine große Rolle für die zunehmenden Hitzewellen spielt, ist unter Experten unstrittig.

Aiwanger nennt Kritiker "Klimahysteriker"

Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif zeigt sich im Gespräch mit unserer Redaktion entsetzt über Aiwangers Tweet. Es gehe schlicht und ergreifend um "den Unterschied zwischen Wetter und Klima", sagt er. Das eine sei kurzfristig, das andere langfristig. Keinesfalls könne man allein aufgrund von ein paar kühleren Tagen auf die langfristige Entwicklung des Klimas schließen. "Herr Aiwanger ist in keiner Weise Experte und hat nie im Bereich der Klimaforschung gearbeitet", sagt Latif und stellt klar: "Die Daten sind alarmierend."

Er verweist auf die Waldbrände in Südeuropa und die deutliche Zunahme von Hitzetagen in Bayern. "Wer sich hier lustig macht, und das tut Aiwanger letztendlich, handelt verantwortungslos." Zudem spiele er Klimawandelleugnern in die Hände und suche damit den "Schulterschluss mit der AfD". Die habe derlei Erzählungen im Wahlprogramm stehen.

Ludwig Hartmann, Chef der Landtags-Grünen, geht hart mit Aiwanger ins Gericht: "Die Klimakrise ist real. Was uns jetzt nicht hilft, ist ein Wirtschaftsminister, der von Panikmache redet und wegen ein paar Regenschauern die Klimakrise verharmlost", sagt er unserer Redaktion. Es werde Zeit, dass Aiwanger "die Fakten endlich richtig liest, und entschlossen gegen die Klimakrise vorgeht". Kathrin Flach Gomez, Landessprecherin der Linken, sagt unserer Redaktion: "Aiwanger verharmlost den Klimawandel."

Aiwanger bezeichnet auf Anfrage die Kritiker als "Klimahysteriker". Und weiter: "Wenn man bei kühlem Regenwetter sagt, dass es momentan kühl ist und regnet, drehen diese Herrschaften am Rad."